Macht es Sinn neue Rhabarber zu züchten. Braucht die Welt neue Rhabarbersorten? Und vor allem: Was könnte man von neuen Rhabarbersorten erwarten? Diesen Fragen gehen wir in diesem Artikel nach, der damit gleichzeitig auch die Leitlinien und Zielpunkte der Rhabarberzüchtung bei Lubera® beschreibt. In unserem Gartenshop können Sie pflegeleichten und robusten Rhabarber kaufen. Schauen Sie doch mal in unser riesiges Sortiment, wenn Sie Rhabarber pflanzen wollen.
Rhabarberzüchtung - wider die Inzucht
Auf dem langen, fast 1000 Jahre andauernden Weg des Rhabarbers von China über Arabien und später Russland nach Europa haben sich diverse Rhabarberarten zum heutigen Speiserhabarber vermischt, der erst kurz nach. 1800 als solcher - als essbares Gemüse - entdeckt wurde. Dabei zeigen moderne Untersuchungen des Rhabarbergenoms, dass die genetische Bandbreite des Speiserhabarbers sehr schmal ist, fast alle Sorten, mit ganz wenigen Ausnahmen, liegen ganz nahe zusammen, sind eng verwandt. Eine Ausnahme stellt beispielsweise die englische Sorte Crawford Castle dar, die wir denn in unserem Rhabarber-Züchtungsprogramm intensiv benutzen. Sie scheint einen ganz anderen Weg genommen zu haben als die anderen Rhabarbersorten, ist wohl auch aus anderen Rheum-Arten entstanden. Ganz allgemein geht es in d er Rhabarberzüchtung darum, die genetische Bandbreite wieder zu vergrössern, eventuell auch Rückkreuzungen mit den ursprünglichen Rheum-Arten zu machen, aus denen der Speiserhabarber entstanden ist.
Die Vorteile der Inzucht
Die Inzucht prägt den Rhabarber aber noch viel deutlicher, als dass nur die meisten Sorten relativ nahe verwandt sind. Historisch wurde neben der eher mühsamen und aufwändigen vegetativen Vermehrung durch Teilung der Rhizome viel häufiger auch die Vermehrung durch Samen benutzt, wobei man bei geschlossenen Pflanzungen mit Selbstbefruchtung und einigermassen gleichbleibenden Eigenschaften der Sämlinge rechnen kann (Selbstungen). Dabei wurde die Samenvermehrung nicht nur für die Vermehrung der Sorten genutzt, sondern sie war gleichsam nebenbei auch die Quelle neuer (aber eben nahe verwandter) Rhabarbersorten, wenn es zu Variationen oder zufälligerweise zu Kreuzungen mit anderen Klonen oder Sorten kam. Die Rhabarberpflanze zeigt auch weitgehen keine Inzuchtdepressionen, lässt also Selbstungen auch über X Generationen zu. Wenn wir nun aber unterschiedliche Sorten (die je ein hohes Mass an Inzucht erfahren haben) miteinander kreuzen, können wir in der Sämlingsgeneration, in der sogenannten F1 Generation zuweilen mit deutlichen Heterosiseffekten rechnen, zB. mit einem sehr viel höheren Ertrag. Diesen Effekt sehen wir auch in unserer Züchtung bei einigen Kreuzungspopulationen.
Weniger Oxalsäure? Milderer Geschmack?
Ein nicht-saurer Rhabarber ist kaum denkbar. Rhabarber-Aroma und Säuremix gehören wohl zusammen. Aber dennoch wären wir über etwas weniger Oxalsäure durchaus dankbar. Dies wäre vor allem bei immertragenden Rhabarbern interessant, die auch im Sommer und Herbst geerntet werden können, wo normalerweise der Oxalsäuregehalt höher ist.
Züchtung von dauertragenden Rahbarbern
Wie wir schon in einem anderen Artikel gezeigt haben, sind dauertragende Rhabarber vermutlich zunächst in südlichen Ländern, vor allem in Australien, später dann von Luther Burbank in Kalifornien für das dortige Klima selektioniert worden: Sorten, die wenig bis keine Winterkälte benötigen, aber gleichzeitig doch auch die Hitze des südlichen Sommers ertragen und ganz allgemein stark wachsen. Verpflanzt man diese Sorten dann wieder in ein gemässigtes Klima, dann zeichnen sie sich durch einen sehr frühen Start und die andauernde Bildung von neuen Stielen auch im Sommer und Herbst aus. Wir haben im Lubera® Rhabarber-Züchtungsprogramm Eltern identifiziert, die genau diese Eigenschaften vererben.
Rhabarber als Zierstaude
Ganz allgemein kann es sich in der Rhabarberzüchtung lohnen, die Rhabarberpflanze mit einem ganz anderen Blick, mit dem Blick des Ziergärtners anzuschauen. Wäre das nicht eine wunderbare Schatten-oder Halbschattenstaude? Und erst noch nebenbei mit Nutzwert. Wenn es dann noch gelingen würde, schön strukturierte, gekräuselte, rot gefärbte, wie auch immer zierende und auffällige Blätter zu züchten, dann wären wir zusammen mit den immertragenden Eigenschaften nicht mehr weit vom Ziel entfernt, der Hostastaude mit dem Rhabarber Konkurrenz zu machen...
Rote Stiele, rote Blätter?
Es ist eine Binsenweisheit, dass es grüne und rote Rhabarber gibt. Die meisten sogenannten roten Rhabarbersorten aber haben nur eine rote Aussenhaut und sind innen weitgehend grün (Frambozen Red und andere). Vielfach beginnt sich das Innere der Stiele nur in der weiter fortgeschrittenen Erntesaison leicht rot zu färben (Holstein Blut, Valentine). In unserem aktuellen Sortiment hat bis jetzt Canada Red® die beste und früheste rote Fleischfärbung. Hier sind in der Rhabarberzüchtung sicher noch Verbesserungen anzustreben und auch zu erreichen. Und könnte man nicht noch weiter gehen, könnten nicht auch die Blätter rot gefärbt sein? Immer wieder entdeckt man bei rotstieligen Sorten auch eine leichte Färbung der Blätter und vor allem der Blattadern. Diese Eigenschaft kann sicher züchterisch verstärkt werden.
Bild: Rhabarbersämlinge mit schönen, roten Stielen
Und was ist mit den Blüten?
Und dann die Blüten. Die Rhabarberorthodoxie fordert, dass man die Blüten entfernt, um möglichst viel Energie in die Pflanze selber, ins Rhizom und die Entwicklung der Stiele und Blätter zu investieren. Aber wenn Sie mich fragen, dann sind die riesigen, und hochaufgestelzten Rhabarberblüten mit das Schönste an der Rhabarberpflanze. Es geht also in der Züchtung von neuen Rhabarbersorten für den Hausgarten auch darum, Selektionen zu finden, die wunderschöne und allenfalls auch zahlreiche Blüten entwickeln, und dennoch auch in der Stielproduktion nicht weit abfallen. Ist das überhaupt möglich? Und könnte man die Blüten eventuell auch essen und geniessen? Wir werden sehen.
Bild: In einer sehr speziellen Kreuzungspopulation häufen sich Rhabarber mit sehr vielen Blüten. Eigentlich ist es unerwünscht. Aber vielleicht ist es gerade interessant?
Bild: Noch verrücktere Blüten
Die Lubera® Rhabarberzüchtung
Wir betreiben wohl europaweit eines der ganz wenigen, vielleicht sogar das einzige aktive Rhabarberzüchtungsprogramm. Aktuell werten wir gerade die ersten grossen Kreuzungen und Sämlings-Populationen aus - und haben in den letzten Jahren sehr viel über diese in der Vergangenheit eher vernachlässigte Gemüse- und Obstarten gelernt. Aus den aktuellen Kreuzungen werden wir einige Dutzend Sortenkandidaten gewinnen und auch mehr Informationen generieren, wie wir mit der Rhabarber-Züchtung weiterfahren wollen. Schon Kleist (oder war es ein anderer?) schrieb ja von der "allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden". Und so kommt auch, dass die besten Ideen zur Züchtung neuer Sorten beim Züchten selber entstehen, wenn man die Reihen rauf und unter geht, sich und den Pflanzen Fragen stellt - und dann auch auf die Antworten hört...
Zwei Sorten Rhabarber nebeneinander?