Zunächst muss ich da eine Fehleinschätzung beichten. Wir verkauften zwar in den letzten 15 Jahren immer mehr Heidelbeeren im Hausgartenmarkt, aber unterschätzten ganz offensichtlich die grundsätzliche Entwicklung, die die Heidelbeeren auch im Hausgarten alle anderen Beerenarten (vielleicht, aber nicht sicher mit Ausnahme der Erdbeeren) überholen lässt. Heidelbeeren sind einfach (mal vom Bedarf saurer Erde abgesehen), sie sind schön, sie sind praktisch und sie sind gut. Sie lassen sich auf die verschiedensten Arten und Weisen verwerten und zubereiten. Heidelbeeren ecken auch nicht an, es gibt kaum jemanden, der sie nicht mag und natürlich führt auch die unterdessen 12 Monate andauernde Verfügbarkeit im Supermarkt zu mehr Nachfrage für den Garten. Dazu kommt: Ich ging zu lange davon aus, dass gleichsam als Nebenprodukt der Züchtung für den Erwerbsanbau genug Sorten und Varianten abfallen werden, die auch für den Garten geeignet sind. Auch diese Einschätzung war falsch, da die Züchtung für den Erwerbsanbau ganz andere Ziele anstrebt, die im Garten relativ sekundär sind. 'Heidelbeeren züchten für den Erwerbsanbau' versucht vor allem die Probleme zu lösen, die ab Fruchternte bis zum Konsum auftauchen können. 'Heidelbeeren züchten für den Hausgarten' hat ein ganzheitlicheres Ziel zu verfolgen, sozusagen von der Pflanze bis zum Genuss, wobei die Strecke von der Ernte zum Konsum viel kürzer und einfacher ist.
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Heidelbeeren züchten für den Erwerbsanbau
Im Herbst 2018 besuchte ich in Norditalien einen Heidelbeerkongress, der - natürlich - ausschliesslich der Heidelbeere im Erwerbsanbau gewidmet war. Über die vielen Vorträge in den zwei Tagen zeichneten sich folgende Tendenzen der auf die professionelle Fruchtproduktion ausgerichteten Züchtung ab:
- Die Heidelbeeren sollen natürlich ertragreicher und grösser werden. Zwar sind bei der Gösse mit 3cm irgendwo die Grenzen erreicht, dennoch ist die Tendenz zu grösseren und vor allem einheitlich und über die Erntezeit stabil grossen Heidelbeeren ungebrochen.
- Die gesamte Heidelbeerindustrie unternimmt mit Recht und systematisch alles, um das Wachstum, das in den letzten 100 Jahren ununterbrochen nach oben zeigte, fortzusetzen. Die Chancen sind riesig, die Aussichten rosig: Der Konsum in Europa und mehr noch in Asien stellt nur einen Bruchteil dessen dar, was in Nordamerika konsumiert wird. Die ganzjährige Versorgung der wachsenden Nachfrage (eben auch off season) führt zusätzlich zu starken Zuwachsraten. Um die ganzjährige Versorgung zu sichern, werden vermehrt Heidelbeeren in der südlichen Hemisphäre und in Asien angebaut. Entsprechend ist Heidelbeeren züchten vor allem auf Sorten ausgerichtet, die bei wachsenden Erträgen und grösseren Früchten weniger oder gar keine Winterkälte brauchen - und meist auch weniger winterhart sind. Grob wird geschätzt, dass 70% der Züchtung und der neuen Sorten südliche Sorten sind, die auf das Wachstumsziel ganzjährige Versorgung und Marktentwicklung in den weitgehend unerschlossenen Regionen Asiens einzahlen.
- Die Konsumentenstudien der grossen Supermarktketten zeigen, dass die Retailkunden zwar mehrheitlich mit ihren im Supermarkt eingekauften Heidelbeeren zufrieden sind, aber wie bei allen Beerensorten, die nicht von ungefähr im Englischen SOFTfruits heissen, zeigt sich immer wieder ein systematisches Problem: Die gleichbleibende Qualität über die Zeit und in einer Packung. Zu häufig gibt es einzelne Packungen oder darin wiederum ein Teil der Beeren, die ungleich reif sind, oder die aufgrund der zu langen Lagerzeit zwischen Ernte und Konsum überreif oder sogar leicht schrumpflig sind. Wer so etwas kauft, wird so schnell nicht wieder nach einer Beerenpackung greifen. Und insgesamt ist es gerade dieses Problem der systematisch ungenügenden bzw. zu wenig gleichmässigen Qualität, die ein noch stärkeres Wachstum des Beerenkonsums verhindern - auch bei der Heidelbeere. Das andere grosse Problem lässt sich schlussendlich immer lösen und wird vom Markt bei schneller wachsender Nachfrage mit steigenden Preisen geregelt: Die Versorgung mit genügend und genügend guten Früchten...
- Der immer häufigere (oder mindestens praxistauglicher werdende) Einsatz von marken-gestützter Züchtung, bei der Massen von Sämlingen aufgrund genetisch analysierbarer Eigenschaften vorselektioniert werden, führt zu folgender Züchtungslogik: Die molekularbiologische Züchtungsforschung versucht herauszufinden, wo im Genom die gewünschten Eigenschaften (Grösse; Ertrag; einheitliche Reifezeit; feste, knackige Textur; Zucker) zu finden sind, und selektioniert dann - weitgehend ohne Blick auf die reale Pflanze - nach genau diesen vorher festgelegten Kriterien. Letztlich sucht und findet man solcherart die Ostereier, die man vorher versteckt hat. Man selektioniert mittel- und längerfristig zwar genau diejenigen Eigenschaften, die gesucht sind (Festigkeit, Shelflife, Knackigkeit, Zucker), aber man schliesst Überraschungen weitgehend aus. Nicht nur wird so die gewünschte Fruchtqualität einheitlicher und konsistenter werden, was ja durchaus zu begrüssen ist, auch die Sortenwelt wird einheitlicher und... langweiliger - mindestens aus Sicht des Gartenanbaus.
Unterschiedliche Züchtungsziele für den Garten und für den Erwerbsanbau
'Heidelbeeren züchten für den Erwerbsanbau' versucht züchterisch auszugleichen, was eigentlich jenseits der reifen Frucht und der Pflanze liegt: Die Umstände der Ernte (alles möglichst auf einmal zu ernten), die Lagerfähigkeit, die Widerstandsfähigkeit beim Transport, und damit ein möglichst vorhersehbares und einheitliches, konsistentes Fruchterlebnis beim Fruchtkäufer. Sogar die Reifezeit selber sowie die möglichst lange Streckung der Erntezeit sind gar nicht mehr so wichtig, da dies ja über die verschiedenen Anbaugebiete und über den Transport zum Konsumenten - wenn nötig über die halbe Erdkugel - zu lösen ist.
All dies spielt im Hausgartenanbau von Heidelbeeren keine oder nur eine sehr begrenzte Rolle: Hier kann ja der Hobbygärtner Heidelbeeren genau dann ernten, wenn sie reif sind, und wenn er sie brauchen kann. Der Transport fällt aus, ebenso die Lagerung. Wenn es zu viele Heidelbeeren gibt, können sie problemlos verschenkt, verarbeitet oder eingefroren werden. Der ganz grosse Rest des Heidelbeererlebnisses im Hausgarten wird von der Erwerbsanbauzüchtung wenig oder gar nicht bedient: Der Zierwert der Heidelbeeren Pflanzen, Habitus und Statur, die verschiedenen möglichen Ausprägungen des Geschmacks und des Aussehens der Früchte. Die Erwerbsanbauzüchtung tendiert systematisch dazu, die Heidelbeere auf ein ganz bestimmtes Profil einzumitten und zu nivellieren, dass zwar die Gesetze und Bedürfnisse des Supermarkts erfüllt, aber im Garten kaum Mehrwert bringt.
Das Beispiel der Tomatenzüchtung
Ein gutes Beispiel, wohin dies führt, kann bei den Tomaten gefunden werden, wo aufgrund der höheren Züchtungsintensität (Hybridzüchtung) und der schnelleren Generationsabfolge diese Tendenz schon weiter fortgeschritten ist. Die Tomaten zeigen auch beispielshaft, dass auch in der Erwerbsanbauzüchtung durchaus sehr gute und erstrebenswerte Ziele erreicht werden können, dass dies aber für den Garten nicht reicht. Zwar gelingt es so bei den Tomaten festere und knackigere Tomaten mit einer konsistenten und besser vorhersehbaren Qualität beim Konsumenten zu züchten, aber die Überraschungen, das Unerwartete und das Andere, bleiben weitgehend aus. Es ist zwar wahrscheinlich mit der Hilfe markergestützter Züchtung gelungen, immer mehr Tomatensorten (vor allem Cherrytomaten) mit viel Zucker zu züchten, aber hier ist die Grenze auch bald schon erreicht: Wie süss darf eine Cherrytomate wirklich sein? Und gibt es nicht viele andere Geschmackskomponenten, die ebenfalls wichtig und spannend wären, wo aber die industrielle Züchtung keine Handhabe gefunden hat, und die nun einfach vernachlässigt werden? Wieviel Zucker braucht der Mensch, um über die fehlende Abwechslung und Diversität hinweggetröstet zu werden?
Fazit Erwerbsanbauzüchtung
Wir halten also als Zwischenresultat fest: Bei den Heidelbeeren, bei den Tomaten wie bei (fast) allen Fruchtpflanzen ist die industrielle Züchtung für den Erwerbsanbau nur sehr beschränkt in der Lage, spannende Weiterentwicklungen für den Hausgarten zu züchten. Punkt.
Heidelbeeren züchten für den Hausgarten
Aus solchen Überlegungen heraus haben wir vor einigen Jahren begonnen, auch ein Heidelbeer-Züchtungsprogamm für den Hausgartenmarkt aufzustellen. Aufgrund des späten Starts wird es noch einige Jahre dauern, bis wir hier die ersten fertigen Sorten in unser Sortiment aufnehmen können, dennoch können wir bereits die generelle Stossrichtung unserer Züchtungsanstrengungen sowie einige Zwischenresultate zeigen. Was sind unsere Ziele beim Heidelbeeren züchten und was versuchen wir in der Züchtung neuer Heidelbeersorten für den Garten zu erreichen?
- Kreativität und Zufälle führen zu Überraschungen: Es ist meiner Meinung nach keine sehr gute Tendenz der Erwerbsanbauzüchtung, dass sie die Kreativität und die Überraschung mithilfe eindimensionaler Selektionskriterien und unter Zuhilfenahme der marken-gestützten Züchtung auszuschliessen versucht. Wenn ich nur suche, was ich vorher als Ziel vorgegeben habe, verpasse ich die spannendsten Züchtungsresultate. Mein Blick verengt sich auf das, was ich über die Pflanze und Frucht schon zu wissen und suchen glaube. - Unser Ansatz dagegen: Wir versuchen in der Züchtung durchaus gerichtet und systematisch Zufälle herzustellen. Ob wir dann wirklich die besten und spannendsten Zufälle sehen, können wir nicht wissen... Aber immerhin sind wir auf der Suche nach ihnen.
- Die Pflanze als Produkt: Natürlich ist die Frucht das wichtigste 'Produkt' der Heidelbeere, aber die Pflanze selber, ihr Habitus, ihr Zierwert, ihre Erscheinung ist für den Garten ebenso wichtig. Hier bietet die Heidelbeere ein riesiges Potential, das die konventionelle Züchtung für den industriellen Markt nicht nur nicht erschliesst, sondern gar nicht im Blick hat. Fall Creek Nurseries, der weltweit grösste Produzent von Heidelbeerpflanzen hat hier als Ausnahme bis vor einigen Jahren genau auch eine Linie mit solchen Zierheidelbeeren entwickelt (die sogenannten Brazelberries), schliesslich aber diesen Zweig des Geschäfts verkauft und die Hausgarten-Züchtung weitgehend eingestellt.
- Die Farbe der Heidelbeeren: Seit Frederic Coville, der auch vor allem den Erwerbsanbau (und zwar in einer durchaus modernen Ausprägung) im Auge hatte, werden beim Heidelbeeren züchten die hell-, bis etwa mittelblauen Beeren angestrebt, und zwar überzogen mit dem sogenannten 'Duft', das heisst mit dem typischen weisslich-blauen Überzug, der fast wie eine Art Filter auf der dunkelblauen Grundfarbe liegt und sie aufhellt. Das ist bis heute so geblieben! Blau mit Duft, so muss eine Heidelbeere sein. Aber muss das wirklich so sein? Könnten Heidelbeeren nicht auch dunkelblau sein, ohne Duft, ja manchmal fast schwarz? Schon Coville zeigte in seinen ersten Züchtungsresultaten vor bald 100 Jahren z.B. rosafarbene bis weisse Albino-Heidelbeeren, nur um in der entsprechenden Sortenbeschreibung einzuschränken, dass diese Sorten natürlich eher für den Garten (sic!) geeignet seien. Mit Pink Lemonade® und den Pinkbeeren® wurden diese farblichen Möglichkeiten der Heidelbeere nach 100 Jahren wiederentdeckt! Wenn wir nun in Bezug auf die Farbe die Auswahl vergrössern, wenn wir nicht fast schon farbenblind nur die hellblauen dicken Beeren anstreben, eröffnet sich ein weites Feld von Züchtungs- und Selektionsmöglichkeiten. Insbesondere die Rückkreuzung der Vaccinium corymbosum Kultursorten mit Vaccinium angustiflium eröffnet weitere Farbvarianten im blauschwarzen bis violetten Bereich.

Winterhärte darf nicht vernachlässigt werden beim Heidelbeeren züchten
Wie oben schon erwähnt, ist die grosse Mehrzahl der aktuellen Züchtungsprogramme darauf ausgerichtet, Sorten mit weniger Kältebedarf, geeignet für südliche Anbaugebiete zu züchten. Leider ist die low-chill-Eigenschaft fast immer mit weniger Winterhärte verbunden, diese Sorten und Arten verlieren über den Winter ihre Blätter kaum oder gar nicht. Für den Hausgartenmarkt in Europa, nördlich der Alpen, muss aber tendenziell eher wieder die Winterhärte verstärkt werden. Und die genetischen Quellen dafür finden sich eben nicht in den südlichen Heidelbeerarten wie Vaccinium ashei usw., sondern in den ursprünglichen Heidelbeerarten, die bereits ganz am Anfang der Heidelbeerzüchtung, von Coville, Darrow und ihren Nachfolgern benutzt worden sind: Vacciumiun corymbosum und Vaccinium angustifolium. Unsere ersten Kreuzungen zeigen, dass hier die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind. Vor allem führt ein höherer Anteil von Vaccinium angustifolium auch zu einer verbesserten Winterhärte. Nicht zufällig ist die relativ alte Sorte Duke, die noch auf Coville zurückgeht, die mit Abstand winterhärteste Sorte im aktuellen Sortiment, da hier der angustifolium-Anteil relativ gross ist. - Die Kulturheidelbeeren tendieren dazu, in der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode, bei stabilen, aber auch nicht allzu hohen Temperaturen von 20-26°C nochmals stark zu wachsen. Dies ist zwar für den nächstjährigen Ertrag wichtig (Heidelbeeren tragen auch gut am letztjährigen Holz), kann aber auch die Winterhärte reduzieren: Nicht abgehärtete Triebspitzen frieren dann über den Winter zurück. Die Züchtung für den Hausgartenmarkt in Mittel-, Ost- und Nordeuropa muss also darauf achten, dass diese späte Wachstumstendenz bei Heidelbeeren eher begrenzt bleibt. Umgekehrt wäre es aber auch nicht schlecht, wenn neue Heidelbeersorten im immer heisser werdenden Sommern ihr Wachstum nicht zu schnell einstellen würden... Man sieht, alle Ziele wird man auch in der Hausgartenzüchtung nicht von heute auf morgen unter einen Hut bringen können...
Wuchs Vaccinium Angustifolium x corymbosum Hybride vs Kulturheidelbeere
Wir sind zwar immer wieder positiv überrascht, dass auch halbimmergrüne Sorten eine gute Winterhärte bis ca. -16°C haben, aber da ist dann die Grenze - zumindest bei längeren Frostperioden - auch erreicht. Und wenn im Dezember und Januar das Wetter relativ mild ist, kann es bei späteren Kälteeinbrüchen dann plötzlich auch zu überraschenden Ausfällen kommen. Tendenziell müssen wir also Heidelbeeren züchten, die im Spätsommer und Herbst nur zurückhaltend wachsen, die aber die Hitze des Früh- und Hochsommers aushalten, die im Winter zuverlässig die Blätter verlieren und gleichzeitig - die Wunschliste ist da relativ gross - auch tolerant gegenüber Temperaturschwankungen im Januar und Februar sind. Kein einfaches Unterfangen im Heidelbeeren züchten und auch mit dieser oder jener Neuheit nicht in einem Schritt erreichbar...
Ist es möglich pH-tolerante Heidelbeerpflanzen zu züchten
Ein stark begrenzender Faktor für den Hausgartenanbau ist bei allen Möglichkeiten (Topfkultur, Moorbeet), die wir auch in diesem Büchlein aufzeigen, weiterhin der Bedarf der Heidelbeeren an saurer Erde. Wider alle anderslautenden Marketing-Behauptungen gibt es bis heute keine wirklich PH-toleranten Heidelbeeren. Was auch immer unseriös so beworben wird, kann vielleicht bei einem leicht höheren pH von 5.5 bis 6 noch wachsen, aber eine wirklich breite Akzeptanz der am häufigsten vorkommenden Gartenerden (pH 6-7.5) gibt es nicht.
Natürlich ist dieses Desiderat schon lange bekannt. Als ich vor bald 20 Jahren die Gelegenheit hatte, mit dem bekannten und unterdessen verstorbenen Heidelbeerzüchter Jim Moore dieses Problem zu diskutieren, nannte er wie aus einer Kanone geschossen sofort die Vaccinium Arten, die vielleicht eine grössere Toleranz bieten könnten, vor allem Vaccinium arboreum, vielleicht auch Vaccinium angustifolium, wobei bei letzterer Art nur kleine, schrittweise Fortschritte zu erwarten sind.
Warum aber ist hier in den letzten 20-50 Jahren nicht mehr geschehen? Die Erklärung ist ganz einfach: Der Erwerbsanbau hat gelernt, über die Topfkultur im geschützten Plantagenanbau und auch über die Fertigation, die neben der Düngung auch tagesaktuell den idealen PH steuert, das Problem industriell zu lösen. Entsprechend ist der Druck, diese Begrenzung der Heidelbeere über die Züchtung zu überwinden, kaum mehr vorhanden. Also wartet hier eine weitere spezielle Aufgabe für die Hausgartenzüchtung von Heidelbeeren.
Allerdings ist vor Euphorie zu warnen: Bei der Züchtung von pH-toleranten Heidelbeeren sind keine sehr schnellen Ergebnisse zu erwarten. Hier ist mehr noch als bei anderen Züchtungsrichtungen Geduld gefragt. Darin liegt vielleicht ein weiterer Grund für das bisherige Scheitern dieser Züchtungsrichtung: Fast alle Projekte sind irgendwann einmal eingeschlafen, jede Dissertation war einmal geschrieben... Dennoch werden wir bei Lubera® unsere Angustifolium-Corymbosum Hybriden systematisch auch auf pH-Toleranz testen, um so schrittweise eine additive Verbesserung der Kalktoleranz zu erreichen. Deutlichere Fortschritte könnte die Einbeziehung von Vaccinium arboreum bringen. Allerdings gibt es hier züchterische Hürden zu überwinden (unterschiedliche Polyploidiegrade und auch Probleme bei der Fruchtqualität), die relativ gross sind.
Wir werden auch austesten, ob wir den gleichen Weg wie bei den Inkharo-Rhododendron beschreiten sollten, wo pH-tolerante Unterlagen gezüchtet wurden, auf die dann die eigentlichen Kultursorten veredelt werden. So könnten sich die Züchtungsanstrengungen voll und ganz auf die pH-Toleranz konzentrieren und die Fruchtqualität wäre vorläufig zu vernachlässigen, da sie ja von den Edelsorten eingebracht wird.
Insgesamt bin ich eher vorsichtig bis leicht pessimistisch gestimmt, ob hier in vernünftiger Zeit Fortschritte zu erzielen sind. Aber wenn man die Züchtungsliteratur analysiert, wurden hier immer nur halbgare Versuche unternommen, viele Resultate wurden nie zu Ende gedacht und auch die Entwicklung eines konkreten kommerziellen Produkts (z.B. einer Unterlagen-Sorten-Kombination) wurde nie zu Ende geführt. Beim Heidelbeeren züchten gibt es mehr als genug Raum für spannende Entwicklungen und Projekte.
Heidelbeeren züchten: Dauerblühende und dauertragende Heidelbeeren
Einige nördlichen Heidelbeerarten haben bei einer genügend langen Vegetationsperiode - und damit meine ich eine Dauer, die auch in Mittel-, Ost- und Nordeuropa (vielleicht ohne Skandinavien) weitgehen gegeben ist - die Fähigkeit, schon während der ersten Ernte nochmals zu blühen und dann diesen zweiten Früchteschub auch bis zur Reife zu bringen.
Bereits Ende Juni sind die Früchte der ersten Ernte reif und an den frischen Lateralen entwickeln sich blüten
Diese ganz besondere, auch in der modernen Blütensträucherzüchtung angestrebte Kapazität, auch am diesjährig gewachsenen Holz zu blühen, kann man sich vielleicht am besten folgendermassen erklären: Solche Heidelbeerpflanzen verfügen aufgrund der in ihren Ursprungsgebieten vorherrschenden Wintertemperaturen meist über eine sehr gute Winterhärte. Bei den ersten Frühlingssignalen starten sie aber sofort in die Vegetationsperiode und treiben ohne lange zu fackeln Blüten, um dann die Früchte möglichst schnell zu Reife zu bringen. Denn bald schon könnte es zu spät sein, und die Vegetationsperiode geht schon wieder zu ende. Mit dieser Angst im Nacken wissen sie: Nur mit reifen Früchten können wir das Überleben der Art sichern und genügend Samen für die Fortpflanzung sichern. Wenn nun das Klima etwas besser, die Vegetationsperiode länger wird, bleibt die Pflanze zunächst staunend stehen, sie weiss nicht so recht, was sie mit der Situation anfangen soll, sie überlegt sich, ob sie sich aufs Ausreifen der ersten Früchte konzentrieren soll, oder ob vielleicht doch ein nächster Blütenschub gewagt werden könnte. Die meisten Heidelbeerindividuen entscheiden sich in dieser Situation richtigerweise für die sichere Nummer und sparen die bereits angelegten Blüten fürs nachfolgende Frühjahr auf, einige Selektionen (und das sind für die Züchtung die spannendsten Varianten) entscheiden sich aber glücklicherweise auch für die Vorwärtsstrategie und beginnen gleich ein zweites Mal zu blühen...
Dauertragende Heidelbeere aus der Lubera® Züchtung, bereits Ende Juni trägt sie Früchte
Die ersten drei Sorten aus dieser Züchtungsrichtung sind bereits auf dem Markt (Echo, Hortpetite Blue, Perpetua) sind aber qualitativ noch ziemlich beschränkt und vor allem kommt die zweite Blüte erst relativ spät zustande, so dass der zweite Schub Früchte nur unregelmässig und unzuverlässig, manchmal gar nie ausreifen kann. Ebenso ist die Intensität des zweiten Blütenschubs sehr unzuverlässig, am besten nach meiner Erfahrung bei der ganz neuen, in Europa noch nicht erhältlichen Sorte Echo, gezüchtet vom USDA Züchter Chad Finn.
Lubera® ist es beim Heidelbeeren züchten gelungen, einige Dutzend Züchtungsklone zu selektionieren, die bereits im Juni, noch während der Ausreife der ersten Früchte ein zweites Mal zu blühen beginnen. Dazu kommt, dass ein Teil unserer Selektionen nicht nur an der Fortsetzung der Triebe (also am diesjährig gewachsenen langen Holz) nochmals blüht, sondern das auch am älteren Holz kurze blühende Seitentriebe entstehen, die sofort blühen und fruchten. Soweit wir sehen können, ist damit die Grundlage gelegt, kontinuierlich fruchtende Heidelbeeren, aber auch solche mit zwei Fruchtschüben zu züchten, die unter unseren Klimavoraussetzungen zuverlässiger ausreifen als die bisherigen Sorten. Man stelle sich im Garten einen dauertragenden Heidelbeerstrauch vor, der laufend gleichzeitig weisse Blüten treibt und auch feine blaue Früchte zur Reife bringt...
In unserem Heidelbeer-Dossier finden Sie alles was Sie über die leckeren Blaubeeren wissen müssen.
Interessanter Einblick