In einem Schulgarten können Kinder und Jugendliche an die praktischen Arbeiten im Garten herangeführt werden. Sie lernen Werkzeuge und ihren Einsatz kernen, erlernen das Säen, Pflanzen, Pflegen und Ernten, bis hin zur nachhaltigen Bodenpflege. Steht der Schule eine Küche zur Verfügung, können auch Zubereitung und Haltbarmachung von geerntetem Gemüse, Obst und Kräutern erlernt werden. Darüber hinaus liefert der Schulgarten Material zum Anschauen, Anfassen und Probieren, zum Basteln, Messen und Experimentieren. Er kann für jedes Unterrichtsfach in jeder Altersstufe genutzt werden. Nicht zuletzt ist der Schulgarten Erholungsort für Lehrkräfte und Schüler in den Pausen, bindet Natur in den Alltag ein und ermöglicht das bewusste Erleben von Wachsen und Vergehen im Wechsel der Jahreszeiten.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Schulgarten?
Ein Schulgarten ist ein Bereich im Freiland, den Lehrer und Schüler für Unterrichtszwecke nutzen. Je nach örtlicher Gegebenheit gibt es dabei sehr unterschiedliche Konzepte.
Der Schulgarten im klassischen Sinne ist ein abgegrenzter Bereich auf dem Schulgelände, der nach didaktischen Gesichtspunkten angelegt und in Beete mit Zier- und Nutzpflanzen unterteilt ist. Die Pflege wird nur bei wenigen Schulen durch die Schüler und Lehrer während der Unterrichtszeit erledigt. Häufiger sind es Arbeitsgemeinschaften oder Elterninitiativen, die sich hier engagieren.
Weitere Gartenbuchtexte zum Thema Schulgarten:
- Schulgarten Teil 1: Geschichte, Praxis und Zukunft
- Schulgarten Teil 3: Ganz einfach und flexibel
- Schulgarten Teil 4: Schulgärten für Kindergärten und Grundschulen
- Schulgarten Teil 5: Schulgarten für die Sekundarstufe I
- Schulgarten Teil 6: Schulgarten für die Sekundarstufe II
Beim Neubau von Schulen oder bei der Umgestaltung von Aussenbereichen werden zum Teil naturnahe Flächen mit Trockenmauern, Hecken, Teichen, Gräben, Dachbegrünungen und Nisthilfen für Insekten, Vögel und Fledermäuse angelegt. Solche naturnahen Schulgärten können von den Lehrern im Unterricht genutzt werden, werden aber in der Regel im Auftrag des Schulträgers von Fachleuten gepflegt.
Die dritte Möglichkeit ist die Nutzung externer Schulgärten in Kooperation mit (Fach-)Hochschulen, Gartenbauvereinen oder botanischen Gärten für Ausflüge, Führungen und Projekte.
Vom Teil zum Ganzen
Menschen haben die Fähigkeit erworbenes Wissen systematisch zur Lösung von komplexen Problemen einzusetzen. In der Pädagogik wird das als lernmethodische Kompetenz bezeichnet. Kinder können aus "Erfahrung klug werden" oder "aus Fehlern lernen". Darüber hinaus lernen sie Lösungsstrategien für neue Probleme zu finden, indem sie auf ihre Erfahrungen und ihr Wissen zurückgreifen. Die Basis dafür sind die Entwicklung von Grob- und Feinmotorik, die Fähigkeit Schritt-für-Schritt-Anleitungen umzusetzen und eigene Beobachtungen mündlich oder schriftlich wiedergeben zu können.
Von klein auf aktiv - motorische Kompetenz
Jede Bewegung fördert die motorischen Fähigkeiten. Springen, laufen, klettern, aber auch das Umgraben eines Beetes oder eine Schubkarre zu schieben sind grobmotorische Bewegungen. Das Ausstreuen von Saatgut, Unkrautzupfen oder das Ernten von weichen Früchten fallen in den Bereich der Feinmotorik. Die motorischen Kompetenzen werden im Schulgarten beiläufig trainiert, während vordergründig andere Aufgaben thematisiert sind. Die motorische Kompetenz wird bei Kindern spielerisch entwickelt. Ein naturnaher Spielplatz oder ein Erlebnisgarten fördern diese Entwicklung.
Bild: Ein Kräutergarten bietet viele Möglichkeiten, um motorische Kompetenzen zu schulen. Die Kräuterschnecke steht im Schulgarten der Schule Sevelen (Schweiz/St. Gallen).
Das Lernen lernen - Methodenkompetenz
Eine der wichtigsten Aufgaben der Schule ist es Kindern das notwendige Handwerkszeug zu vermitteln, um zu mündigen Menschen heranzuwachsen, die in der Lage sind, sich selbst Informationen zu beschaffen und neue Fähigkeiten zu erwerben. Diese Fähigkeit zur Selbstbildung wird als Methodenkompetenz bezeichnet.
Im Schulalltag sieht das so aus, dass die Schülerinnen und Schüler Texte lesen und darin Begriffe oder deren Definition suchen müssen. Im nächsten Schritt werden die wesentlichen Schlüsselwörter oder Textpassagen mit einem System markiert. Beim Mind-Mapping werden die Informationen nach Hierarchien gegliedert und für Tabellen wesentliche Informationen in prägnante Stichworte umformuliert. Das Ziel ist es, letztendlich in eigenen Worten die Erkenntnisse wiederzugeben und verständlich zu präsentieren.
Der Sinn dieses Vorgehens ist für die Schüler dabei oft nicht erkennbar. Die einzelnen Schritte werden im Unterricht theoretisch geübt, aber nicht aufeinander aufbauen verknüpft. Zum Beispiel werden im Deutschunterricht Informationen aus einem Romankapitel in einer Tabelle aufgelistet und eine Woche später im Sachunterricht ein Mind-Map zum Hauskaninchen angefertigt. Das diese Techniken Hilfsmittel sind, die beim Erstellen des Plakats übers Rauchen genauso anzuwenden sind, erklärt aber niemand. Die Methoden werden in allen Fächern vermittelt, ihr Sinn bleibt aber weitgehend verborgen, weil der Bezug zur Praxis fehlt.
Der Schulgarten bietet viele Möglichkeiten, Projekte "am lebenden Objekt" von der Fragestellung bis zu Präsentation vollständig abzuschliessen. Die Schüler bearbeiten Fragestellungen oder stellen Hypothesen auf, beobachten, beschreiben und analysieren die Vorgänge im Schulgarten und formulieren dann ihre Ergebnisse.
Technische Kompetenz
Nach einer Grafik oder einer Schritt-für-Schritt-Anleitung Handlungen auszuführen und Werkzeuge und Gartengeräte sachgerecht zu verwenden, setzt technische Kompetenz voraus. Im Schulgarten brauchen Kinder diese Fähigkeiten, um z. B. die Aussaathinweise auf Saatguttüten richtig umzusetzen. Sie lernen, dass die Gartenarbeit mit dem richtigen Werkzeugen einfacher und schneller zu erledigen ist.
Bild: Nicht nur Beete können in einem Schulgarten angelegt werden. Auch Bauten, wie hier ein Lebensturm, vermitteln technische Kompetenzen.
Lernvorteile im Schulgarten
Der Schulunterricht ist grundsätzlich so gestaltet, dass fachliche, persönliche, soziale und lernmethodische Kompetenzen vermittelt werden. Der Schulgarten als Lernort hat gegenüber dem Klassenzimmer oder der Sporthalle aber einige Vorteile.
Ein Schüler oder eine Schülerin merkt sich nur etwa zehn Prozent von dem, was er oder sie liest und nur 20 Prozent von Gehörtem. Durch Wiedergabe beim Sprechen bleiben 80 Prozent des Gesagten in Erinnerung und von Erfahrungen beim eigenen Handeln 90 Prozent. Menschen lernen leichter, was sie für wichtig halten und Dinge, die mit Emotionen oder Bewegungen verknüpft sind.
Es macht also einen Unterschied, ob ein Kind eine Textaufgabe aus dem Mathebuch löst oder selbst ein Beet vermisst und dann dessen Fläche berechnet, um herauszufinden, wieviel Dünger benötigt wird. Die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns fördert die Motivation die Aufgabe zu lösen. Beim Vermessen werden motorische und kognitive Fähigkeiten zusammen eingesetzt und die Bewegung unterstützt den Lernprozess. Gleichzeitig wird der Umgang mit dem Werkzeug (Massband, Gliedermassstab, Laser-Entfernungsmesser) geübt. Aus dem Grund macht eine Praxisstunde im Schulgarten zur Ergänzung des Mathematik- oder Physik-Unterrichts Sinn.
Jede Textzusammenfassung oder Personenbeschreibung dient zur Förderung der Methodenkompetenz. Literaturvorlagen oder Bilder sind aber immer statisch und in ihrer Aussage auf die optische Wahrnehmung durch den Betrachter reduziert. Im Garten kommen Gerüche, sensorische Erfahrungen und auch die eigenen Emotionen dazu. Wenn ein Kind eine Grüne Stinkwanze in der Hand hatte, wird es das Tier anders beschreiben, als wenn es das Insekt nur auf einem Foto gesehen hat. Ein Bild von einem Gänseblümchen vermittelt nur Informationen über Farbe und Form, aber nicht über Grösse, Oberflächenbeschaffenheit, Festigkeit, Duft und Geschmack. Die Unterschiede zu Kamille oder Margerite sind an der lebenden dreidimensionalen Pflanze besser und schneller zu erfassen als von Bildern. "Begreifen" im Sinne von Anfassen spielt bei der Erforschung der eigenen Umwelt für den Menschen schon beim Kleinkind eine wesentliche Rolle. In der Schule kommt dieser Aspekt des Lernens aber oft zu kurz. Der Schulgarten bietet viel Möglichkeiten diese "Wahrnehmungslücken" zu schliessen.
Bild: Auch Tiere sind ein wichtiger Bestandteil des Schulgartens. In diesem Insektenhotel fühlen sich die Bienen wohl.
Fachliche Kompetenzen
Im Schulgarten lernen Schülerinnen und Schüler die Natur hautnah kennen. Sie erwerben Fachkompetenz im Bereich der Biologie und des Gartenbaus.
- Pflanzen und Tiere kennenlernen
- Die Grundorgane einer Pflanze benennen
- Ansprüche und Eigenarten verschiedener Pflanzen erkennen
- Die Relevanz von Licht, Wärme, Wasser und Erde für das Pflanzenwachstum beurteilen
- Den Prozess des Keimens und Wachsens verstehen
- Beobachtungen aus der Praxis nutzen, um Hypothesen aufzustellen
Darüber hinaus sind auch Projekte für den Unterricht in Deutsch, Kunst, Mathematik, Physik, Chemie und auch in Fremdsprachen denkbar. Eine gute fachliche Kompetenz ist Teil der Allgemeinbildung. Entwickeln sich spezielle Schwerpunkte, sind diese die "Hart Skills", die später bei der Wahl eines Ausbildungsplatzes oder der Bewerbung um einen Arbeitsplatz entscheidend sind.
Persönliche Kompetenzen
Ebenso wichtig wie das (Fach-)Wissen sind die sogenannten "Soft Skills". Sie umfassen die methodischen, sozialen und personalen Fähigkeiten eines Menschen. Die methodische Kompetenz umfasst logisches Denken, die Fähigkeit Aufgaben und Probleme zu lösen, organisatorische Kompetenzen, Zeit- und Selbst-Management.
Die Arbeit in der Gruppe fördert sozialen Eigenschaften, die einen respektvollen und toleranten Umgang mit den Mitmenschen ermöglichen: Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit, eine klare Kommunikation, Integrationsbereitschaft, sowie Kritik- und Konfliktfähigkeit. Die gemeinsame Arbeit im Garten und das Teile der Erfolgserlebnisse fördert den Teamgeist. Die Kinder bringen sich nach ihren Fähigkeiten ein und erfahren dafür von ihren Mitschülern eine angemessene Wertschätzung.
Die persönliche Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten, die sich auf den Umgang einer Person mit sich selbst beziehen: Selbstvertrauen, Belastbarkeit, Flexibilität, Eigenverantwortung, Verantwortungsbewusstsein, Engagement, Motivation, Neugier, Geduld und Selbstdisziplin. Vor allem lehrt der Schulgarten Geduld. Das Wachsen von Pflanzen und das Reifen von Früchten braucht Zeit. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." Die Kinder können über einen langen Zeitraum langsame Veränderungen beobachten. Erfolg haben sie nur, wenn sie genug Disziplin aufbringen die notwendigen Arbeiten trotz Regen, Hitze oder Kälte rechtzeitig und richtig auszuführen. Dazu kommt ein hohes Mass an Flexibilität. Fallen Kartoffelkäfer oder Raupen über die Beete her, können Pläne sich ganz schnell ändern.