Nehmen wir den Themenfaden des letzten Editorials wieder auf: Wäre es nicht am besten und heilsamsten für die Wiederentdeckung der Rose, wenn sie uns verboten würde? Was rar ist und gefährlich, was verboten ist, ist ja auch reizvoll, wertvoll, bewundernswürdig. Und vor allem gibt es bei Verboten fast immer einen Gewinner: Den Markt, der Seltenheit und Mangel mit Wert belohnt. Ich vermute wohl zu Recht, dass ihr mich nun vollends für verrückt hält, verloren in einer Art Verbots-Paranoia, die nur noch Pflanzenfeinde sieht. Könnte jemand wirklich so verrückt sein und sich anschicken, Rosen zu verbieten? Ja also den Kommunisten, den Stalinisten, den Maoisten, den halsstarrigen Nordkoreanern und den blutrünstigen Roten Khmer könnte man das schon zutrauen, aber hier und heute???
Inhaltsverzeichnis
Unliebsame Begegnungen mit dem Rosenverkäufer
Zugegeben, der Rosenverkauf in der Stadt und im Restaurant, der in meinen jungen Jahren florierte (gibt es das heute noch?) war schon ziemlich ätzend. Da warst du mit einer Frau, Kollegin, Freundin, mit einem, na sagen wir mal neudeutsch geschlechtsneutral 'DATE' unterwegs, und plötzlich kam der Verkäufer mit den vermaledeiten roten Rosen. Was willst du da machen? Kaufst du nicht, bis du ein Feigling, Spielverderber und Geizhals, kaufst du doch, holst du dir vielleicht einen verfrühten Korb. Um es abzukürzen: Ich war eher auf die Körbe abonniert… Und natürlich waren da zuallererst die Rosen schuld. Wahrscheinlich, weil sie in der Regel nicht dufteten, wie bis heute viele Schnittrosen…
Rosenverbote: Realität in der Schweiz
Aber zurück zur verbotenen Rose, zum Rosenverbot. Wer könnte so dumm und kulturell unsensibel sein und die Rose verbieten?
Es sind – mein Patriotismus bekommt gerade mal wieder Magenkrämpfe – natürlich die …Schweizer, die das Rosenverbot erfinden. Man müsste sie um ihren Eigensinn ja fast schon wieder lieben, wenn die immer wieder reproduzierten fremdenfeindlichen Reflexe nicht so garstig wären.
Fanfarenstösse – Trommelwirbel – Fluchgeschrei! Hei..sack…siech.. dammi: Ab September dürfen gemäss dem Bundesamt für Gesundheit BAFU und seinen Pflanzenhäschern Rosa multiflora und Rosa rugosa, die vielblütige Rose und die Kartoffelrose nur noch mit Warnklebern verkauft werden: Achtung: Unkontrolliert kann diese Pflanze die Natur gefährden! Natürlich behaupten jetzt die Beamtlinge (bitte nicht böse gemeint, das Wort ist an den 'Setzlingen' angelehnt und durchaus nicht pejorativ, sondern aufmunternd gemeint: sie können ja noch wachsen), das sei kein Verbot. Aber wer verkauft und kauft schon Pflanzen, die einen Warnkleber benötigen – wenn auch nirgendwo sonst als in der grossen Schweiz???
Die Rolle von Rosa rugosa und Rosa multiflora
Kurz zu den verbotenen Rosen. Rosa rugosa wurde in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger: Die Kartoffelrose ist eine wichtige Quelle für Krankheitsresistenz und Kälteresistenz für neue Rosen und wurde in sehr viele Rosensorten und Rosenfamilien hineingezüchtet. Vollblut-Rosa rugosa wurden zig-millionenfach in Küstengebieten zur Dünenstabilisierung angebaut, bis man merkte, dass sie in bestimmten Inselsituationen überhandnehmen können (von daher wohl der schlechte Ruf). Die Schweiz ist ja übrigens weltbekannt für ihre ausgedehnten Dünen- und Sandgebiete… Umgekehrt ist die Rosa rugosa vor allem in sehr kontinentalen Klimaten wegen der Winterhärte und Salztoleranz extrem wertvoll. In Alpengebieten und in den Voralpen gehört sie zu den einzigen sicher anbaubaren Rosen. Vielleicht müssen wir – sorry, ich kann wirklich nichts für die unseligen Parallelen – bald Genealogie und Rassenkunde für Rosen einführen, damit wir die Verdünnung des Rosa rugosa-Blutes messen könnten. Was ist jetzt verboten, was kann weiterhin als Rose unbehelligt angepflanzt werden, ohne sich an der sogenannten Natur zu vergehen? Was meinte doch die pflanzenferne St. Galler Beamtin, die nach einem kräftezehrenden Spaziergang durch unsere Baumschule zu ihrer Enttäuschung keine verbotenen Neophyten entdeckt hatte: Ja, aber sie möchte darauf hinweisen, dass sich natürlich das Verbot in jedem Falle auch auf verwandte Arten und Hybriden beziehen. Da darf man ja gespannt sein… Rosenrassekunde ist angesagt…
Und Rosa multiflora? Ja das ist ja ein waschechter Rosenbösewicht, ein Wüstling sondergleichen. Promiskuitiv bis zum Abwinken. Natürlich kommt Rosa multiflora wie alles Böse aus …China! Das kann ja – die Kiwis beweisen es zur Genüge – nicht gut gehen. Und die vielblütige Rose ist – eine absolute Provokation und Frechheit – 'multiflora', eben vielblütig. Hinterlistig produziert diese Unrose möglichst viele Blüten, gefolgt von kleinen Hagebutten und Samen, um uns und anderen Pflanzen auch noch den letzten Lebensraum wegzunehmen. Wie kann man da überhaupt noch atmen? Wo bleibt da noch Raum für unsere einheimischen Pflanzen?
Die Ironie des Verbots
Meine Redaktionskollegin Stefanie erzählte mir kürzlich, Rosa multiflora sei die lauteste Rose, die sie kenne. Sie hätte nie eine Rose und nur ganz wenige Pflanzen kennengelernt, die so viele Insekten und vor allem Bienen anziehen würden und entsprechend so einen Lärm veranstalten könnten… Ist das nicht verdächtig? Wollen die Chinesen jetzt auch noch unseren Bienen an den Kragen, sie mit chinesischen Rosen und Pollen vergiften? Die Rosa multiflora muss wegrausfertigtotundamenpunkt. Ja genau wie die Schmetterlingsflieder, die sich auch der Insektenbestechung schuldig gemacht haben. Bienenfreundlich JA, Bienensüchtig NEIN.
Eine Zukunft ohne vielseitige Rosen?
Was die siebengscheiten Pflanzenagnostiker und berufsmässigen Dilettanten im BAFU (keine Angst, liebe Deutsche und Österreicher, solche gibt es auch bei euch!) nicht erkannt haben: Ein schöner Teil der in der Schweiz angebotenen und angepflanzten Rosen (angeboten als Containerrosen bei uns oder bei Coop, Migros und Landi) stehen auf einer Unterlage namens… ja genau: Rosa multiflora. Müssen Rosen in Zukunft auch bezüglich ihrer Wurzeln die reine Rasse nachweisen? Zu hoffen wäre es! Und was ist mit all den beliebten, aber blitzgefährlichen Ramblerrosen, den Polyantharosen und überhaupt fast allen büschelblütigen Rosen, die einen und meist viel mehr Tropfen Multiflorablut in sich tragen?
Ein Plädoyer für die Vielfalt der Rosen
Ich sehe es ja ein: Das BAFU, unsere kulturrevolutionäre Umerziehungsanstalt möchte zurück zum Schwarzweiss-Fernsehen, endlich soll der offensichtlich schädliche Einfluss der Roseninternationale zurückgedrängt werden, die Rosa Helvetica muss, wenn nicht schon vorhanden, so doch schnellstens erfunden werden. Wie wäre es vielleicht mit der Alpenrose?
Pflanzt büschelblütige Rosen (Multiflora!), solange es sie noch gibt!
Pflanzt Kartoffelrosen und wuchernde Rambler!
Und wer bitte glaubt mir immer noch nicht, dass sie dereinst die Kartoffeln verbieten werden?
Herzliche Grüsse
Markus Kobelt
PS: Ach ja, fast hätte ich es wieder vergessen: DAS IST KEINE SATIRE!
Rosa multiflora