Im Gegensatz zur Züchtung ist die Evolution nicht sehr zielgerichtet. Sie führt – wahrscheinlich – nirgendwo hin. Aber sie entwickelt sich selber regulierende Mechanismen, die langfristig doch ziemlich tröstlich stimmen. In der Regel «produziert» die Evolution genau dort Resistenzen, wo auch die Krankheitserreger ihren Ursprung und ihre grösste Wirkung haben. Und falls einmal der Evolution keine Zeit mehr bleiben sollte, muss – hoffentlich – die menschliche Intelligenz eingreifen. Wenn Sie Stachelbeeren kaufen, erhalten Sie robuste und pflegeleichte Beerensträucher für Ihren Garten.
Aber bleiben wir beim Stachelbeeren Pflanzen und beim amerikanischen Stachelbeermehltau. Schon die frühen Siedler hatten europäische Stachelbeeren nach Nordamerika eingeführt und über die Jahrhunderte waren eigene amerikanische Stachelbeersorten entstanden. Es kann nicht überraschen, dass diese Sorten meist zufällig entstandene Hybriden zwischen den europäischen Stachelbeeren (Ribes uva-crispa) und einheimischen mehltautoleranten oder resistenten Stachelbeerarten waren.
Eine Ursorte der amerikanischen Stachelbeeren und auch der modernen Mehltauresistenzzüchtung ist die Sorte ‘Houghton’, die wohl die natürliche Kreuzung einer europäischen Stachelbeersorte mit der amerikanischen Ribes hirtellum darstellt. In solchen Kreuzungen findet man auch immer wieder wenig bis gar nicht bedornte Genotypen, so dass wohl auch die dornenlosen Zuchtlinien, die auf ‘Spinefree’ (1935) und ‘Captivator‘ (Einführung 1952) zurückgehen, auf den Genen von Ribes hirtellum basieren.
Eine andere Theorie schreibt die Dornenlosigkeit Ribes oxycanthoides zu. So oder so wird diese partielle bis fast vollständige Stachellosigkeit nur quantitativ vererbt, so dass es in den Kreuzungspopulationen alle möglichen Mischformen (viele Dornen, wenig Dornen, fast keine Dornen) gibt. Es ist ein glücklicher Zufall, dass die Zuchtlinien mit Ribes hirtellum und Dornenlosigkeit im Hintergrund auch die beste und sicherste Mehltauresistenz und vielfach auch eine gute Toleranz gegenüber Blattflecken vererben. Letztlich basiert unsere Easycrisp-Familie auf dieser genetischen Grundlage: die beste Mehltauresistenz, starker, gesunder, manchmal etwas sparriger Wuchs, wenig Blattfallkrankheit und eher kleine Früchte. Die Fruchtqualität schwankt stark, kann exzellent sein wie bei ‘Captivator’ oder ‘Mr. Green‘, liegt jedoch generell eher unter anderen Zuchtlinien. Viele osteuropäische und deutsche Züchter wie Dr. Rudolf Bauer kreuzten die Mehltautoleranz der amerikanischen Art Ribes divaricatum in die Stachelbeeren ein.
Alle Deutschen R-Sorten wie ‘Remarka’ und ‘Rolonda’ und wohl auch die englische ‘Invicta’ stammen auf dieser Züchtungsrichtung. Die so eingebrachte Mehltautoleranz scheint etwas schwächer zu sein als diejenige von Ribes hirtellum. Andererseits kann über die Rückkreuzung von Ribes divaricatum-Sorten mit europäischen Stachelbeeren schneller wieder die Fruchtgrösse und Fruchtqualität der Sorten des 19. Jahrhunderts erreicht werden. Unsere ganze Crispa-Stachelbeerfamilie stammt ursprünglich aus dieser Züchtungsrichtung (‘Espera’ und ‘Flavia‘).
Wie geht es weiter? Da sowohl die Mehltauresistenz/Toleranz als auch die Dornenlosigkeit nicht qualitativ (ja/nein) vererbt werden, sondern nur quantitativ (das heisst graduell), muss kontinuierlich an Verbesserungen gearbeitet werden. Allerdings braucht die erste Selektion der Sämlinge auf Mehltau und Fruchtqualität 5 Jahre, die nachfolgende Testung von fortgeschrittenen Selektionen auf ihre langfristige Mehltautoleranz und Fruchtqualität dauert dann nochmals mindestens 6 Jahre. Danach folgt die 3 - 4jährige Vorvermehrung für die Vermarktung, in der wir 5 Pflanzen auf ein Niveau von ca. 1.000 Pflanzen multiplizieren müssen.
Allerdings beginnen wir bei Favoritensorten in der Mitte der zweiten Testungsstufe mit der Vermehrung, um so den langwierigen Prozess doch etwas zu beschleunigen. Es liegt auf der Hand, dass es das Ziel sein muss, die Houghton-Spinefree Linie (Ribes hirtellum) mit der Ribes divaricatum-Linie zu vereinen. Unsere neuesten Crispa-Sorten, Solemio, aber auch Darling und eine noch unbenannte Zuchtnummer St 150 sind die ersten Resultate dieser Kombinationszüchtung, bringen eine stark verbesserte Mehltauresistenz und - allerdings nur im Falle von St 150 - auch etwas weniger Dornen. Bisher hat es aber noch keine der Kombinationssorten in die Familie der Easycrisp-Stachellosbeeren geschafft.
Bei ‘Easycrisp Mr. Green‘ ist leider die Herkunft «verloren» gegangen (ja, auch das gibt es …) allerdings kann hier eine solche Kombination mindestens vermutet werden. Das Ziel bleibt: Riesige Delikatessfrüchte, gänzlich unbehaart, von der Grösse her gerade noch in den Mund passend, aromatisch, saftig, süss, mehltauresistent und dornenlos, ohne Blattflecken, ohne Triebsterben, in den Ampelfarben goldgelb, grün bis leuchtend rot. Bis dahin bleibt noch genug zu tun.
Sehr interessant
Vierbeeren haben in meinem Garten immer ein Blattlausproblem, allerdings stellen sich sehr bald Marienkäfer und Schlupfwespen im Garten ein. Zwar wird die Saskatoonbeeren auch oben gerne mal befallen, aber an meinem Hochstämmchen hat sich eine ganze Kolonie samt Ameisen-Bodyguards eingenistet. Die gelben Blüten sind allerdings ein Hummelmagnet.Vierbeeren haben ein spezielles Aroma. Hab sie weitesgehend zu Marmelade verarbeitet.