Früchte ausdünnen ist eigentlich eine ziemliche widersinnige Tätigkeit. Ich entferne Früchte, um am Ende mehr und auch nachhaltiger zu ernten. Als Obstbauer und auch als Hobbygärtner muss ich da schon einige inneren Widerstände überwinden. Gleich nach der Blüte verschwindet die Sichtbarkeit der noch sehr kleinen Früchte, und fast jeder Obstkultivateur hat das Gefühl, zu wenig zu bekommen. Reden Sie ganz einfach mal mit einem Obstbauern Anfang bis Mitte Mai und Sie werden verstehen, was ich meine… Das kann schon fast zu depressiven Stimmungsschwankungen führen. Diese negative Gestimmtheit hebt sich dann mit dem Wachstum und mit der Grösse der Früchte auf und ab Ende Mai bis Mitte/Ende Juli geht es dann um die Frage der Fragen: Früchte ausdünnen oder nicht ausdünnen? Muss ich eventuell sogar Früchte entfernen, um eine möglichst gute Fruchtqualität zu erzielen und um den Ertrag auch im nächsten Jahr sicherzustellen?
Wir klären in diesem Artikel zuerst die Frage, warum und zu welchem Zweck überhaupt ausgedünnt wird, dann klären wir den Zeitpunkt des Ausdünnens (so gut es geht) und schliesslich beleuchten wir kurz die Fälle der einzelnen Obstarten. Kaufen Sie Ihren Obstbaum bei Lubera, dem grössten Züchter von Obst- und Beerensträucher in der Schweiz – Qualität steht bei uns an erster Stelle!
Inhaltsverzeichnis
- Warum Apfelbäume und auch andere Fruchtbäume ausdünnen
- Fruchtreife und die Blüteninduktion fürs nächste Jahr
- So entsteht Alternanz
- Der Junifruchtfall – der Baum regelt selber seinen Ertrag
- Wann müssen Apfelbäume und auch andere Obstbäume ausgedünnt werden?
- Wie werden Früchte bei Obstbäumen ausgedünnt?
- Wie viele Früchte kann man bei jungen Bäumen belassen?
- Früchte ausdünnen - bei Apfel- und Birnbäumen
- Pfirsiche, Nektarinen und Aprikosen ausdünnen
- Früchte ausdünnen - bei Zwetschgen und Pflaumen
- Säulenbäume ausdünnen
- In welchen Fällen sollte unbedingt ausgedünnt werden?
Warum Apfelbäume und auch andere Fruchtbäume ausdünnen
Grundsätzlich existiert bei den meisten Fruchtpflanzen eine Konkurrenz zwischen dem Triebwachstum und dem Fruchtansatz: Ein Baum, der extrem viele Früchte trägt, hat keine Kraft mehr, neue Triebe aufzusetzen. Ein Baum andererseits, der wie verrückt wächst, wird kaum oder nur wenig Früchte tragen. Das Ausdünnen der Früchte hat zum Ziel, zwischen dem vegetativen und dem generativen Wachstum ein Gleichgewicht herzustellen und damit auch sicherzustellen, dass der Baum auch nächstes Jahr sowohl Früchte trägt als auch ein bisschen wächst.
Fruchtreife und die Blüteninduktion fürs nächste Jahr
Die meisten Obstbäume, jedenfalls alle, die wir hier besprechen (Apfel, Birne, Aprikose, Zwetschge, Pfirsich) tragen am letztjährigen und älteren Holz. Dabei ist zu beachten, dass die Blütenknospen fürs nächste Jahr bereits zwischen Ende Mai und September des Vorjahres angelegt werden. Also genau zu der Zeit, in dem auch die aktuellen Früchte heranwachsen. Nun schütten aber die wachsenden Früchte über ihre Samen Hormone aus, sogenannte Gibberelline, die die Blütenknospenproduktion steuern, in diesem Falle reduzieren. Je mehr reifende Früchte mit ihren Samen heranwachsen, desto mehr Hormone werden produziert, desto weniger Blütenknospen werden differenziert. Dieser Regelmechanismus gehorcht einer ganz einfachen und auch vernünftigen Logik: Ein mit Früchten überlasteter Baum muss sich ausruhen, ein Jahr Luft holen, bis er wieder Früchte tragen kann. Das Ausfalljahr ist dann das Resultat des Überertrags im Vorjahr. Gesteuert aber wird alles wie gesagt über die von den reifenden Früchten und ihren Samen ausgeschütteten Hormone.
So entsteht Alternanz
Unter Alternanz versteht man im Obstbau das Abwechseln von Ertrags- und Ausfalljahren. Die Alternanz kann total sein (gar keine Früchte vs. gigantischer Ertrag) oder auch nur tendenziell (fast kein Ertrag vs. sehr viel Ertrag). In diese Alternanz begibt sich ein Obstbaum, wenn er ein Extremereignis in Bezug auf den Ertrag erlebt: Wenn ein Frost die Blüte zerstört, wird der Baum im Nachfolgejahr mit einer gigantischen Blüte und einem riesigen Ertrag brillieren. Wenn Blüte, Schnitt, Pflege und alles perfekt sind, dann kann es zu einem Superertrag kommen, der dann von weniger Früchten im Nachjahr abgelöst wird. Es ist aber eher häufiger der Fall, dass die Alternanz durch ein Ausfalljahr ausgelöst wird. Mit dem hier besprochenen Früchte ausdünnen können wir in starken Ertragsjahren eingreifen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und regelmässige Erträge zu produzieren.
Der Junifruchtfall – der Baum regelt selber seinen Ertrag
In diesem ganzen, sehr komplexen, aber eigentlich auch sehr schönen Regelmechanismus spielt auch der Junifruchtfall eine wichtige Rolle. Hier reguliert der Obstbaum selber – ohne das Zutun des Gärtners – seinen Fruchtbehang, bei sehr guter Pflege und Ernährungszustand behält er mehr Früchte, bei zu starkem Behang lässt er mehr Früchte fallen. Allerdings hat der Baum tendenziell etwas andere Prioritäten als der Gärtner: Der Baum möchte vor allem sicher überleben, sich fortpflanzen; wir möchten möglichst viele möglichst gute Früchte und das in jedem Jahr. Tendenziell ist also der Junifruchtfall aus langfristiger Gärtnersicht meist zu wenig stark; der Baum geht hier auf Nummer sicher und möchte vor allem viele Samen produzieren. Praktisch heisst das, dass nach dem Junifruchtfall meist noch genug Früchte zum Ausdünnen bleiben.
Wann müssen Apfelbäume und auch andere Obstbäume ausgedünnt werden?
Hier gibt es zwei Schulmeinungen und zwei Termine, wobei diese auch unterschiedliche Ziele verfolgen.
Der frühe Ausdünntermin Ende Mai, also noch vor dem Junifruchtfall (und damit vor dem 10. Juni) zielt auf einen möglichst grossen Hormoneffekt, damit auf einen möglichst grossen positiven Einfluss auf die Blütenknospeninduktion fürs nächste Jahr. Wenn Sie also einen Obstbaum haben, der schon in der Alternanz ist, also z.B. in einem Frostjahr gar keine Früchte trägt, dann sollten Sie im nachfolgenden Jahr möglichst früh, schon Ende Mai reagieren und Früchte ausdünnen. Gemäss meiner Erfahrung betrifft der frühe Ausdünntermin eher Steinobst, denn beim Kernobst hat auch der späte Ausdünntermin noch eine gute Wirkung.
Ser späte Ausdünntermin nach dem Junifruchtfall, folgt nachdem der Obstbaums schon einen guten Teil der Arbeit selber erledigt hat. Hier ist der Effekt des Ausdünnens auf den Blütenknospenansatz fürs nächste Jahr etwas geringer, dafür aber kann besser auf die Qualität hin ausgedünnt werden: Meist wählt man die stärkste mittlere Frucht als Ertragsfrucht aus, die anderen noch verbleibenden Jungfrüchte am (ehemaligen) Blütenbüschel werden entfernt. Aber man kann zusätzlich auch die Qualität beeinflussen, indem man schlecht geformte, spitzige oder von Schädlingen befallene Früchte entfernt. Diese Ausdünnstrategie wird tendenziell eher beim Kernobst angewendet.
Video: Äpfel ausdünnen – ist das so spät noch sinnvoll? (Bitte entschuldigen Sie den vorbeifahrenden Zug am Ende des Videos)
Wie werden Früchte bei Obstbäumen ausgedünnt?
Das Ausdünnen funktioniert ganz einfach. Die junge Frucht wird zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten und mit dem Daumen ’abgeknipst’. Vor allem beim frühen Ausdünnen Ende Mai und vor dem Junifruchtfall (in der Regel vor dem 10. Juni) kann auch eine kleine Schere, z.B. eine sogenannte Rebschere eingesetzt werden, da die noch kleinen Früchte zu wenig Halt für die händische Ausknipsmethode bieten.
Wie viele Früchte kann man bei jungen Bäumen belassen?
Während bei grösseren Bäumen im Garten sehr häufig aufs Ausdünnen verzichtet wird (weil der Aufwand zu gross wäre, und weil man ganz einfach nimmt, was es gibt), stellt sich die Ausdünnfrage vor allem auch bei jungen frischgepflanzten Obstbäumen im Garten. Wie viele Früchte können sie bis zum Ende ausreifen lassen, ohne dass sie schon in jungen Jahren in die Alternanz, in den letztlich unpraktischen 2-jährigen Ertragsrhythmus kommen (Früchte nur jedes zweite Jahr). Hier mögen einige grobe Hinweise hilfreich sein, was man an Früchten einem Jungbaum zumuten kann:
- Erste Vegetationsperiode: Insgesamt dürfen nur 1-3 Früchte hängen bleiben. Der Baum soll sich zuerst einmal aufs Anwachsen und auf die Ausbildung von mehr Kronenvolumen konzentrieren, bevor er sich verausgabt. Trotzdem sollte man ihn einige Früchte produzieren lassen, weil dadurch sein Wachstum moderater und auch für den zukünftigen Ertrag produktiver bleibt: Keine allzu langen Triebverlängerungen, Ansatz von Blütenknospen für das zweite Jahr. 1-3 Früchte reichen dem Obstgärtner gerade, um einen ersten Eindruck von den zukünftigen Freuden zu erhalten:
- 2. Standjahr: 10-12 Früchte
- 3. Standjahr: 40 Früchte
- 4. Standjahr: 60 Früchte
- ab dem 5. Standjahr: 80 bis 120 Früchte
Die Zahlen beziehen sich auf Niederstammbäume oder schlanke Spindeln auf einer schwachwachsenden Unterlage wie Quitte (bei Birnen) oder M9 (beim Apfel).
Natürlich werden Sie vor allem in späteren Jahren die Früchte an einem mehrjährigen Baum nicht auszählen. Wir versuchen deshalb in den nachfolgenden Abschnitten für die wichtigsten Obstarten einige brauchbare praktische Daumenregeln zu vermitteln, wie das Ausdünnen angegangen werden kann und im welchem Mass ausgedünnt werden soll.
Früchte ausdünnen - bei Apfel- und Birnbäumen
Hier kann man relativ konsequent auf eine Frucht pro Blütenbüschel (das bis zu 10 Blüten haben kann) ausdünnen. Bei einem normalen, eben nicht alternierenden Ertragsverhalten führt das meist zu einem guten Gleichgewicht zwischen vegetativem Triebwachstum und generativem Fruchtansatz. Meist wird die am besten entwickelte Zentralfrucht als bleibende Frucht ausgewählt. Wenn diese aber Qualitätsmängel aufweist, kann auch auf eine weniger entwickelte Frucht am Blütenbüschel ausgewichen werden, die dann (alleine auf weiter Flur) den Rückstand noch weitgehend aufholen wird.
Bild: Apfel Paradis® 'Julka'® – der früheste Sommerapfel mit süssem Geschmack
Pfirsiche, Nektarinen und Aprikosen ausdünnen
Natürlich wird auch bei diesen Steinobstarten auf Einzelfrüchte ausgedünnt, aber das reicht bei weitem nicht, da hier die Blütenstände, die Infloreszenzen viel dichter stehen. Als Daumenregel kann man nehmen, dass bei den Aprikosen nur alle 8-10cm eine Frucht stehen bleiben soll, beim Pfirsich eine Frucht alle 15cm. Damit man nicht mit einem Massstab zugange sein muss, nimmt man die gespreizte Hand als Mass für die ca. 15cm.
Bild: Kräuselkrankheitstoleranter Pfirsich 'Franziskus' – weissfleischiger Pfirsich mit Früchten, die Anfang August geerntet werden können
Früchte ausdünnen - bei Zwetschgen und Pflaumen
Bei Zwetschgen und Pflaumen wird eher selten ausgedünnt, letztlich nur, wenn nach einem Frostjahr ein übergrosser Ertrag folgt. Dann werden aber auch Zwetschen und Pflaumen mit Vorteil auf einen Fruchtabstand von 7-8cm (halbe gespreizte Handbreite) ausgedünnt. Hier macht es dann definitiv auch Sinn, auf den frühen Ausdünntermin zu gehen (bis ca. 10 Juni), der den maximalen Effekt auf die Blütenbildung fürs nächste Jahr verspricht.
Bild: Zwetschge 'Cacacs Schönste' – selbstfruchtbare Zwetschge die am schnellsten Früchte trägt – hier vor dem Ausdünnen
Säulenbäume ausdünnen
Säulenbäume neigen ganz besonders stark zur Alternanz. Dies ergibt sich aus ihrer Physiologie: Die Internodien, die Abstände zwischen den Knospen sind sehr kurz. In einem Ertragsjahr werden durch die Samen der heranreifenden Früchte extrem viele Blütenhemmhormone pro Zentimeter Trieblänge ausgeschüttet, die die Blütenbildung fast vollständig unterbinden können. Hier sollte man auch eher den frühen Termin wählen, wobei auch vom späten Termin nach dem Junifruchtfall noch eine feststellbare Wirkung auf den nächstjährigen Ertrag ausgeht. Aufgrund der Blühdichte und (in Ertragsjahren) auch Fruchtdichte fällt hier das Ausdünnen besonders schwer: Was, von so vielen Früchten soll ich mich trennen? Aber klagen nützt nichts und nützt vor allem dem Baum nichts. Grundsätzlich werden auch bei den Säulenbäumen (Säulenapfelbäume, Säulenbirnbäume) alle Blüten/Fruchtbüschel zuerst auf eine Frucht ausgedünnt, danach nimmt man in einem zweiten Durchgang nochmals weitere Früchte raus, so dass nur alle 7-10cm eine Frucht stehen bleibt.
Bild: Säulenapfelbaum Malini® 'Greenlight'® – knackige, gelb-grüne säuerliche Äpfel, die im Oktober geerntet werden können
In welchen Fällen sollte unbedingt ausgedünnt werden?
Natürlich ist es für den Baum und auch für den regelmässigen Ertrag auf jeden Fall gut, wenn alle Obstbäume regelmässig ausgedünnt werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch verständlich, wenn man vor allem grössere Bäume auch mal auslässt, weil der Aufwand einfach zu gross ist und der Junifruchtfall einen schönen Teil der Arbeit selber erledigt. In den folgenden Situationen aber sollte, wenn irgendwie möglich, unbedingt ausgedünnt werden:
- Bei Jungbäumen in den ersten 3 Standjahren.
- Im Ertragsjahr nach einem Totalausfalljahr (also nach einem Frostjahr).
- Bei Pfirsichen, Nektarinen und Säulenbäumen, weil bei diesen Arten und Baumsorten die Fruchtbarkeit systematisch viel zu hoch ist.
In diesen 3 Fällen kann mit dem Früchte ausdünnen der grösstmögliche Erfolg erzielt werden und damit kann auch die gefürchtete Alternanz, die sich ohne Ausdünnen fast jahrzehntelang fortpflanzen und wiederholen kann (nur jedes zweite Jahr Früchte), weitgehend verhindert werden.