Neben meiner Autorentätigkeit hier bei Lubera schreibe ich regelmässig Rezensionen für einige bekannte Buchverlage und die besten Bücher schaffen es manchmal auch bis zu einem Kurzporträt hier unser Gartenbuch hinein. Vor Kurzem habe ich mich nach längerem Zögern darauf eingelassen, mit zwei bekannten Autorinnen an einem Buch zum Thema "Permakultur" zu arbeiten und dabei bin ich wiederum auf ein anderes literarisches Sahnestückchen gestossen, das ich schon mindesten drei Mal durchgelesen habe. Und nur, dass Sie mit mir auf einem gleichen Erkenntnisstand sind: Wir leben gerade in einer Zeit, in der uns Kinder und Jugendliche in massiver und bislang nie dagewesener Weise daran erinnern, dass wir "Erwachsenen" auf diesem Planeten nur Gäste auf Zeit sind und in unserer masslosen Gier nach Konsum derzeit nichts unversucht lassen, auf der Erde bleibende und irreparable Schäden anzurichten. Dabei haben die Jungdemonstranten sehr kreative Lösungen wie "Kurzstreckenflüge nur für Insekten", "Opa, was ist ein Schneemann?" oder "Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht" auf ihren Schildern und Transparenten, die uns nun endlich lehren sollten, unsere Lebensgewohnheiten umgehend zu korrigieren, solange wir das überhaupt noch können.
Da sich vermutlich die Wenigsten von uns den freitags stattfindenden Demonstrationen der Pappschildprotestler anschliessen werden, verbleiben uns erwachsenen Ignoranten prinzipiell zwei Möglichkeiten.
- Wir denken nicht nur zum gefühlten tausendsten Mal darüber nach (und warten nicht, bis uns irgendeine Regierung an die Hand nimmt!), ob und wie wir die weitere Zerstörung unseres immer heisser werden Planeten Erde retten wollen, sondern wir regeln diese Misere, indem wir schnellstens unsere Lebensweise, beginnend vom Einkaufsverhalten generell, bis hin zum Umgang mit den natürlichen Ressourcen, nachhaltig ändern.
- Und für Gartenbesitzer beginnt dies gleich hinter dem Eingang zur eigenen, heiss geliebten Parzelle, womit wir wieder beim eingangs erwähnten Buch zurück wären: Gärtnern geht auch anders und bleibt damit immer noch lustvoll. Besonders dann, wenn wir dieses beliebte Freizeitvergnügen mit den Regeln der Nachhaltigkeit betreiben und einige Prinzipien der Permakultur in unser Gartenglück einfliessen lassen. Das mag jetzt unglaublich kompliziert klingen, ist aber in Wirklichkeit verblüffend einfach. Sie sollten sich nun 15 Minuten für eine kleine virtuelle Reise in die Uckermark (mitunter wird diese ländliche Region im Osten ketzerisch und völlig unverdient auch Dunkeldeutschland genannt) nehmen...
Wie Sie gesehen haben, ein völlig unaufgeregtes Szenario am Beispiel eines relativ grossflächigen Ackers, dass sich so auf den Hausgarten nur schwer duplizieren lassen wird. Aber einige Regeln davon zu übernehmen, wäre ein durchaus gangbarer Weg, der dem Titel und mehr noch, dem Inhalt des Buches "Durch Gärtnern zur Achtsamkeit" bereits sehr nahekommt. 2018 beim Christian Verlag erschienen, hilft es uns bei der Rückbesinnung, dass Gärtnern längst nicht nur aus planvollem Herumackern auf und zwischen den Beeten besteht.
Wie lernen wir eigentlich Achtsamkeit im Garten?
Ach was, das geht doch aber ganz leicht, wenn man einfach nur alles schön langsam macht, werden Sie jetzt vielleicht denken. Nur sind Sie selbst im tiefsten Innern auch wirklich überzeugt und bereit dazu? Jetzt nicht bloss einmalig, wenn es draussen ohnehin mit über 30 Grad im Schatten so richtig knallt und sowieso viel zu heiss zum Unkraut jäten ist, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg?
Ich selbst konnte oder wollte solche Selbstverständlichkeiten bis vor einigen Jahren nicht. Alles musste nach einem ausgeklügelten Plan und vollkommen perfekt ablaufen, nicht nur im Garten. Kaum etwas wurde dem Zufall überlassen, Pausen gab es nicht eher, bis alles, oder besser noch mehr, als ich mir vorgenommen hatte, geschafft war. Keine Ahnung nach wie viel Jahren es danach zu ernsten gesundheitlichen Problemen kam. Irgendwann musste nachts der Notarzt kommen: Zittern, Schweissausbrüche, Schwindel, Herzrasen mit Rhythmusstörungen, Blutdruck über 200 zu 120 und panische Angst. Jedes der Symptome hatte sich, wenn auch einzeln, bereits über Monate schleichend angekündigt. Aber deshalb rennt man ja nicht gleich zum Hausarzt, das stand schliesslich nicht auf meinem Plan, aber dafür jetzt drei Sanitäter bei mir auf der Matte. Nach dem EKG hatten die nicht lange gefackelt, es ging ab in die Notaufnahme. Dort stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es nicht der von mir befürchtete Herzinfarkt war und ich durfte nach ungefähr dreistündigen Untersuchungen wieder nach Hause.
Leider haben sich diese, für mich fürchterlichen Episoden in den folgenden Wochen und Monaten regelmässig wiederholt, bis ich das Glück hatte, in der Notaufnahme auf einen Oberarzt von der psychosomatischen Klinik zu treffen, sodass die Diagnose nach einigen Tagen Stationsaufenthalt ziemlich schnell und sicher feststand: Körperlich kerngesund, alle Vitalfunktionen und Blutwerte vom Feinsten, „nur“ die Amygdala im Kopf spielte verrückt - Agoraphobie, Angst- und Panikattacken und andere Kleinigkeiten, an deren Beseitigung in den kommenden sechs bis acht Wochen zu arbeiten war - stationär, mit vielen gruseligen Übungen inklusive Konfrontationstherapie und bestenfalls mit einer 24-stündigen Heimfahrt an den Wochenenden. Ich habe Ihnen die Vorgeschichte deshalb so ausführlich erklärt, weil im Durchschnitt um die 10 Prozent der Bevölkerung unter Angststörungen leiden. Bei zwei von 100 Betroffenen enden diese Attacken im Krankenhaus, die Dunkelziffer unerkannter Fälle oder von Menschen, die sich scheuen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, liegt weit höher!
Zurück zu sich selbst finden, im Garten der Sinne
Wenn meine Vorstellung über einen Krankenhausaufenthalt bis dahin hauptsächlich negativ geprägt war, was die Arbeit mit den erkrankten Menschen, die Zuwendung des Personals und den Zeitaufwand für Genesung und Pflege seitens der Ärzte und Pfleger betrifft - auf dieser Station war alles anders. Nicht nur, dass die Patienten einerseits zwar ein straffes medizinisches Programm über den Tag zu erledigen hatten, wir Angsthasen durften in der freien Zeit auch das Klinikum verlassen, um durch Rotenburg zu bummeln. Es gab eine ausgezeichnete Verpflegung, man konnte sich sportlich betätigen, zum Schwimmen gehen, sich ein Fahrrad ausleihen aber vor allen Dingen hatte das reichlich vorhandene, medizinische Fachpersonal inklusive der Ärzte unglaublich viel Zeit, sich der Probleme und Fragen der Patienten erfreulich engagiert anzunehmen. Unter anderem gibt es auf dem Gelände des Klinikums, neben einem grosszügig angelegten Park, einen ebenso weitläufigen "Garten der Sinne" mit Hunderten verschiedenen Pflanzen, labyrinthartig verworrenen Wegen und vielen Wasserläufen. Und ausgerechnet der erste Rundgang dort, den wir als Gruppe unter Leitung einer psychologisch perfekt im Fach stehenden Stationsschwester an einem verregneten Nachmittag durchführten, hat mich entscheidend auf den richtigen Weg zurückgebracht. Ich kann mich heute noch genau an jede einzelne Minute des Rundgangs erinnern, der gut eine Stunde gedauert hat.
Bild: Ein Teil der weiträumigen und sehr gepflegten Parkanlage im Diakoniekrankenhaus Rotenburg. In den monumentalen Stein wurde ein kleiner Wasserlauf mit eingearbeitet, sodass man auf der danebenstehenden Bank wie von selbst zur Ruhe findet.
Wir durften nichts mitnehmen, keinen Kaffee-to-Go Becher, keine Smartphones, erst recht nicht die geliebten Kippen und wir sollten während der gesamten Zeit nicht ein einziges Wort miteinander reden. So weit so gut, aber der aus medizinischer Sicht wichtigste Part dieses schweigsamen, kollektiven Rundgangs traf uns dann völlig unvorbereitet. Aus gutem Grund hatte man uns vor diesem Ausflug nicht mitgeteilt, dass wir unsere unterwegs gewonnenen Eindrücke nun auch noch zu Paper bringen, bzw. miteinander darüber reden sollten. Während es bei wenigen Mitpatienten wie aus der Pistole geschossen kam, dass eine etwas abseits stehende Magnolie gerade kurz vor dem Knospenknall war, es an einem der vielen Wegweiser im Park so wunderschön nach Tulpen und Hyazinthen duftete, am Ententeich eine Schubkarre gequietscht hat und dass neben der offensichtlich gerade frisch gestrichenen Baumschaukel zwischen den beiden riesigen Buchsbäume das erste zaghafte Grün einer neuen Wildblumenwiese aus dem Boden schoss, war bei mir, was derartig präzise Erinnerungen betraf, peinlichste Ebbe im Kopf.
Zu Hause wird alles anders, ich muss es nur zulassen!
Natürlich hat mich diese ernüchternde Erkenntnis allein, dass ich Wesentliches nicht von Unwesentlichem unterscheiden kann, nicht gesund gemacht. Dennoch trug diese Unfähigkeit wesentlich dazu bei, meinen gesamten Lebenswandel mitsamt der offensichtlich durcheinandergeratenen Wahrnehmung rigoros umzustellen. Und NEIN, es gelang nicht von Anfang an, mit der auch nach dem sechswöchigen Krankenhausaufenthalt immer noch weiter zu erlernenden Entschleunigung, Ausgeglichenheit und Achtsamkeit an jedem Ort und zu jeder Zeit umzugehen. Die Übung Achtsamkeit im Garten hat dennoch relativ schnell dabei geholfen, die eigene Parzelle zu einer Oase der Ruhe werden zu lassen. Auch anhand des oben zitierten Buches und seinem Text auf der Rückseite, wo es heisst: "Mithilfe kleiner Projekte und Übungen wird jeder einzelne Moment zu etwas Kostbarem. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um das Verweilen im Augenblick, aus dem neue Kraft für den Alltag geschöpft werden kann. Denn Achtsamkeit bedeutet, den Augenblick wertzuschätzen".
Vielleicht denken Sie daran, wenn Sie in diesen Tagen damit beginnen, Ihren Garten aus dem Winterschlaf zu wecken. Und selbst wenn es bis Ostern nicht gelingen sollte, auch noch das letzte Beet mit der gewohnten Akkuratesse und unkrautfrei auf Vordermann zu bringen: Die Arbeit wird Ihnen nicht wegrennen und wenn der Paketdienst heute nicht die heiss erwarteten Lubera-Pflanzen vor Ihrer Haustür abgestellt hat, dann kommt er eben morgen, na und?
Einfach mal Pause machen, die Zeit Zeit sein lassen, nichts tun. Jetzt und hier leben und erleben. Einatmen, innehalten - träumen - ausatmen, und: das Glück anpacken. Im Garten!