Eines Tages schuf Gott die Blumen und seine Engel bemalten sie nach Lust, Laune und eigenem Geschmack mit kunterbunten Farben.
Ein Pflänzchen war so klein, so bescheiden und schüchtern, dass es immer wieder von den anderen nach hinten gedrängt wurde, immer wieder, bis den Engeln die Farben ausgingen. Das Pflänzchen weinte bitter: “Vergiss mein nicht”, bat es seufzend.
Gott hörte, lächelte erlösend und half. Er tauchte seinen Zeigefinger in den Himmel und seinen Kleinen Finger in die Sonne: Das Vergissmeinnicht, ja, so sollte es jetzt heissen, bekam die blauen Blüten wie die Farbe des Himmels und einen strahlendgelben Kelch wie das Sonnenlicht.
Im Frühling hat der Wind meinen Garten mit Vergissmeinnicht bemalt. Ganz überraschend bekamen meine Rosen eine wunderschöne ultramarine Unterbepflanzung. Auf die Idee wäre ich alleine nie gekommen! Ich habe aus dem Urlaub glatte schöne Steine mitgebracht, und damit mein Rosenbeet dekoriert, aber jetzt wachsen aus den hellen glatten Steinen hin und her die zarten blauen Blümchen empor und oben werden demnächst noch die Rosen blühen, uff!
Ein Büschlein hat sich ganz willig direkt vor die Gartentür gepflanzt, sodass die Tür bei uns jetzt geschlossen bleibt und zwar bis August, denn bekanntermassen blühen Vergissmeinnicht sehr lange. Auf Ukrainisch heisst die Blume «ljuby-mene-ne-pokyn’»: “Liebe-mich-verlass-mich-nicht”, ja, es wird jetzt tatsächlich schwer, sie im Garten verlassen zu können. Und lieben tue ich sie auch. Und die Katze auch!
Wenn wir schon bei den Namen sind, da haben die Ukrainer wirklich alle übertroffen, sogar die Chinesen, die die Blume ähnlich wie die Deutschen, die Franzosen (ne m’oubliez pas), die Engländer (forget-me-not) etc. Wùwàngw?, Nicht-Vergessen-Kraut nennen. Die wissenschaftliche Bezeichnung der Pflanze ist Myosotis. Das Wort ist griechischen Ursprungs und bedeutet “Mäuseohr”, was angeblich auf die spezielle Blattform zurückzuführen ist. Das Vergissmeinnicht kennt man im Volksmund noch als “Männertreu”, “Froschäuglein”, “Katzenauge”. Die althochdeutsche Bezeichnung dieser Blume ist “Fridiles Auga” (Auge des bzw. der Geliebten).
Und wenn wir jetzt bei den Geliebten angekommen sind, muss ich den Deutschen unbedingt erzählen, was die Slawen alles so über sie wissen … ich versuche es so wortwörtlich wie möglich zu übersetzen:
“Das Vergissmeinnicht gilt in vielen Gegenden Deutschlands als Zauberblume, mit Hilfe derer man den Namen des zukünftigen Bräutigams erfährt. Dafür ist es verboten, extra nach dem Vergissmeinnicht zu suchen, die Zauberei wirkt nur dann, wenn man die Blume zufällig findet. So eine Blume legt man an den nackten Körper unter die Achsel und ohne ein einziges Wort zu verlieren, geht man verstummt nach Hause. Unterwegs trifft man einen Mann oder eine Frau und fragt nach den Namen – so wie der getroffene Mensch heisst, so wird auch ihr Zukünftiger heissen.”
(Quelle: https://www.mirpoz.ru/ru/about/logo/notonlyflower.php)
Ja, schade, meine Vergissmeinnichts sind dafür nicht geeignet, sie habe ich bereits Anfang April entdeckt, der Zauber ist futsch. Aber einen gesunden Tee werde ich mir daraus auf jeden Fall bereiten. Die Pflanze enthält jede Menge Kalium, einen für den menschlichen Körper in vieler Hinsicht wichtigen Mineralstoff, unter anderem zur Verwertung von Kohlenhydraten und für die Bildung von Eiweiss. Mal sehen, vielleicht verbringt die Pflanze ein kleines gesundheitsförderndes Wunder.