Ist der Rhabarber Obst oder Gemüse? Wo sind Rhabarber Pflanzen eigentlich einzuordnen, diese Frage stellt sich spätestens jedes Frühjahr, wenn die fruchtigen Blattstiele wie durch ein Wunder aus den Rhizomen auszuschlagen beginnen und bei uns die Lust auf Rhabarberkuchen und Rhababermus wecken. Oder darfs sogar ein Rhabarbersirup sein? Es ist jedenfalls kein Zufall, dass wir im Lubera Pflanzenshop die Rhabarber sowohl beim Gemüse als auch bei den Früchten zeigen… Unsere Unentschiedenheit soll aber kein Grund sein, der Frage weiter feige auszuweichen, ob der Rhabarber jetzt wirklich eine Frucht oder halt doch ein Gemüse sei. Mit Rhabarber kaufen Sie ein unverwechselbares, fruchtig-saures Gemüse, das Sie leicht in Ihrem Garten anpflanzen können.
Inhaltsverzeichnis
- Warum der Rhabarber ein Gemüse ist – und keine Frucht…
- Warum der Rhabarber doch eine Frucht ist…
- Das amerikanische Gerichtsurteil: The Great Rhubarb Controversy
- Der Präzedenzfall: Wie der Supreme Court über Tomaten entscheidet
- Ist Rhabarber Obst oder Gemüse? Das New Yorker Gericht entscheidet: Der Rhabarber ist eine Frucht!
- Am Schluss gewinnt aber doch der Zoll…
- Fazit – oder was genau Tomaten und Rhabarber gemeinsam haben
Warum der Rhabarber ein Gemüse ist – und keine Frucht…
Wie immer lohnt es sich in solchen Fällen, das allwissende Orakel Wikipedia zu befragen. Was ist eigentlich eine Frucht? Gemäss Wikipedia handelt es sich bei einer Frucht um "die Gesamtheit der Organe, die aus einer Blüte hervorgehen und die die Pflanzensamen bis zu deren Reife umschliessen."
Auf den Rhabarber angewendet wären also die Früchte des Rhabarbers eben die Pflanzenorgane, die wir bei vielen Rhabarbersorten fast weggezüchtet haben oder frühzeitig entfernen: Die wild aufschiessenden Blütenstände mit ihren Samen. Nicht umsonst wird eine nur wenige Blütenstände bildende Rhabarbersorte stolz Sutton Seedless genannt, weil sie ihre Kraft eben nicht für die ‘unnützen’ Samen verschwendet, sondern brav und unermüdlich nur dicke Stiele produziert. Beim Rhabarber werden (jedenfalls meistens) nicht die über eine sexuelle Befruchtung oder ähnliche Prozesse entstandenen Früchte der Pflanze gegessen wie beim Obst üblich, sondern die Blattstiele. Da drängt sich natürlich der naheliegende Umkehrschluss auf: Wenn der Rhabarber, so wie wir ihn kochen und essen, botanisch keine Frucht ist, dann muss er wohl ein Gemüse sein. Oder vielleicht doch nicht? Die Frage ob Rhabarber Obst oder Gemüse ist, bleibt irgendwie hartnäckig im Raum stehen: Ist der Rhabarber jetzt wirklich ein Gemüse, nur weil er keine Frucht ist?
Bild: Lowberry® 'Lilibarber'® (Rheum rhabarbarum 'Lilibarber') – der kleinste Rhabarber der Welt! Frisch klein gehackt eignet sich 'Lilibarber' perfekt als Beilage im Salat. Sein spezielles Aroma nach säuerlicher Frische ist sowohl in den Blätter als auch in den Stängeln vorhanden. 'Lilibarber' ist durch und durch ein Rhabarber – im Miniformat!
Warum der Rhabarber doch eine Frucht ist…
Verwendet wird der Rhabarber wie bei zahllosen Früchten üblich für Süßspeisen wie Kompott, Konfitüren oder Kuchen. Die für Früchte typische Säure jedenfalls besitzen die Rhabarberstiele auf jeden Fall, und mit etwas Analytik lässt sich sogar Zucker in den sauren Rhabarberstielen nachweisen. Auf 100g Fruchtgewicht enthält der Rhabarber neben 94g Wasser auch 1,3g Kohlenhydrate, gleichmässig verteilt auf Saccharose, Glukose, Fructose und Stärke. Das wären dann ca. 0,3 g unseres bekannten und geliebten Kristallzuckers (= Saccharose). Und wem diese homöopathische Dosis nicht reicht (und das sind wir fast alle), der fügt halt dem Rhabarber-Sirup, dem Rhabarber-Kuchen oder dem Rhabarbermus noch löffelweise Rübenzucker hinzu – wenn auch mit zunehmend schlechtem Gewissen. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass der Rhabarber erst ab 1800, im frühen 19. Jahrhundert, kulinarisch genutzt wurde, als genügend Zuckerrohr und später auch Zuckerrübenzucker zur Verfügung standen. Es ist die süsse Zutat, die den Rhabarber in der Neuzeit endlich zur Frucht macht. Vorher waren über tausend Jahre lang nur die Rhabarber-Wurzeln als Medizin für und gegen den Durchfall benutzt worden… Wie auch immer, Rhabarber ist mit seiner fruchtigen Säure aus der Frühjahrsküche nicht weg zu denken und vor allem in Kombination mit Erdbeeren aus dem eigenen Garten ein Traum. Eine Frucht unter Früchten. Die erste Frucht des Frühlings…
Unter der Voraussetzung, dass etwas Zucker zur Verfügung steht.
Bild: Rhabarber Siruparber 'Canada Red'® (Rheum rhabarbarum 'Canada Red') – der milde Rhabarber mit langen, mitteldicken und rot durchgefärbten Stängeln. Der beste Rhabarber-Geschmack und eine Farbe, die sich beim Kochen nicht verflüchtigt, sondern noch intensiver und leuchtender wird. Mit 'Canada Red' lässt sich ein Sirup mit einer fantastischen Farbe zaubern!
Das amerikanische Gerichtsurteil: The Great Rhubarb Controversy
Bis jetzt sind wir allerdings so gescheit wie zu Beginn: Ist Rhabarber Obst oder Gemüse? Und wie immer, wenn man sich nicht entscheiden mag, suchen wir nach Halt, nach einem überzeugenden und klaren Urteil. Kurioserweise gibt es nämlich in der Tat ein amerikanisches Gerichtsurteil, das bestätigt, dass der Rhabarber ganz nach dem Empfinden der Gärtner und Konsumenten eine Frucht sei – und kein Gemüse, wie die Botaniker es erwarten würden. In der juristischen Literatur wird die Diskussion und das Gerichtsurteil C.J. Tower & Sons v. United States wohl mit einem Augenwinkern als ‘The Great Rhubarb Controversy’ bezeichnet.
C.J. Tower & Sons, ein Importeur von Rhabarberstielen aus dem nahen Kanada klagte 1947 in New York gegen die Zollbehörden und wollte Rhabarber als Frucht definiert sehen. Der wirtschaftliche Hintergrund: Auf Früchte gab es einen Zoll von 35%, auf Gemüse einen von 50%. Das entsprechende Volumen vorausgesetzt konnte man mit der Differenz von 15% ganz offensichtlich einige Anwälte bezahlen…
Bild: Rhabarber 'Livingstone' (Rheum rhabarbarum 'Livingstone') – diese Rhabarbersorte wächst putzmunter in den Herbst hinein und kann bis Oktober geerntet werden.
Der Präzedenzfall: Wie der Supreme Court über Tomaten entscheidet
Und wie immer, wenn Gerichte nicht so recht wissen, wie sie entscheiden sollen, suchen sie viel lieber als nach der Wahrheit nach einem Präzedenzfall – den sie bei der Tomate finden. Das höchste amerikanische Gericht, der Supreme Court hatte nämlich 1893 im Fall Nix v. Heddon analog zu entscheiden, um was bitte es sich denn bei der Tomate handle… um eine Frucht oder ein Gemüse. Und in seiner unergründlichen Weisheit stellte der Supreme Court in seinem bahnbrechenden Urteil fest, dass Tomaten, obwohl botanisch ganz klar Früchte (siehe Wikipedia weiter oben), zolltarifmässig doch als Gemüse einzustufen seien, weil sie als solches gekocht, gewürzt, verarbeitet und gegessen würden… Das alte und bis heute nicht umgestossene Tomatenurteil ist einigermassen überraschend, da im Richtergremium von 1893 keine Hobbyköche und noch viel sicherer auch keine kochenden Hausfrauen vertreten waren…
Übrigens kann sich die deutsche Sprache im Gegensatz zum Supreme Court bis heute in der Tomatenfrage nicht wirklich entscheiden: Wir sprechen jedenfalls bei Tomaten und andere ähnlichen Gemüsearten gerne von Fruchtgemüse…. Wäre dann der Rhabarber eine Gemüsefrucht?
Bild: Rhabarber 'Early Green' (Rheum rhabarbarum) – riesige grüne Stängel, die fast durchgehend grün sind. 'Early Green' ist die früheste Sorte und zum Verfrühen sehr gut geeignet.
Ist Rhabarber Obst oder Gemüse? Das New Yorker Gericht entscheidet: Der Rhabarber ist eine Frucht!
Damit wären wir glücklich zurück bei der Great Rhubarb Controversy von 1947, 50 Jahre nach dem höchstrichterlichen Tomatenurteil: Basierend auf dem Präzedenzfall des Supreme Courts und in umgekehrter Argumentationsrichtung gibt das New Yorker Gericht dem geschäftstüchtigen Rhabarberimporteur recht: Ja, der Rhabarber sei in der Verarbeitung und im Genuss eine Frucht – auch gegen die botanische und biologische Evidenz. Rhabarber würden wie andere Früchte als Kuchen gegessen – die Amerikaner bezeichnen den Rhabarber (botanisch Rheum rhabarbarum – die Wurzel der Barbaren) denn auch seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gerne als Pieplant. Und auch als Mus (englisch ‘sauce’) entspreche Rhabarber dem Fruchtvorbild, vergleichbar mit cranberry sauce oder apple sauce.. Deshalb das Urteil: Der Rhabarber sei zolltarifmässig als Frucht einzustufen und nur mit 35% Zoll zu belasten…. – Womit die Frage, ob Rhabarber Obst oder Gemüse ist, geklärt zu sein scheint.
Am Schluss gewinnt aber doch der Zoll…
Aktuell scheint der Rhabarber aber auch in Amerika wieder zum Gemüse zurückmutiert zu sein. Unter der Zolltarifgruppe Nr. 0709 other vegetables fresh or chilled wird er illegalerweise (gegen ein bestehendes Supreme Court Urteil!) wieder als Gemüse aufgeführt, zusammen mit ‘edible cardoons, fennel, capers and sorrel’… Entscheiden am Ende halt doch die Zöllner und nicht die Richter über das Schicksal und die korrekte Bezeichnung von Tomaten und Rhabarbern?
Bild: Rhabarber 'Himbeerrot' (Rheum rhabarbarum 'Himbeerrot') – ein sehr ertragssicherer Rhabarber mit grossen und starken gemischt rot-grünen Stängeln.
Fazit – oder was genau Tomaten und Rhabarber gemeinsam haben
Fassen wir zusammen, was wir jetzt alles gelernt haben: Die Tomate ist botanisch definitiv eine Frucht (die Gesamtheit der Organe, die die Samen bis zu deren Reife umschliessen), und doch sind wir uns alle einig, dass die roten Paradeiser gärtnerisch und auch kulinarisch ein Gemüse bleiben. Der Rhabarber seinerseits zeigt, dass umgekehrt auch verfahren werden kann: Der Rhabarber ist botanisch definitiv ein Gemüse, und wird doch als Frucht verwendet und genossen.
Wir warten jedenfalls gespannt auf den nächsten Fall ‘Customs vs. Chefkoch’ vor dem Supreme Court, der dann allenfalls sein ursprüngliches Tomatenurteil revidieren oder aber die Zöllner in den Senkel stellen müsste. Denn wie kann die Tomate höchstrichterlich festgestellt ein Gemüse sein, wenn der Rhabarber von den Zöllnern und anderen Pharisäern weiterhin stur als Gemüse behandelt wird?
obst oder gemüse?
Guten Tag,
einjährig/mehrjährig ist kein Kriterium, denn: Viele Gemüse stammen aus den Tropen und Subtropen. Dort sind sie mehrjährig. Nur bei uns sind sie einjährig, weil wir FRostperioden und im Winter zuwenig Sonnenstunden haben. Parika und Chilis sind daher in ihrer Heimat mehrjährig. Die Unterscheidungen sind ansonsten eher kultureller als botanischer Art.
Ihr Lubera Team
Guten Tag,
...wie Sie bereits oben in meinem Kommentar lesen konnten: "Die Unterscheidungen sind ansonsten eher kultureller als botanischer Art."
Das gleiche gilt für die Verwendung der Früchte. Wie sie in der Küche verwendet werden, ob süss oder herzhaft, ist ebenfalls rein kulturell bedingt, und die Eineilung ist daher in anderen Kulturen auch abweichend.
Die Begriffsverwirrung ist eher ein Problem des englischsprachigen Raums. Dort ist das Wort für Obst und Früchte nur eines, nämlich 'fruits'.
Im englischen Sprachraum ist die Definition meist wie folgt: Fruits entstehen aus Blüten und enthalten Samen, Vegetables sind von anderen Teilen der Pflanzen (Knollen, Stängel, Blätter). Da meines Wissens beide Kategorien in den USA im Verkauf abweichend besteuert werden, gibt es manchmal Diskussionen darum, ob auf etwas die Fuit- oder Vegetable-Steuer zu entrichten ist...
Dagegen unterscheiden in Deutschland in die Kategorie 'Früchte' (der Begriff ist bei uns auch botanisch verwendbar), und das rein umgangssprachliche 'Obst' (nicht botanisch).
Jedes Land, jede Kultur, und jede Sprache macht in der Umgangssprache andere Zuschreibungen, sie sind nie universal. ...und das habe ich aus meinem Studium der Ethnologie ;-) Dazu wurde die Botanik im 17. Jahrhundert ja entwickelt: Damit wir sicher gehen, dass wir uns weltweit verstehen.
Ihr Lubera Team