Wir raten seit einigen Jahren, bei Herbstpflanzung ab 1.Oktober Obstbäume wurzelnackt und ohne Blätter zu pflanzen. Das heisst konkret: Der Wurzelballen wird ausgeschüttelt, die im Herbst noch verbleibenden Blätter müssen abgestreift werden. Natürlich widerspricht dieser Rat der Intuition, dem Gefühl des Käufers und Hobbygärtners, der gleich wieder zerstören muss, was er gerade teuer erworben hat. Hier beantwortet Markus die häufigsten Fragen, die zu diesem Thema gestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Was genau soll der Grund für diesen komischen Ratschlag sein?
- Seit Jahrhunderten werden Obstbäume gepflanzt, was soll jetzt dieser neumodische Ratschlag?
- Wäre es da nicht besser, gleich wieder vom Topf wegzukommen, Bäume nur noch im Feld zu produzieren?
- HMM, wenn das mit den Problemen stimmt, warum ist es dann nur im Herbst notwendig, so radikal vorzugehen? Ist das nicht inkonsequent?
- Warum die Blätter auch noch abstreifen, die würden ja noch Energie produzieren und der Pflanzen beim Überwintern helfen?
- Was mache ich nun mit der Erde, mit dem Substrat aus dem Topfballen, den ich ausgeschüttelt habe?
- Der Ratschlag gilt ja nur für Herbst? Was ist mit dem Rest des Jahres?
- Was ist, wenn ich mich standhaft weigere, wenn ich den Topfballen so pflanze, wie er ist?
- Ha, warum nur liegt es Euch so am Herzen, dass jedes Bäumchen anwächst, ihr könntet ja auch wieder neue Bäumchen verkaufen ;-)
Was genau soll der Grund für diesen komischen Ratschlag sein?
Es gibt zunächst einen biologischen Grund: Das Substrat im Topf ist leicht und locker, zu fast 100% organisch. Da fühlen sich die Wurzeln wohl, sie schwelgen sozusagen in Luxus. Warum sollten sie auch rauswurzeln, wenn es hier so schön ist? Und als Resultat bleiben sie im Topf, auch wenn dieser schon längst abgestreift, der Wurzelballen gepflanzt ist; sie wurzeln nicht raus. Dies kann dann zu Trockenheitsschäden oder in nassen Jahren auch zu Wurzelfäule führen. Und irgendwann geht dann auch die Nahrung aus, die Selbstbeschränkung der Wurzeln wird zu einem Gefängnis, führt generell zu einem unbefriedigenden Anwachsen. Zusätzlich aber gibt es speziell bei den Obstbäumen noch einen physikalischen Grund: Wenn der Topfballen bei Herbstpflanzung eine physische Einheit bleibt (also nicht von den Regenwürmern mit Mutterboden vermischt wird), und vor allem wenn er dann noch gleichzeitig relativ hoch gepflanzt wird, erwärmt er sich bei gutem Winterwetter im Dezember bis Februar sehr viel schneller als der umgebende Mutterboden. Und dies ist dann das Signal für den Obstbaum bzw. dessen Wurzeln, Stärke in Zucker umzuwandeln (hurra, es ist Frühling!). Dieser Zucker wird aber noch nicht als Energiestoff gebraucht, noch hat die Vegetation nämlich nicht begonnen, und so wird daraus... Alkohol, der die Pflanze im Frühjahr vergiftet. Und wenn man dann noch etwas mehr Pech hat, fliegt um Ostern herum der alkoholsüchtige Ungleiche Holzbohrer ein und legt Eier in den angeschlagenen Baum, die Larven unterbrechen bald die letzten nicht verstopften Leitungsbahnen und der Baum bricht ganz zusammen. Ende. Dieses Horrorszenario kann mit der beschriebenen Lubera® Obstbaumpflanzmethode im Herbst verhindert werden.
Seit Jahrhunderten werden Obstbäume gepflanzt, was soll jetzt dieser neumodische Ratschlag?
Seit Jahrhunderten: Ja! Aber immer wurden wurzelnackte Bäume gepflanzt, die bis im Herbst auf dem Feld, im Mutterboden gewachsen waren. Seit ca. 40 Jahren aber werden Containerbäume produziert und verkauft, aber über die Art und Weise der Pflanzung, besonders im Herbst, ist nie nachgedacht worden. Der Topf ändert halt ziemlich viel.
Wäre es da nicht besser, gleich wieder vom Topf wegzukommen, Bäume nur noch im Feld zu produzieren?
Na ja, auch Pferde haben ihren Reiz und ihre Vorteile behalten, obwohl es Automobile gibt. Würden wir deswegen gleich aufs Auto verzichten wollen? Letztlich ist das der entscheidende Vorteil der Containerkultur: Dass Pflanzen das ganze Jahr über transportiert, verkauft und gepflanzt werden können, dann eben, wenn es dem Gärtner nach Pflanzen ist, wenn er Platz in seinem Garten hat. Und die Lubera®-Ratschläge? "Wurzeln ganz ausschütteln" und "Blätter entfernen" gelten ja nur für die Herbstpflanzung zwischen Oktober und Dezember. In jeder Jahreszeit aber ist es wichtig, dass der Wurzelballen einer Containerpflanze, aller Containerpflanzen, stark aufgeraut, aufgerissen wird! Übrigens: Obsthochstämme bieten wir weiterhin nur wurzelnackt zwischen Oktober und April an, wegen den bekannten Herbstpflanzungsproblemen, aber vor allem auch aus Transportgründen.
HMM, wenn das mit den Problemen stimmt, warum ist es dann nur im Herbst notwendig, so radikal vorzugehen? Ist das nicht inkonsequent?
Ganz ohne Inkonsequenz geht es auch im Gärtnern nicht ;-) Nein im Ernst: Würde man eine Pflanze mitten im Sommer ausschütteln und die Blätter entfernen, so hätte sie grosse Mühe, wieder zu starten und vor allem würde dann das Holz bis zum Winter nicht mehr ausreifen. Aber bei Frühjahrs- und Sommerpflanzung ist das Problem ja auch nicht so gross: Die Regenwürmer, aber auch die Wurzeln selber, unterstützt von allen Bodenlebewesen, haben hier eben viel mehr Zeit, Wurzelballen und Mutterboden zu vermischen und Grenzen zu überschreiten. Achtung: Es ist aber immer wichtig und notwendig, zu jeder Jahreszeit, den Wurzelballen stark aufzurauen. Tipp: So stark, bis es Ihnen wehtut, bis Sie als Gärtner denken, so jetzt ist es genug, jetzt schädige ich die Pflanze. Und noch ein Gratistipp: Es ist noch besser, wenn Sie über diesen Schmerzpunkt noch etwas hinausgehen.
Warum die Blätter auch noch abstreifen, die würden ja noch Energie produzieren und der Pflanzen beim Überwintern helfen?
Ja, aber viel wichtiger ist, dass sie Wasser verdunsten. Und dass die Wurzeln kurzzeitig kein Wasser nachliefern können, wenn der Wurzelballen ausgeschüttelt ist! Mit Blättern würde die Pflanze schlichtweg vertrocknen, die Blätter würden das Wasser aus den Organen ziehen, und nichts, fast nichts käme nach.
Was mache ich nun mit der Erde, mit dem Substrat aus dem Topfballen, den ich ausgeschüttelt habe?
Das ist natürlich weiterhin wertvolle, lockere, nährstoffhaltige, zu fast 100% organische Erde. Ich empfehle, sie zu ca. 30% (nicht mehr!) in die Pflanzerde aus Mutterboden zu mischen, die in die Grube mit dem eingepflanzten Bäumchen eingefüllt wird. Den Rest als Dünger und Kompost auf Ihre Beete verteilen und leicht einhacken.
Der Ratschlag gilt ja nur für Herbst? Was ist mit dem Rest des Jahres?
Nochmals, aber es kann nicht oft genug gesagt werden: Hier reicht es, den Wurzelballen aufzurauen. Aber auch das ist Pflicht, ist unbedingt notwendig.
Was ist, wenn ich mich standhaft weigere, wenn ich den Topfballen so pflanze, wie er ist?
Tja, natürlich darf man das ;-) Eigentlich ist im Garten wie in anderen Herzensangelegenheiten auch - fast alles erlaubt. Aber macht es immer Sinn? Im Ernst: Wenn Sie den Wurzelballen ab 1. Oktober nicht gänzlich ausschütteln und sich auch weigern, die Blätter zu entfernen, ist nicht alles verloren. Aber nach unserer Erfahrung steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Schaden, für einen zögerlichen Austrieb, und gleichzeitig steigen auch die Chancen für Sekundärschädlinge wie den Ungleichen Holzbohrer auf 10-30%. 3 von 10 Bäume können da schon mal draufgehen. Und das Schlimme: Die 10 bis 30% sind ein statistischer Wert: Aber an einem individuellen Standort erwischt es dann meistens keinen Baum - oder aber alle zusammen.
Ha, warum nur liegt es Euch so am Herzen, dass jedes Bäumchen anwächst, ihr könntet ja auch wieder neue Bäumchen verkaufen ;-)
Daran haben wir auch schon gedacht... Nur scheint uns dieses Geschäftsmodell nicht sehr nachhaltig ;-). Und so ein bisschen möchten wir vom Image wegkommen, dass der Gärtner immer der Mörder ist. Nein, wir sind die Lebensretter!
Nur Bäume oder auch Beeren + Gartenvideo?
betrifft das wurzelnackte Pflanzen nur (Obst-)Bäume oder auch Beeren(Sträucher)? Ich frage dies besonders im Hinblick auf Erstbeeren (Highbush) und Heidelbeeren.
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Wäre dies nicht ein ideales Thema, um es in einem Gartenvideo zu demonstrieren?
Viele Grüße
Markus Kobelt