Saftig süsse Pfirsiche - oder generell Steinobst, seien es nun Pflaumen, Nektarinen oder Aprikosen - haben schon manchen gründaumigen Steinobstliebhaber dazu verleitet, das Experiment Pfirsichkern pflanzen selbst in die Hand zu nehmen. Beim Pfirsichkern pflanzen sowie beim Anziehen von Steinobstsämlingen im Allgemeinen gibt es allerdings einige grundlegende Dinge zu beachten und auch bei der Aussaat selbst gibt es den einen oder anderen methodischen Kniff, der die Erfolgsaussichten eines solchen Projekts deutlich verbessert. Im folgenden Artikel erfahren Sie, was sie sich von Steinobstsämlingen erhoffen können und wie das Steinobstaussäen am besten funktioniert. Wenn Sie einen Pfirsichbaum kaufen möchten, finden Sie im Lubera Gartenshop eine grosse Auswahl an verschiedenen Sorten.
Inhaltsverzeichnis
Pfirsichkern pflanzen - was darf man erwarten?
Gerade wenn man im eigenen Gartenreich die entsprechende Steinobstart nicht beherbergt, verleiten die saftig süssen Pfirsiche, Nektarinen, Pflaumen und Aprikosen mit ihrem unverkennbar sommerlichen Aroma Jahr für Jahr immer wieder dazu, aus deren Samen endlich einen eigenen Baum zu ziehen. Ist ja auch naheliegend, die Samenbildung ist schliesslich die natürliche Vermehrungsstrategie der Pflanzen. Dennoch hat die Befruchtungsbiologie einige Tücken. Pfirsiche (und somit auch die Nektarinen, die aus einer Pfirsichmutation hervorgegangen sind) und Aprikosen sind komplett, Zwetschgen und Pflaumen zumindest teilweise (sortenabhängig!) selbstfruchtbar. Die Selbstfruchtbarkeit ist auch der Grund dafür, wieso von den meisten Steinobstarten nur eine Sorte gepflanzt werden kann und trotzdem Früchte ansetzt. Die Pflanze befruchtet sich selbst. Im Gegensatz dazu müssen bei Kernobst wie Apfel und Birne immer mindestens zwei Sorten in Bestäuberreichweite stehen, die einzelnen Sorten können sich nicht selbst bestäuben, sie sind ausschliesslich fremdbefruchtet.
Bild: Wohlschmeckendes Steinobst - hier eine Aprikose - hat schon manchen Gärtner dazu angeregt, sich zumindest gedanklich mit einer Samenvermehrung auseinanderzusetzen. Mandelähnlicher Samen umgeben von verholzter Fruchthülle (botanisch gesehen ist der Samen die Frucht) und Fruchtfleisch (konsumtechnisch ist das was man isst die Frucht). Die besten Angebote für Aprikosenbäume finden Sie im Lubera® Shop.
Sämlinge: Genetische Komponente
Was soll denn bei der Nachzucht von Steinobst schief gehen, wenn das meiste Steinobst sowieso selbstfruchtbar ist? Theoretisch gesehen sollte der Sämling bei einer Selbstbefuchtung genau die gleiche Genetik aufweisen wie die Mutterpflanze, die Früchte des Sämlings genau die gleichen Eigenschaften der Frucht, aus der man den Samen gewonnen hat. Und das ist ja genau das, was man beabsichtigt, wenn von einer wunderbaren Steinfrucht nur noch der Kern übriggeblieben ist und man sich entschliesst, daraus einen eigenen Baum zu ziehen. Bei traditionellen Steinobstsorten, wie zum Beispiel bei den sogenannten Weinbergpfirsichen, wurde das tatsächlich auch über Generationen so gemacht. Selbstbefruchtung und Fremdbefruchtung mit genetisch sehr nahestehenden Individuen (meistens sogar Geschwistern) haben zur Ausprägung von regionalen Landsorten geführt, die stets über Sämlinge vermehrt wurden. Das funktioniert, weil die Weinbergpfirsiche durch die jahrlange Selbstbefruchtung (& Inzucht) und Auslese homozygot wurden, d.h. sie haben von jedem Gen zwei identische Kopien.
Bild: Der ewige Kreislauf der Züchtung. Die Züchtung lebt davon, dass die Sämlinge eine unterschiedliche Genetik und somit auch unterschiedliche Eigenschaften (Krankheitsresistenz, Wüchsigkeit, Fruchtqualität, Ertragspotential, Reifezeitpunkt, …) haben
Die neuzeitliche Züchtung, auf der die überwiegende Mehrheit der heute angebauten Steinobstsorten basiert, bringt jedoch ausschliesslich heterozygote Sorten heraus. Heterozygot bedeutet, es liegen pro Gen jeweils zwei unterschiedliche Varianten vor. Bei der Selbstbefruchtung von heterozygoten Sorten kommt es dann zur Aufspaltung der genetischen Eigenschaften. Aufgrund der hochstehenden vegetativen Veredelungstechniken ist die Züchtung auch gar nicht mehr auf die Sämlingsvermehrung von Sorten angewiesen. Wir merken uns: Selbstbefruchtung liefert nur genetisch identische Nachkommen, wenn der Elter homozygot ist. Steinobst ist in aller Regel heterozygot, folglich kommt es unter den Nachkommen zur genetischen Aufspaltung. Die Sämlingsfrüchte haben mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr die gleichen Eigenschaften wie die Frucht, aus der der Samen gewonnen wurde. Letztlich die gleiche Thematik wie bei der Tomatensamengewinnung.
Bild: Pflaumenaussaat. Bei manchen Aussaaten sieht man sehr schnell, dass sich die Genetik aufspaltet, beziehungsweise fremde Genetik eingekreuzt wurde (roter Sämling)
Ein weiterer Punkt, der beim Pfirsichkern pflanzen berücksichtigt werden muss, ist der Umstand, dass Steinobst grösstenteils selbstfruchtbar, genauer insektenbestäubt selbstfruchtbar ist. Wenn man weiter bedenkt, dass die Biene als Hauptbestäuber einen Aktionsradius von gegen einem Kilometer hat und sich bei der Nektarsuche ausgesprochen trachttreu (trachttreu = Bienen fliegen eine Art -aber alle Sorten- an bis diese Nektarquelle versiegt und wechseln erst dann zur nächsten Art) verhält, muss davon ausgegangen werden, dass die genetische Durchmischung durch Fremdbefruchtung noch weiter zunimmt. Gerade weil sich im Siedlungsgebiet nahezu garantiert mehrere Sorten im Kilometerumkreis befinden.
Bild: Pfirsichsämlinge. Rein vom Wuchs sind noch keine grossen Unterschiede feststellbar, spätestens bei der Fruchtqualität werden sie dann aber offensichtlich
Sämlinge: Umwelt-Komponente
Der Schlaumeier denkt sich nun: Dann nehme ich einfach einen Kern vom Supermarktsteinobst, dank der genetischen Uniformität im Erwerbsanbau ist da die Wahrscheinlichkeit für eine Selbstbefruchtung höher. Das ist grundsätzlich wohl richtig so, der Haken mit dem Supermarktsteinobst ist aber ein anderer. Wie der Verpackungsaufschrift hoffentlich zu entnehmen ist, stammt Supermarktsteinobst meistens aus Südeuropa. Die dort angebauten Sorten sind einerseits an die dortigen klimatischen Verhältnisse angepasst und andererseits an den erwerbsmässigen Anbau, sprich erwerbsmässigen Pflanzenschutzregime. Beides nicht gerade optimale Voraussetzungen um im kälteren, nässeren, mitteleuropäischen Klima und bei geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz gut zu gedeihen. Deshalb empfiehlt es sich dringendst, für die Steinobstaussaat möglichst standortangepasste Muttersorten zu verwenden. Standortangepasste Steinobstsorten ist übrigens auch das Lubera®-Zuchtziel, wir sind darum bemüht, mittelfristig neue Pfirsichsorten verkaufen zu können, die noch besser an die örtlichen Klimabedingungen angepasst sind.
Steinobstaussaat: Die Sache mit der Dormanz
Sämlingsfrüchte werden also kaum die gleichen Eigenschaften wie die Frucht, von der sie abstammen, aufweisen. Wenn man sich nicht auf ein Experiment einlassen will, fährt man eindeutig besser mit einer veredelten Pflanze. Wer sich aber aus Neugier oder züchterischem Interesse auf eine Aussaat einlässt, der sieht sich sehr schnell mit einer weiteren Eigenschaft des Steinobstes konfrontiert, die ein gewisses gärtnerisches Frustpotential mit sich bringt: Die ausgeprägte Samendormanz (Samenruhe). Dieser natürliche Mechanismus soll die Samen davor schützen, in einer ungünstigen Zeit zu keimen und ist grundsätzlich eine Entwicklungsverzögerung. So tut sich denn auch überhaupt nichts, wenn man einen "Stein" in die Erde drückt, obwohl noch schönstes Sommerwetter herrscht. Die Dormanz verhindert, dass der Samen sofort zu keimen beginnt und in den verbleibenden Sommertagen aber nur zu einem halbstarken Pflänzchen heranwächst, das keine Chance hat, den Winter zu überleben. Sie stellt sicher, dass der Sämling erst in der darauffolgenden Vegetationsperiode beginnt zu wachsen, diese aber voll ausnutzen kann und somit den nächsten Winter auch eher übersteht.
Pfirsichkern pflanzen: So lässt sich die Dormanz überwinden
Die Dormanz wird durch Kälteeinwirkung gebrochen, nach dem Winter soll es dann ja auch gleich losgehen. Die einfachste Methode ist es denn auch, den ausgesäten "Pfirsichstein" in einem Topf oder direkt im Garten ohne jeglichen Witterungsschutz überwintern zu lassen. Die Natur macht das auch so, das funktioniert grundsätzlich. Es brauch einfach Zeit, manche Winter reichen nicht aus, um die Dormanz zu brechen. Weil Pflanzenenthusiasten wenig Geduld an den Tag legen, wenn es um das Keimen von Samen geht, ist man schon bald dazu übergegangen, diesen Kälteimpuls künstlich nachzuahmen (Stratifikation). Unzählige Empfehlungen gibt es mittlerweile, wie lange, bei welcher Temperatur und Luftfeuchtigkeit man die Samen im Kühlschrank oder sogar Tiefkühler lagern soll, um eine möglichst hohe Keimquote zu erreichen. Darüber braucht man sich aber keine Gedanken zu machen, wenn man sich an folgende Methode hält, die auch in der Lubera® Züchtung so praktiziert wird:
• Man beginnt mit dem Naheliegendsten: Dem Herauslösen der "Steine" aus reifen Früchten. Bei vielen Arten und Sorten ist das kein Problem, bei manchen nicht steinlöslichen Pflaumen, Pfirsichen und Nektarinen eine wahre Geduldsprobe.
Bild: Impressionen aus der züchterischen Massenaufbereitung von Steinobstsamen
• Weiter fährt man fort, indem man die "Steine" knackt. Der "Stein" selbst ist gar nicht der eigentliche Samen, er ist lediglich eine verholzte Fruchthülle, die es zu knacken gilt, um an den Samen zu gelangen. Der Samen kommt einem dann doch sehr bekannt vor, er erinnert stark an eine Mandel (ja die ist auch eine Steinfrucht).
Bild: Knacken des "Steins": Am besten lässt sich die Krafteinwirkung in einem Schraubstock dosieren, nur soweit anknacken, bis sich der Samen von Hand herausschälen lässt, sonst wird der Samen beschädigt. Herausgeschälte Samen in Wasser einlegen das erleichtert den nächsten Schritt (Entfernen der Samenhülle)
• Die Samen werden kurz für 1-2 Stunden in Wasser eingelegt und anschliessend wird die braune Samenhülle vorsichtig abgezogen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass das Spitzchen, das sich an einem Samenende befindet, nicht mit entfernt wird. Darin befindet sich die Wurzelanlage, es ist essentiell für die Keimung. Das Endprodukt erinnert wiederum an etwas, das man im Backsortiment von jedem Laden findet: Geschälte Mandeln.
Bild: Entfernen der Samenhülle, Sorgfalt ist beim Spitzchen geboten
Bild: Samen zur Aussaat bereit
• Samen aussähen resp. den Pfirsichkern pflanzen, Samen leicht mit Erde bedecken und gut wässern. Darauf achten, dass das Spitzchen nicht nach oben zeigt, daraus wächst die Wurzel. Sonst wird der Samen zu akrobatischen Verrenkungen gezwungen. Kann auch funktionieren, schwächt aber das Wachstum.
• Regelmässig wässern, gegebenenfalls von Unkraut freihalten. Jungpflanzen frostfrei überwintern (nicht austrocknen lassen!).
Bild: Aprikosensämlinge mit ausgesprochen hoher Keimrate
Diese Methode basiert darauf, mit der Samenhülle den eigentlichen Ursprung der Dormanz zu entfernen. Die Samenhülle ist ein wichtiger Akteur, sie entscheidet über die Wasser- und Gasversorgung des Embryos, sie verhindert als mechanische Barriere Keimwurzelwachstum und enthält Substanzen, die das Wachstum und die Entwicklung des Embryos hemmen. Die Keimungsrate der diesjährigen Lubera®-Steinobstaussaaten liegen grob geschätzt zwischen 30 und nahezu 100%. Die Verluste können damit erklärt werden, dass die Dormanz nicht alleine über die Samenhülle kontrolliert wird, auch im Samen selbst (im Embryo) gibt es hormonelle Mechanismen, die über den Keimungszeitpunkt entscheiden. Die sind hochgradig temperatur- und feuchtigkeitsabhängig, auch der Reifezustand des Samens bei der Aussaat spielt eine Rolle. Mit dem Entfernen der Samenhülle wird eine Dormanzquelle entfernt, gleichzeitig fällt aber auch die Schutzschicht gegen Pilzinfektionen weg. Um diesen Ausfällen Rechnung zu tragen, sollte man mindestens die dreifache Menge der schlussendlich beabsichtigten Sämlinge ausgesät werden. Um die Keimungsrate möglichst hoch zu halten, haben sich folgende Faustregeln bewährt: Reife aber nicht überreife Früchte verwenden, Früchte und später Samen möglichst ohne (gekühlte) Zwischenlagerung verarbeiten, der geschälte Samen sollte von der Frucht so schnell wie möglich in die Erde.
Pfirsichkern pflanzen - Geduld ist gefragt
Bis die Sämlinge dann erstmals Früchte tragen vergehen in der Regel nochmals fünf oder sogar noch mehr Jahre. Ungeduldige pflanzen besser veredelte Jungpflanzen, da stellt sich der Ertrag schon nach 1-2 Jahren ein. Allen Neugierigen und Experimentierfreudigen in diesem Sinne viel Geduld beim Pfirsichkern pflanzen!
Ergänzung
Zwischenzeitlich habe ich 5 verschiedene veredelte rote Weinbergpfirsiche gekauft.
Fazit: die aus Kernen gezogenen tragen alle ab dem 3. Jahr. Früchte sind klein, arttypisch, aromatisch, Ertrag sehr hoch, Bäume kaum krankheitsanfällig, wenig Kräuselkrankheit, auch ohne Pflanzenschutzmittel.
Die veredelten: grosse Früchte, weniger Aroma, mittlerer Ertrag, grössere Krankheitsanfälligkeit, ohne Spritzen geht gar nichts.
Bei Weinbergpfirsichen ziehe ich definitiv aus Kernen gezogene vor, andere Pfirsichsorten bevorzuge ich veredelt.
Markus Kobelt