Wenn Du Dich mit der Planung Deines Gartens beschäftigst oder einfach mehr über Pflanzen wissen möchtest, lohnt es sich, einen genaueren Blick unter die Erde zu werfen. Denn dort spielt sich Entscheidendes ab: Das Wurzelsystem einer Pflanze bestimmt nicht nur, wie gut sie mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird, sondern auch, wie standfest und widerstandsfähig sie gegen Trockenheit und Stürme ist. In diesem Beitrag erfährst Du alles über die Unterschiede zwischen Tiefwurzlern, Flachwurzlern und Herzwurzlern, welche Pflanzen zu welchem Typ gehören und wie Du diese Informationen gezielt bei der Standortwahl einsetzen kannst. Typisch ist die Einteilung in Tiefwurzler, Herzwurzler und Flachwurzler bei der Charakterisierung von Gehölzen. Weil sie langlebig sind und über Jahrzehnte an einem Standort bleiben, sind für sie die Bodenstruktur und die Tiefgründigkeit von besonderer Bedeutung. Allerdings lassen sich auch Stauden, Gräser und Gemüse entsprechend einteilen.
Die Form des Wurzelsystems ist anpassbar
Die Ausprägung des Wurzelsystems ist genetisch bedingt und zeigt sich bereits während der Keimung. Sie kann aber von den Pflanzen modifiziert werden, wenn der Standort es erfordert. So bildet etwa die Waldkiefer (Pinus sylvestris) auf tiefgründigen Böden eine lange Pfahlwurzel. Auf Lehm- und Tonböden entwickeln sie dagegen ein Herzwurzelsystem. Auch andere Pflanzen reagieren auf ihren Standort. Stoßen die Wurzeln auf Hindernisse wie einzelne Steine, felsigen Untergrund oder einen hohen Grundwasserstand, stoppt das Wachstum der Hauptwurzel an der Spitze und sie verzweigt sich. Finden Flachwurzler im Oberboden wenig Wasser, dringen sie auf der Suche nach Feuchtigkeit tiefer in die Erde ein. Ein Umstand, den Du Dir zunutze machen kannst. Indem Du seltener und dafür intensiver wässerst, sorgst Du für Feuchtigkeit in tieferen Erdschichten und förderst tieferes Wurzelwachstum. Das ist hilfreich, wenn der Oberboden im Sommer schnell austrocknet. Die tief wurzelnden Pflanzen welken nicht so schnell. Diese Anpassungsfähigkeit hat aber ihre Grenzen, weshalb Du hauptsächlich bei langlebigen Pflanzen wie Gehölzen und Stauden bei der Standortwahl den Wurzeltyp passend zu Deinem Boden auswählen solltest.
Die Haupttypen: Tiefwurzler, Flachwurzler und Herzwurzler
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Haupttypen von Wurzelsystemen. Tiefwurzler schicken ihre wenig verzweigte Hauptwurzel tief in den Boden. Sie können so auch in tieferen Erdschichten Wasser und Nährstoffe erreichen. Bei den Flachwurzlern verlaufen die Wurzeln zunächst horizontal in den oberen Bodenschichten und breiten sich dort weit aus. Mit zunehmendem Alter bilden sich dann Senkwurzeln, die senkrecht in die Tiefe wachsen. Herzwurzler sind eine Zwischenform. Sie breiten ihr Wurzelsystem gleichmäßig in alle Richtungen aus. Es gibt Übergänge zwischen den Herzwurzeln und den beiden Haupttypen. Zum Beispiel erweitert sich das Pfahlwurzelsystem von alten Eichen mit der Zeit zu einem Herzwurzelsystem.
Warum ist das Wurzelsystem wichtig?
In der Natur findest Du Flachwurzler und Tiefwurzler an bestimmten Standorten. Flachwurzler haben Vorteile auf trockenen, flachgründigen Böden wie Berghängen oder in Gebieten mit einem hohen Grundwasserspiegel. Auch auf stark verdichteten oder kargen Böden (z. B. in der Heide) sind Flachwurzler zu finden.
Tiefwurzler sind überall da im Vorteil, wo der Boden tiefgründig ist. Sie kommen gut mit Trockenperioden zurecht, weil sie Feuchtigkeit aus der Tiefe nutzen können. Sie sind weniger windanfällig und konkurrieren nicht mit anderen Pflanzen um Wasser und Nährstoffe.
Tiefwurzler – Die standfesten Spezialisten für Trockenheit
Merkmale von Tiefwurzlern
- Entwickeln eine ausgeprägte Pfahlwurzel.
- Gelangen an tief liegende Wasserreserven.
- Gut geeignet für lockere, sandige und tiefgründige Böden.
Bei Tiefwurzlern dringt schon die Keimwurzel tief in die Erde ein, ohne viele Verzweigungen zu bilden. Auf diese Weise ist der Sämling gut verankert und findet bei Trockenheit Wasser in der Tiefe. Solche Pflanzen mögen es in der Regel nicht, wenn sie umgepflanzt werden, weil es kaum möglich ist, sie ohne Beschädigung der Pfahlwurzel auszugraben. Das kennst Du vielleicht von verschiedenen Sommerblumen und Gemüsepflanzen wie Sonnenblumen, Ackerbohnen und Artischocken, die im Anzuchttopf nicht zu groß werden dürfen, bevor Du sie ins Beet umsetzt. Auch bei Möhren, Schwarzwurzeln und keimenden Eicheln kannst Du eine imposante Pfahlwurzel sehen.
Die Rose ist eines der Ziergehölze, das zu den Tiefwurzlern gehört. Sie durchwurzelt den Boden bis in eine Tiefe von 100-200 cm. Andere Sträucher und Bäume können mit ihrem Wurzelsystem noch tiefer gelangen. Die Stieleiche (Quercus robur) und die Waldkiefer (Pinus sylvestris) wurzeln bis zu 400 cm tief. Unter den Stauden gehören Pfingstrosen, Roter Sonnenhut und Rittersporn zu den Tiefwurzlern. Sie dringen 100 bis 150 cm in den Boden ein. Lupinen können den Boden bis in 200 cm Tiefe durchwurzeln.
Beispiele für Bäume mit tief reichenden Pfahlwurzeln
- Edelkastanie (Castanea sativa)
- Quitte (Cydonia oblonga)
- Taschentuchbaum (Davidia involucrata)
- Schmalblättrige Esche (Fraxinus angustifolia)
- Walnuss (Juglans regia)
- Schwarzkiefer (Pinus nigra)
- Kiefer (Pinus sylvestris)
- Eiche (Quercus robur)
- Vogelbeerbaum (Sorbus aucuparia)
- Speierling (Sorbus domestica)
- Bergulme (Ulmus glabra)
Beispiele für tiefwurzelnde Sträucher
- Felsenbirne (Amelanchier lamarckii)
- Scharlach-Weißdorn (Crataegus pedicellata, Syn.: Crataegus coccinea)
- Sanddorn (Hippophae rhamnoides)
Beispiele für Stauden
- Rittersporn (Delphinium)
- Alant (Inula helenium)
- Lupine (Lupinus)
- Wilde Malve (Malva sylvestris)
- Pfingstrosen (Paeonia)
Standort-Tipps für Tiefwurzler
- Ideal auf durchlässigen, leichten Böden.
- Niedriger Grundwasserstand
- tiefgründig
- Eignen sich besonders für trockenheitsanfällige Standorte oder Hänge.
- Achte beim Pflanzen auf eine tiefgehende Bodenlockerung.
Flachwurzler – Die Schnellstarter mit hohem Oberflächenkontakt
Merkmale von Flachwurzlern
- Wurzeln verlaufen dicht unter der Bodenoberfläche.
- Schneller Zugang zu Oberflächenwasser.
- Empfindlich gegen Trockenheit und Wind.
Bei Flachwurzlern beginnt sehr früh nach der Keimung eine Verzweigung an der Pflanzenbasis und das Wurzelsystem breitet sich direkt unter der Erdoberfläche aus. Diese Pflanzen nehmen Wasser an der Oberfläche auf und profitieren bei ausreichenden Niederschlägen von Wasser und Nährstoffen im Oberboden. Es entwickelt sich eine flache Wurzelscheibe, von der aus mit zunehmendem Alter senkrechte Senkwurzeln in die Tiefe wachsen. Die Hauptwurzelmasse befindet sich aber nahe der Oberfläche. Bei Fichten liegt sie meistens in einer Tiefe von 20 bis 60 cm. Darum sind diese 30 bis 60 Meter hohen Bäume so besonders sturmanfällig. Das flache Wurzelsystem hat aber auch noch andere Nachteile. Zum Beispiel musst du unter solchen Bäumen mit der Bodenbearbeitung vorsichtig sein.
Beispiele für flachwurzelnde Bäume:
- Zucker-Ahorn (Acer saccharum)
- Götterbaum (Ailanthus altissima)
- Amerikanische Gleditschie (Gleditsia triacanthos)
- Papier-Birke (Betula papyrifera)
- Stern-Magnolie (Magnolia stellata)
- Urweltmammutbaum (Metasequoia glyptostroboides)
- Fichte (Picea abies)
- Silber-Pappel, Weiß-Pappel (Populus alba)
- Rot-Eiche (Quercus rubra)
- Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia)
- Silber-Weide (Salix alba)
- Abendländischer Lebensbaum (Thuja occidentalis)
Beispiele für Sträucher mit oberflächennahen Wurzeln
- Kupfer-Felsenbirne (Amelanchier lamarckii)
- Kornelkirsche (Cornus mas)
- Forsythie (Forsythia)
- Hortensie (Hydrangea)
- Rhododendron (Rhododendron spp.)
Beispiele für flachwurzelnde Stauden:
- Frauenmantel (Alchemilla)
- Storchschnabel (Geranium)
- Funkie (Hosta)
Standort-Tipps für Flachwurzler:
- Sie bevorzugen humose, feuchte Böden.
- Empfindlich bei sommerlicher Trockenheit – hier ist zusätzliches Wässern wichtig.
- Wurzelbereich nicht stark verdichten oder bearbeiten (z.B. durch Umgraben).
- Mulchen schützt die Wurzeln und verhindert das Austrocknen des Oberbodens
Herzwurzler – Die ausgeglichenen Allrounder
Merkmale von Herzwurzlern
- Wurzeln wachsen von Jugend an gleichmäßig in alle Richtungen.
- Kombination aus tiefer Verankerung und breiter Versorgung.
Herzwurzler sind eine Mischform aus Tiefwurzlern und Flachwurzlern. Sie bilden verzweigte Wurzeln im Oberboden, durchwurzeln die Erde aber auch bis in große Tiefe. Herzwurzler schieben ihre Wurzeln problemlos zwei bis drei Meter tief in die Erde, wurzeln also nicht weniger tief als Tiefwurzler mit ihrer Pfahlwurzel. Auf Böden mit hohem Grundwasserstand oder starken Verdichtungen im Unterboden wird das Wurzelsystem aber nur flach ausgebildet. Manche Arten bilden ein so starkes, dicht verzweigtes Netzwerk aus Wurzeln im Oberboden, dass sie anderen Pflanzen das Wasser abziehen. Dazu gehören zum Beispiel Ahorne (Acer sp.), Kastanie (Aesculus hippocastaneum), Hängebirke (Betula pendula), Liguster (Ligustrum vulgare), die Gemeine Hainbuche (Carpinus betulus), der Gemeine Flieder (Syringa vulgaris), Pappeln und Weiden. Solche Gehölze wurden früher gezielt zum Trockenlegen von Flächen gepflanzt. Weil sie viel Wasser verdunsten, wird es unter ihren Kronen im Sommer sehr trocken. Darum ist es schwierig in ihrer Nähe Kleinsträucher oder Stauden zu setzen.
Beispiele für Bäume mit Herzwurzelsystem
- Feld-Ahorn (Acer campestre)
- Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus)
- Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)
- Gemeine Hainbuche (Carpinus betulus)
- Baum-Hasel (Corylus colurna)
- Rotbuche (Fagus sylvatica)
- Europäische Lärche (Larix decidua)
- Amberbaum (Liquidambar styraciflua)
- Tulpenbaum (Liriodendron tulipifera)
- Apfelbaum (Malus domestica)
- Ahornblättrige Platane (Platanus acerifolia)
- Linde (Tilia cordata)
- Sumpf-Eiche (Quercus palustris)
- Eibe (Taxus baccata)
- Trompetenbaum (Catalpa bignonioides)
- Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium)
Beispiele für Sträucher mit Herzwurzelsystem
Beispiele für Stauden
- Sonnenhut (Rudbeckia)
Standort-Tipps
- Gut geeignet für mittelschwere Böden.
- Flexibel bei wechselnden Bedingungen.
- Ideal für Mischpflanzungen.
Das Beste aus zwei Systemen
Nicht immer ist die Zuordnung zu einem der Wurzelsysteme eindeutig. Es gibt Zwischenformen und manche Baumarten verändern im Alter ihr Wuchsverhalten. Solche Gehölze verbinden die Vorteile beider Systeme: gute Standfestigkeit und Trockenheitsresistenz durch tiefere Wurzeln und effektive Wasser- und Nährstoffaufnahme im oberflächennahen Bereich.
Kombinationen aus Herz- und Flachwurzelsystem
Das Wurzelsystem der Spitzahorns (Acer platanoides) ist eine Mischung aus Herz- und Flachwurzler. Er hat ein breites Wurzelsystem mit Schwerpunkt nahe der Oberfläche. Bei der Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) ist ihre stark ausgeprägte Feinwurzelzone im oberen Bodenniveau eine Anpassung an nasse und wechselfeuchte Standorte.
Kombination aus Pfahl – und Herzwurzelsystem
Feldulme (Ulmus minor), Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) und Weißtanne (Abies alba) bildet zunächst ein Pfahlwurzel, die sich später zu einem Herzwurzelsystem entwickelt. Der Ginkgobaum (Ginkgo biloba) bildet als Jungpflanze eine starke Pfahlwurzel, die bis zu 250 cm tief in die Erde reicht. Später entwickelt sich ein tiefgreifendes Herzwurzelsystem bis in eine Tiefe von 1,5 Metern. Bei der Robinie (Robinia pseudoacacia) findet man in jungen Jahren eine bis zu 5 Meter tief reichende Pfahlwurzel. Später entwickelt sich ein ausgedehntes, flaches Netz an Seitenwurzeln. Solche Arten sind besonders geeignet für Stadtstandorte, Wechselklima oder Böden mit begrenztem Wasserhaltevermögen.
Pflanzen mit Wurzelausläufern und Bodentrieben
Zusätzlich zu den drei Hauptwurzelsystemen gibt es Sonderformen bei der Bewurzelung. Einige Arten bilden Wurzelausläufer oder bilden an den Trieben, wenn diese auf dem Boden aufliegen. Auf diese Weise bilden sich große Flächenbestände und die Pflanzen vermehren sich vegetativ.
Ausläufer findet man zum Beispiel beim Kanadischen Holunder (Sambucus nigra subsp. canadensis), dem Sanddorn (Hippophae rhamnoides) und dem Seidige Hartriegel (Cornus sericea).
Die Bewurzelung von Bodentrieben ist vielleicht von Brombeeren und Himbeeren bekannt. Auch die Kriechmispel (Cotoneaster dammeri) und der Kriechwacholder (Juniperus procumbens) vermehren sich auf diese Weise und bilden dichten Bestände. Besonders spektakulär ist diese Wuchsform bei der Süntelbuche (Fagus sylvatica 'Tortuosa').
Welches Wurzelsystem passt zu welchem Boden?
Leichte, sandige Böden:
- Lassen Wasser schnell versickern.
- Hier sind Tiefwurzler klar im Vorteil, da sie an tieferes Wasser gelangen.
Schwere, lehmige Böden:
- Speichern Wasser gut, können aber staunass werden.
- Herzwurzler und Flachwurzler fühlen sich hier wohl, solange der Boden nicht zu verdichtet ist.
Steinige oder durchwurzelte Böden:
- Erschweren das Wachsen von Pfahlwurzeln.
- Herzwurzler und anpassungsfähige Tiefwurzler mit verzweigten Wurzeln kommen hier zurecht.
Was bedeutet das für Deine Gartenpraxis?
Pflanzenauswahl: Wähle Pflanzen mit dem passenden Wurzelsystem für Deinen Boden.
Bewässerung: Flachwurzler benötigen in Trockenzeiten regelmäßige Wassergaben, während Tiefwurzler oft monatelang ohne Zusatzwasser auskommen.
Pflege: Bearbeite den Wurzelbereich von Flachwurzlern nur sehr vorsichtig. Bei Tiefwurzlern ist eine tiefgründige Bodenvorbereitung wichtig.
Sturmschutz: In exponierten Lagen sind Tief- und Herzwurzler deutlich standfester.