Wer von Ihnen in diesem Jahr gerade von diesem Kälteschock für Kleingärtner betroffen war, dem wird es für den Moment ziemlich egal sein, ob die Eisheiligen in der Zeit des Klimawandels immer noch Bedeutung haben oder ein Überbleibsel aus dem Fundus alter Bauernregeln sind. Die kleinen Gurkenpflänzchen im Freiland sind jedenfalls hin, und ob die zarten Blüten an den Obstbäumen den heiligen Herren Bonifatius & Co. erfolgreich Paroli bieten konnten, wird sich erst in ein paar Tagen oder Wochen zeigen. Die Frage aber bleibt: kann man frostsensibles Gemüse wie Tomaten und Co schon vor den Eisheiligen pflanzen, oder wartet man vielleicht doch besser ab mit dem Gemüsepflanzen Kaufen? Und was genau sind die Eisheiligen und gibt es für sie einen sachlichen klimatischen Hintergrund?
Inhaltsverzeichnis
- Bauernregeln zu den Eisheiligen (11.-15. Mai)
- Wann soll man Tomaten und Paprika pflanzen?
- Wer hat sich die Eisheiligen eigentlich ausgedacht?
- Wie erklären Meteorologen die eisheilige Wetterwillkür?
- Was Kachelmannwetter zur Verlässlichkeit der Eisheiligen weiss
- In der Schweiz sind Eisheilige (fast) abgeschafft!
- Eisheilige sorgen für schlaflose Nächte
- Die Eisheiligen bei Lubera
Bauernregeln zu den Eisheiligen (11.-15. Mai)
Bevor wir uns aber weiter den Kopf zerbrechen, wenden wir uns zunächst den Bauernregeln zu: Was sagen die denn zu den Eisheiligen? Und an was haben sich die Bauern über Generationen wohl weitgehend gehalten? Hier die wichtigsten Bauernregeln zu den Eisheiligen im Überblick:
- Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.
- Servaz muss vorüber sein, will man vor Nachtfrost sicher sein.
- Pankraz und Servaz sind zwei böse Brüder, was der Frühling gebracht, zerstören sie wieder.
- Pflanze nie vor der Kalten Sophie.
- Die kalte Sophie macht alles hie.
- Mamertius, Pankratius, Servatius bringen oft Kälte und Verdruss.
- Wenn's an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert.
- Pankraz hält den Nackensteif, sein Harnisch klirrt von Frost und Reif.
- Servaz muss vorüber sein, willst vor Nachtfrost sicher sein.
- Nach Servaz findet der Frost keinen Platz.
- Vor Bonifaz kein Sommer, nach der Sophie kein Frost.
Wann soll man Tomaten und Paprika pflanzen?
Waren wir also, nachdem es in den vergangenen Jahren keinen nennenswerten Winter gab, zu waghalsig und ehrgeizig, als wir unsere kleinen, selbst gezogenen (oder voreilig gekauften) Tomaten und Paprika aus ihren Anzuchttöpfen von der warmen Fensterbank schon im April in das für nicht winterharte und frostresistente Pflanzen lebensbedrohliche Freiland umquartiert haben? Schliesslich hat diese den Hobbygärtnern eigene und vermutlich angeborene, überhastete Umtriebigkeit in den letzten Jahren doch auch geklappt, so dass sich die Nachbarn die Augen gerieben haben, als wir (neunmalklugen) Besserwisser unsere Tomaten im Sommer bereits vier Wochen vor der Saison triumphierend von den Büschen geholt haben. Aber gut – für dieses Jahr ist der Kampf verloren, wenn auch die Eisheiligen, zumindest hier oben im Norden, nicht die alleinigen Sieger waren, denn die vorzeitig blühenden Bäume und meine Lieblingsmagnolie hat der Spätfrost schon einige Wochen früher im April erwischt. Oh, sieh an – dachten da viele Leidensgenossen aus der Zunft der Hobbygärtner – dieses Jahr sind die Eisheiligen wohl viel eher dran… Aber nun mal ganz sachlich und von vorne:
Wer hat sich die Eisheiligen eigentlich ausgedacht?
Die Wettervorhersage unserer Vorfahren beruhte zum grossen Teil auf jahrelange Erfahrungswerte, die man regelmässig und oft über mehrere Jahrhunderte hinweg aber immer zu einer bestimmten Zeit gemacht hatte. Für diese Beobachtungen benannte man Lostage, die mit den Namenstagen von Heiligen in Verbindung gebracht wurden und wichtige Hinweise für die Wetterentwicklung in dieser Zeit lieferten. Genau genommen waren diese Lostage, zu denen auch die Eisheiligen zählen, eine amtliche Wettervorhersage auf der Grundlage beobachteter Regelmässigkeiten von Witterung und Klima für einen bestimmten geografischen Raum. Von daher wirkten sie mitentscheidend für sämtliche landwirtschaftlichen und gärtnerischen Aktivitäten von der Aussaat bis zur Ernte. Für den Verlauf eines Jahres gab es damals 84 dieser Lostage. Eisheilige, Schafskälte, Siebenschläfer, Hundstage und Altweibersommer zählen zu den bekanntesten Terminen, vor denen sich selbst die Gartenzunft von heute noch einen gewissen Respekt erhalten hat. Die Heimsuchung der Eisheiligen dauert vom 11. bis 15. Mai und steht für eine von Gärtnern, Landwirten und Winzern gleichermassen gefürchtete Frostperiode, die sich zu einer Zeit einstellt, in der sich der Winter gewöhnlich längst verabschiedet haben sollte. Benannt hat man diese Lostage nach den fünf Heiligen Mamertus (11. Mai), Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai), Bonifatius (14. Mai) und der "Kalten Sophie" (15. Mai). Entstanden sind sie aus der Beobachtung, dass es während dieser Namenstage in Mitteleuropa zu mehr oder weniger starken Kälteeinbrüchen kommt, die der bereits gestarteten und im Blühen befindlichen Vegetation empfindliche Frostschäden zufügen kann. Mit der Aussaat bzw. Pflanzung kälteempfindlicher Gewächse oder Sommerblumen im Freiland sollte von daher besser noch bis zum Ende der Eisheiligen gewartet werden. Also lagen die Ängstlichen und Vorsichtigen mit ihrem nicht ganz unbegründeten Respekt vor dem eventuellen Kälteschock in diesem Jahr richtig, während die beherzten Verfechter der These "Nur die Harten kommen in den Garten" offensichtlich das Nachsehen haben?
Wie erklären Meteorologen die eisheilige Wetterwillkür?
Abgesehen davon, dass bedingt durch eine zwischenzeitlich durchgeführte Kalenderreform im Rahmen der gregorianischen Datumsverschiebung zum Ende des 16. Jahrhunderts die Auftrittstermine der Heiligen Herrschaften um 10 Tage in Richtung Ende Mai verlegt wurden, sehen die Meteorologen die Bedrohungslage natürlich eher nüchtern und aus der wissenschaftlichen Betrachtungsweise. Demnach liegt der Grund für die verspäteten Kaltlufteinbrüche im Mai in der unterschiedlich schnellen Erwärmung von Wasser- und Landoberfläche. Das Festland heizt sich demnach wesentlich rascher auf als die Ozeane und Meere, was zu erheblichen Temperaturgegensätzen führt und kräftige Tiefdruckzonen über Europa entstehen lässt. Die daraus resultierenden nördlichen und südlichen Strömungen führen in der Erdatmosphäre zu enormen Luftdruckgegensätzen und sorgen mit einem damit verbundenen Luftmassenwechsel zu abrupten Temperaturstürzen und eiskalter Polarluft. Jedes Jahr und überall, nur eben nicht immer pünktlich zum traditionellen Termin.
Was Kachelmannwetter zur Verlässlichkeit der Eisheiligen weiss
Der populäre Weltwettergott vermittelt uns auf seinem Onlineportal, dass es fürs Erscheinen dieses Klimaparadoxons im Prinzip fünf Möglichkeiten gibt:
- Verfrühte Eisheilige,
- Eisheilige
- Verspätete Eisheilige
- Eisheilige fallen aus oder
- Heissheilige
Dennoch präsentiert der beliebte Wetterkanal auch hochinteressante Statistiken, die auf der Basis von Temperaturmessungen aus den letzten 70 Jahren entstanden sind und die tatsächliche Realität dieser falschen Heiligen ad absurdum führen. Da hat es doch dieser Mamertus zwischen 1950 und 2018 gerade 6 Mal auf die Reihe bekommen, zum Stichtag am 11. Mai in meinem Nachbarkreis Soltau zu erscheinen. Auf Servatius und Bonifatius war mit je 4 Überfällen bei maximal - 4 Grad noch weniger Verlass. Der letzte richtige Frost hatte nämlich schon am 1. Mai zugeschlagen, aber innerhalb des Beobachtungszeitraums auch nur 15 Mal. Und von Termintreue hielten die Eisheiligen schliesslich in Bayern ebenso wenig. Der Tagestiefstwert in 5 cm Bodenhöhe lag seit 1950 an einem 11. Mai lediglich 11 Mal unter dem Gefrierpunkt.
In der Schweiz sind Eisheilige (fast) abgeschafft!
Auch hier wurden jahrzehntelange Messreihen geführt, die bis 1965 zurückverfolgt werden können. Aufgrund der Landesgrösse haben sich die Schweizer Meteorologen auf die kleine Gemeinde Payerne (490 m. ü. M.) im Kanton Waadt und eine weitere Wetterstation in Aadorf in der Ostschweiz fixiert. Das ernüchternde Ergebnis: Zusammen mit den vorhandenen Aufzeichnungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die Wissenschaftler des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz zu der Überzeugung "dass die Eisheiligen, verstanden als besondere Phase im Mai mit gehäuftem Auftreten von Bodenfrost, in der Schweiz nicht feststellbar sind." Etwas präziser ausgedrückt bedeutet dies für den Zeitraum von 1965 bis heute: "Vom 1. bis zum 25. Mai bewegt sich die Auftretenshäufigkeit von Bodenfrost nur noch im Bereich von 10 Prozent." Dennoch:
Eisheilige sorgen für schlaflose Nächte
Wobei diese irreparablen Spätfrostschäden nicht ausschliesslich von der Anzahl der Frosttage, sondern mehr noch von deren Dauer abhängig sind. Und da gabs schon Ostern ein bitterböses Erwachen für bayerische Obstbauern, denen zum Teil über 50 Prozent der Blüten eingefroren sind. Und auch bodennahe Früchte wie Erdbeeren sind bereits ab einer Stunde Frost extrem gefährdet, wenn sie nicht rechtzeitig vor dem Kälteeinbruch mit einem Vlies abgedeckt wurden. Obwohl man das wahre Ausmass von Schäden durch die Eisheiligen wohl erst in einigen Wochen bis ins Detail benennen kann, haben die Frostnächte Anfang April – so sagen die Experten – allemal für höhere Verluste gesorgt. Zu dieser Zeit war die Apfelblüte in vollem Gang und ob die nächtlichen Feuerfackeln auf den Plantagen der Obstbauern das Schlimmste verhindern konnten, wird sich dann in den Sommermonaten bei den Preisschildern an den Obstregalen der Supermärkte zeigen.
Die Eisheiligen bei Lubera
Durch die Tallage unseres Stammbetriebs im Rheintal haben die Gärtnerkollegen bei Lubera einigen Respekt vor den Eisheiligen. Markus Kobelt, dem Gründer von Lubera ist noch etwas aufgefallen: "Wenn ich 25 und mehr Jahre zurückblicke, so haben mir zu Beginn meine Kollegen und Verwandten hier im St. Galler Rheintal zwar viel Angst vor den Frühlings- und Blütenfrösten gemacht, aber in unserer Apfel-Züchtungsanlage blieben wir doch über 20 Jahre lang davor verschont. Ich habe eher den Eindruck, dass sich die Unbeständigkeit des Wetters ganz allgemein verstärkt hat – und Bodenfrost im Mai ist eine Unbeständigkeit – und dass diese Gefahr in den letzten Jahren eher grösser geworden ist. Aber vielleicht beruht ja diese Beobachtung auch auf einer Selbsttäuschung: Wir erinnern uns einfach viel besser an die kurz zurückliegenden Frostereignisse und Frostängste…)." Bei Lubera hält man sich aber insofern an die Eisheiligen, dass man Tomatenpflanzen und ähnlich frostsensibles Gemüse (Andenbeeren, Auberginen, Chili, Paprika, Süsskartoffeln) erst im Mai und auch da zum grössten Teil nach den Eisheiligen versendet. Dies muss übrigens nicht unbedingt zu einem Rückstand der Tomatenpflanzen und der zu erwartenden Ernte führen, da die Tomatenpflanzen und das andere Frucht- und Edelgemüse bei Lubera im sehr grossen 1.3l Topf produziert und kultiviert werden, womit sie einen schönen Zeitvorsprung schon in den Garten mitbringen.