Die Braunfäule (Phytophthora infestans) ist wohl das Paradebeispiel unter den Pflanzenkrankheiten. Ihren Bekanntheitsstatus hat sie aber nicht wegen der Tomaten erlangt, sondern wegen der Kartoffeln, die sie als Kraut- und Knollenfäule ebenfalls befällt. In unserem Klima ist die Braunfäule (auch: Krautfäule der Tomaten) die mit Abstand wichtigste und gefährlichste Tomatenkrankheit, so dass es sich lohnt, ihre Geschichte und ihre Symptome genauer zu betrachten. Schliesslich kann man nur bekämpfen, was man auch kennt... Übrigens: Im Lubera Gartenshop können Sie Freilandtomaten online kaufen.
Sehen Sie hier das Video über Braunfäule an Tomaten
Inhaltsverzeichnis
- Woher die Kraut- und Braunfäule kommt und wie sie nach Europa gelangte
- Die irischen Hungersnöte - wegen Phytophthora infestans?
- Die Braunfäule der Tomaten
- Die Symptome der Braunfäule bei Tomaten - so erkennt man sie
- Gegen die Braunfäule vorbeugen: Präventive Massnahmen
- Braunfäulebefall im Bestand: Die Sofortmassnahmen
- Fungizide gegen Braunfäule?
Woher die Kraut- und Braunfäule kommt und wie sie nach Europa gelangte
Ursprünglich stammt der pilzliche Erreger mit dem wissenschaftlichen Namen Phytophthora infestans aus dem mittelamerikanischen Raum. Mitte 1840 wurden aus den Vereinigten Staaten infizierte Saatkartoffeln nach Belgien importiert, von wo aus sich die Krankheit in ganz Europa verbreitete. Nachdem die Etablierung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel in den vorangegangenen Jahrzehnten zu einem starken Bevölkerungswachstum geführt hatte, stellten nun die Missernten und der deswegen hungernde Pöbel die noch jungen europäischen Republiken vor harte Bewährungsproben, die verbliebenen Monarchien sahen sich einmal mehr massivem Volkszorn ausgesetzt.
Die irischen Hungersnöte - wegen Phytophthora infestans?
Tragische Ausmasse nahmen die durch die Kraut- und Knollenfäule verursachten Missernten im industriell unterentwickelten Irland an, wo grosse Teile der stark landwirtschaftlich geprägten Bevölkerung direkt von der Kartoffel als Grundnahrungsmittel abhängig waren. Getreide und tierische Erzeugnisse mussten als Pachtzahlung an die englischen Grundbesitzer abgeliefert werden, für die Ernährung der Familie blieb einzig die Kartoffel. Die Ernteausfälle liessen mehr als eine Million verhungern, weitere zwei Millionen Iren sahen sich gezwungen, ihre Heimat Richtung Nordamerikas, Australiens oder der englischen Industriestädte zu verlassen. Neben der unbestrittenen phytopathologischen Komponente (die Phytophthora ist eindeutig mitschuldig) muss korrekterweise auch erwähnt werden, dass Irland während der ganzen Hungersnot stets ein Nettoexporteur von Lebensmitteln war. Es kommt also noch eine (agrar-) politische Dimension dazu: Ein Exportstopp hätte die Lebensmittelknappheit auf dem irischen Markt massgeblich entschärft. Ein eindrückliches Beispiel für das Versagen des von der damaligen englischen Obrigkeit praktizierten exzessiven und kolonialistisch geprägten Wirtschaftsliberalismus! Jedenfalls hat Phytophthora infestans seit da ihren Platz in der pflanzenpathologischen Geschichtsschreibung auf sicher, mit Nachwirkungen bis in die Gegenwart. Man denke beispielsweise an die St.Patrick’s Day Feierlichkeiten in New York und anderen amerikanischen Grossstädten oder an die immer noch schwierigen politischen Beziehungen zwischen Irland und England.
Bild: Freilandtomate 'Primabella' - robuste, rote, aromatische Freilandtomate
Die Braunfäule der Tomaten
Bei der Tomate entfaltete die Kraut- und Braunfäule nie die gleiche Wirkung wie bei der Kartoffel in Irland. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Tomate noch nie zu den Grundnahrungsmitteln gehört hat, obwohl sie mittlerweile die populärste Gemüseart geworden ist. Zudem fristete die Tomate im mitteleuropäischen Raum relativ lange ein Schattendasein als Exot mit hauptsächlichem Zierwert. Zum Faktor in der Landwirtschaft wurde sie erst relativ spät, zu einem Zeitpunkt, als man sich gegen Pilzepidemien bereits mit primitiven Kupferbrühen zu helfen wusste. Dass die Kraut- und Braunfäule auch für die Tomate einiges an Schadpotential in sich trägt, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Ihrem wissenschaftlichen Namen 'Phytophthora', aus dem griechischen frei übersetzt 'Pfanzenzerstörer', bleibt sie absolut nichts schuldig, bei entsprechenden Umweltbedingungen bringt sie innerhalb von weniger als zwei Wochen ganze Tomatenbestände mitsamt Ernte zum Zusammenbrechen.
Die Symptome der Braunfäule bei Tomaten - so erkennt man sie
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- Krankheitssymptome am Blatt. Bemerkbar macht sich eine Infektion meist durch schwarzbraune Flecken an Blatträndern und -spitzen auf den unteren Blattetagen. Dies, weil die Pilzsporen einen Wasserfilm brauchen, um die Pflanze zu infizieren und Blattränder und -spitzen nach Regen oder Taubildung am längsten nass sind, da sich das Wasser an ihnen sammelt. Bei hoher Luftfeuchtigkeit bildet sich an der Unterseite von befallenen Blättern nach wenigen Tagen ein weisslicher Pilzrasen, ein Teppich von Pilzfäden, an deren Ende neue Sporen gebildet werden. Diese verbreiten sich über die Luft und Wasserspritzer und können neue Infektionen verursachen.
- Krankheitssymptome am Stängel. Stängel können ebenfalls befallen werden, sobald die infizierte Stelle den ganzen Stängel umfasst, beginnt der Trieb oberhalb abzusterben.
- Krankheitssymptome an der Frucht. Auch die Früchte bleiben von Infektionen nicht verschont, um den Stielansatz bilden sich harte braune Verfärbungen, die mit der Zeit runzlig werden und sich über die ganze Frucht ausbreiten. Die Infektionen reichen weit ins Fruchtfleisch, befallene Früchte sind nicht mehr geniessbar.
Gegen die Braunfäule vorbeugen: Präventive Massnahmen
Wie alle pilzlichen Pflanzenfeinde ist die Kraut- und Braunfäule hochgradig von den Umweltbedingungen abhängig. Als effektivste Präventions- und Bekämpfungsmethode bietet es sich deshalb an, den Tomatenmikrokosmos im Garten für den Pilz möglichst ungünstig zu gestalten. Folgende Massnahmen erschweren eine Erstinfektion durch die Braunfäule entscheidend:
- Die Sortenwahl. Eine vollkommene Resistenz gegen Kraut- und Braunfäule gibt es zwar nicht, Unterschiede bezüglich Krankheitstoleranz aber sehr wohl. Alle Sorten, die im Lubera-Sortiment für den Freilandanbau empfohlen werden, zeichnen sich durch eine hohe Toleranz aus. Bei hohem Krankheitsdruck (Regionen mit warmem und feuchtem Klima) sind Stabtomaten den Buschtomaten tendenziell vorzuziehen, da sie in der Regel eine weniger dichte Blattstruktur aufweisen. Allerdings haben sich in unseren Versuchen in diesem (zugegebenermassen nicht sehr pilzfreundlichen, trockenem und heissem) Sommer auch die Strauchtomaten als sehr tolerant erwiesen und vor allem auch riesige Mengen von Tomaten zur Reife gebracht, bevor die Krankheit überhand genommen hat. Eine gute Alternative stellen auch die ausgesprochen toleranten Wildtomaten dar: Klein, fein und robust, auch wenn es im Bestand mal etwas dichter und etwas feuchter wird.
Bild: Wildtomate 'Golden Currant' - die Wildtomate mit üppigem Ertrag und guter Süsse
- Die Bewässerungstechnik. Da die Pilzsporen für das Eindringen ins Pflanzengewebe auf einen Wasserfilm angewiesen sind, sollten Tomatenpflanzen auf keinen Fall kopfüber bewässert werden.
- Die Witterungsexposition. Aus demselben Grund wie oben sollten die Tomaten an einem möglichst geschützten Ort angebaut werden, etwa unter einem Vordach entlang einer Hausmauer oder in einem gut belüfteten Triebhaus (hohe Luftfeuchtigkeit und Taubildung sollte möglichst vermieden werden). Gegenwärtig sind wir bei Lubera bemüht, verschiedenste Tomatensorten auf ihre Freilandanbautauglichkeit zu prüfen. Aufgrund dieser Versuche können wir in den nächsten Jahren unser Freilandtomatensortiment deutlich ausbauen! Bereits jetzt können Sie im Lubera Gartenshop viele diverse Sorten von Freilandtomaten kaufen.
- Der lokale Krankheitsdruck. Da die Erstinfektion oftmals von auf Kartoffeln gebildeten Pilzsporen ausgeht, sollten Tomaten und Kartoffeln im Garten so gut es geht räumlich getrennt werden. Bei engen Platzverhältnissen sollte mindestens darauf geachtet werden, dass die Kartoffeln nicht in der Hauptwindrichtung der Tomaten stehen.
- Der Pflanzabstand. Ausreichend gross, so ab 50cm, ermöglicht er eine gute Belüftung des Bestandes und somit ein rasches Abtrocknen der Blätter nach allfälliger Taubildung. Zudem verhindert er eine rasante Ausbreitung der Infektion im Bestand, da die Sporen weder durch direkten Blattkontakt, noch durch Spritzwasser von Pflanze zu Pflanze übertragen werden können. Als Nebeneffekt wird mit einem ausreichenden Pflanzabstand die Nährstoffversorgung sichergestellt, Tomaten sind Starkzehrer und brauchen ausreichend Wurzelraum.
- Die Vermeidung von Bodenspritzwasser. Bodenspritzwasser sollte vermieden werden, da Sporen oftmals über Spritzwassertropfen vom Boden auf die Blätter gelangen. Es empfiehlt sich, Tomaten im Pflanzvlies anzupflanzen oder den Boden mit einer Mulchschicht (etwa aus Rasenschnitt) zu bedecken. Nebenbei wird dadurch der Unkrautdruck reduziert.
Um das Risiko einer Spritzwasserinfektion weiter zu verringern, sollten die untersten Blätter bis zur ersten Fruchtrispe entfernt werden. Mit dieser Massnahme sollte man zuwarten, bis die untersten Tomatenfrüchte (noch grün!) ihre Endgrösse fast erreicht haben, vorher ist der Krankheitsdruck in der Regel noch tief und ein zu frühes Entfernen der Blatter würde relativ zur Gesamtgrösse der Pflanze zu einem überproportionalen Blattverlust führen.
- Die Pflegemassnahmen. Sorgfältiges Aufbinden der Tomatenpflanzen, sodass auch mit zunehmendem Fruchtgewicht Blätter und Früchte nie auf dem Boden liegen. Regelmässiges Ausgeizen verhindert eine 'Verbuschung' der Pflanze, was dem raschen Austrocknen überhaupt nicht zuträglich ist.
Bild: Freilandtomate 'Resi' - die aromatische Cocktail-Tomate für den Freilandanbau
Braunfäulebefall im Bestand: Die Sofortmassnahmen
Auch wenn man sich alle Mühe gibt, dem Pilz das Leben im eigenen Tomatenbestand so schwer wie möglich zu machen, kann es natürlich vorkommen, dass es trotzdem zu Infektionen kommt. Besonders bei pilzfreundlicher Witterung mit anhaltenden Regenperioden oder hoher Luftfeuchtigkeit kann ein Befall fast nicht verhindert werden. Aber selbst dann hat man als Tomatenschutzpatron noch ein paar Karten in der Hand, die man immer noch spielen kann. Na ja, vielleicht sind es keine Asse mehr, aber immer noch Könige. Es geht darum, einen sprunghaften Anstieg der Krankheit im Bestand zu verhindern oder zumindest genug lang hinaus zu zögern. Denn je mehr reife Tomaten noch abgeerntet werden können, desto kleiner wird das Schadenspotienzial des Pilzes. Mit den folgenden Massnahmen kämpft man gegen den Pilz, wenn er schon da ist:
- Entfernen von infiziertem Blattwerk. Solange die Symptome erst auf den Blättern erkennbar sind, sollten diese entfernt werden, um eine weitere Verbreitung im Bestand möglichst einzudämmen. Blätter ganz, das heisst an der Blattstängelbasis, an der Verzweigung von Hauptstängel und Blattstängel entfernen. Wird zu zögerlich entfernt, kann der Erreger über Schnittstellen in infiziertem Gewebe durch das Schneidwerkzeug auf eigentlich gesunde Pflanzenpartien übertragen werden. Infizierte Stellen möglichst rasch entfernen, sobald sich an der Unterseite der weissliche Pilzrasen ausgebildet hat, steigt das Risiko für Sekundärinfektionen massiv an.
Obwohl die Kraut- und Braunfäule wohl die schlimmste Tomatenkrankheit ist und schon bei manchem passionierten Tomatengärtner für ordentlich Frust oder sogar Groll gesorgt hat, sind entfernte befallene Blätter (entgegen landläufiger Meinung) kein Sondermüll. Der Pilz kann sehr wohl Dauersporen ausbilden, die überwinterungsfähig sind; für ein funktionierendes Kompostierungssystem sind die Dauersporen aber in der Regel aber kein Problem. Die durch die Abbauprozesse von organischem Material freigesetzte Wärme macht die Dauersporen unschädlich. Auch in der Grünabfuhr kann befallene Blattmasse mit gutem Gewissen entsorgt werden.
- Evakuieren der Tomatenernte. Die Ultima Ratio. Sobald Krankheitssymptome auch auf dem Stängel oder sogar schon auf einzelnen Früchten auftreten, ist der Pflanze nicht mehr zu helfen. Jetzt sollte kompromisslos gehandelt werden, einerseits gibt es vielleicht im eigenen Bestand noch gesunde Pflanzen, andererseits sind komplett abgestorbene, braune, nur noch Pilzsporen produzierende Tomatenstauden in der ebenfalls gärtnernden Nachbarschaft nicht besonders beliebt. Die Pflanze wird als Ganzes weggeräumt. Eine letzte kleine Genugtuung bleibt: Noch nicht befallene Früchte können unreif geerntet werden und werden somit doch nicht Beute des letztendlich obsiegenden Pilzes. Tomaten gehören zu den klimakterischen Früchten, das bedeutet, der Reifeprozess kann über Phytohormone auch nach der Ernte weiter voranschreiten. Das gasförmige Phytohormon Ethylen ist für den Reifeprozess verantwortlich, es wird zu einem gewissen Teil in der Frucht selber produziert. Da aber auch externe Ethylenquellen den Reifeprozess vorantreiben, empfiehlt es sich, die unreifen Tomaten mit einem reifen Apfel zu lagern. Äpfel sind ebenfalls klimakterisch und die Etylenbildung eines reifen Apfels kann der Ausreifung der evakuierten Tomaten den entscheidenden Schwung verleihen. Ethylen ist übrigens auch das Gas, das die Bananen plötzlich gelb macht, wenn sie nach langer Schiffsreise aber immer noch grün am Rheinhafen in Basel ankommen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Fungizide gegen Braunfäule?
Wer jetzt in der ganzen Auflistung von präventiven und akuten Massnahmen die Fungizide vermisst, die irgendwo im einleitenden Abschnitt (Kupferbrühe) mal angeschnitten wurden, dem sei gesagt: Fungizide können im privaten Gartenbau nicht ernsthaft als fix einplanbare Massnahme empfohlen werden. Einerseits, weil der oben aufgelistete Massnahmenkatalog bereits über Gärtnergenerationen grossmehrheitlich und zuverlässig beglückende Tomatenerfolgserlebnisse und zufriedenstellende Erträge ermöglicht hat. Andererseits weil auch die heutigen Fungizide nach wie vor auf Kupfer basieren. Kupfer ist ein Schwermetall und als solches in der Umwelt nicht abbaubar, es reichert sich an und wirkt ab einer gewissen Konzentration toxisch auf Bodenlebewesen und Pflanzen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Fungiziddosierung und -applikation auch gestandene Fachleute, die von Berufes wegen damit zu tun haben, regelmässig vor grosse Herausforderungen stellt, sollten Hobbygärtner davon die Finger lassen. Wer das nicht wahrhaben will, soll sich entsprechende Untersuchungen über die Schwermetallkonzentrationen in Schrebergärten zu Gemüte führen, die Zahlen sprechen für sich.
In diesem Sinne eine erfolgreiche Tomatensaison, mögen Sie die Kraut- und Braunfäule so lange wie möglich im Schach halten!
Spannend ist auch die Tatsache, dass Phytophthora infestans relativ nah mit Meeresalgen verwandt ist und somit nicht einfach den klassischen Pilzen zugeordnet werden kann. David Shaw hat darüber kürzlich einen lesenswerten Artikel im Gartenbuch geschrieben.
Tomaten essbar?
Habe vermutlich Kraut und Braunfäule an fast allen meiner 20 Tomaten. Die eine Seite hatte Regen abbekommen, zu eng gepflanzt und puff innerhalb von 1 Woche ist es den Bach runter. Habe zwar versucht alles Befallene wegschneiden aber das wars. Blätter fingen an. Jetzt ca 15 Tomaten abgeschnitten, welche hart wurden und braune Flecken bekamen.
So eine Schande.
Jetzt Googel ich mich zu Tode und bin Ratlos.
Kann man jetzt die Tomaten noch bedenkenlos essen? Klar braune und harte nicht. Alles was Krank aussieht kommt in den Müll. Und was nun mit den Tomaten die aussehen wie immer? Können diese gegessen werden oder ist da was dran, dass diese Krebserregend sind.
Freundliche Grüsse
Ihr Lubera Team