Wer kennt die englischen Rosen “Englische Rosen” von David Austern nicht? Blühfreudig, robust, dauerblühend, regenfest, mit herrlichem Duft im Vordergrund!
Kennen Sie auch die englische Rose “England’s Rose” aus der Kollektion “Englische Rosen”? :-)))) Aber das Lied von Elton John “Candle In The Wind”(Goodbye England’s rose May you ever grow in our hearts …) bestimmt, oder?
“Nomen est omen”, heisst es im Lateinischen. Das heisst so viel wie: Der Name ist das Vorzeichen, weist auf die Zukunft, auf die Realität voraus. Dann wäre also zuerst der Name, und dann erst sekundär die Sache? Zweimal Ja! Auch viele gärtnerische Begriffe, Gattungsbezeichnungen, ja eigentlich die gesamte botanische lateinische Nomenklatur sind genauso entstanden: Sprachmutige Männer (ja in der Vergangenheit meistens Männer), die frech einen Namen in die Luft warfen (Linné und seine Adepten taten das gleich einige Tausend Male) und dann neugierig-selbstbewusst zuschauten, ob sie damit etwas Realität einfangen konnten ? (Nebenbei: Eigentlich geht es dann auch im nächsten Newsletterartikel um das gleiche Thema;-)
David Austin, der berühmte Züchter der – na eben! – Englischen Rosen, hatte gerade mal 5 Rosen gezüchtet, als er 1969 den Begriff ganz unbescheiden für sich und seine Schöpfungen beanspruchte: Englische Rosen. Sein Projekt war dabei fast ebenso umfassend wie der gewählte Sammelbegriff: Er wollte (und will) den Charme der alten Rosen, ihren Duft, ihre Fülle und Eleganz, mit den Farben und der Dauerblüte der modernen Rosen verbinden. Aber wie gesagt, 1969 war er erst bei 5 Rosen gelangt und bei seinen ersten beiden Rosen war er auch am eigenen Anspruch gescheitert: ‘Constance Spry‘ und ‘Chianti’ waren eben nicht wie gewünscht dauerblühend, sondern nur einmal blühend – wie die alten europäischen Rosen. Hatte der junge, noch unerfahrene Züchter hier auf die Dominanz der Dauerblüheigenschaft gesetzt, die in Tat und Wahrheit rezessiv waren? Wahrscheinlich, aber eigentlich ist das ziemlich unwichtig, wenn man die opulente Fülle der nachfolgenden dauerblühenden Englischen Rosen bedenkt.
“Englische Rosen” als Begriff für zunächst mal nur 5 eigene Rosen ? Was sich David Austin da erlaubte, ist ein alter, rhetorischer Trick: Totum pro Parte. Man nimmt den Begriff für ein grösseres Ganzes und wendet ihn auf eine Teilmenge an, die man damit aufwertet und wichtiger macht. Und wenn man dann wie David Austin dieses rhetorische Versprechen, das “omen” über die Dauer eines langen Züchterlebens weitgehend einlösen kann, umso besser!
Aber auch dieses Namens-Schicksal wartet mit einer Ironie auf: So hilfreich die Usurpation des Begriffs der Englischen Rose für die Entwicklung der jungen Rosenfirma war (die Rosenbaumschule von David Austin wurde auch 1969 gegründet), so hemmend war sie bei der späteren Weiterentwicklung der Marke. ‘Englische Rosen’ war zu einem Allgemeinbegriff geworden (wenn auch immer noch sehr eng mit David Austin verbunden), war aber auch aufgrund des nationalen Adjektivs immer schon allgemeingültig gewesen und darum auch nicht als proprietäre Marke einsetzbar. Und so musste David Austin Roses nach der Jahrhundertwende mühsam anfangen, den Begriff langsam umzubauen in Richtung ‘David Austin Roses’ oder auch ‘David Austin’s English Roses’.
Trotz der späteren Markenprobleme liessen Mut und Kühnheit dieser Namenswahl den Konkurrenten nur wenig Raum, in England selber eigentlich gar keinen! Was könnte man als Englischer Rosenzüchter (und davon gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr viele) einem solchen Anspruch entgegenhalten? Im Ausland versuchten sich die grossen Rosenzüchter mit Begriffen wie “Romantische Rosen”, “Nostalgierosen” oder “Renaissance-Rosen” (Poulsen). Und vielleicht ist es ein strategischer und bis heute noch nachwirkender Fehler der Rosenfamilie Meilland, dass sie nicht gleich mit Französischen Rosen konterten. Denn mindestens im 19. Jahrhundert waren es zuvorderst die Französischen Rosenbaumschulen (meist aus der Region Lyon) gewesen, die die Entwicklung der Rose, die Inkorporierung der aus Fernost importierten dauerblühenden und gelben Rosenarten in die alten europäischen Rosen vorwärtsgetrieben hatten. Französische Rosenzüchter hätten also allen Grund gehabt, die Rose für sich zu reklamieren!
Aber nein, das tat ein junger Züchter aus Mittelengland, der gerade mal 5 Rosen herausgebracht hatte. Dass er aber seine Rosen mit dem Begriff der Englischen Rosen aufwertete, hatte sicher auch einen historischen Grund: Die Engländer verstehen sich schon seit dem Mittelalter als DIE Rosennation (wie sie sich übrigens auch als Hort der europäischen Apfelkultur sehen).
Sie erinnern sich an den Geschichtsunterricht? Auch bei uns, auf dem Kontinent kommen dabei unweigerlich die berühmten Rosenkriege vor, die schliesslich mit der Heirat von Heinrich VII. und Elisabeth von York endeten. Aus den beiden Häusern wurde das Haus Tudor, aus der weissen Rose des Hauses York und der roten Rose des Hauses Lancaster wurde die rote Rose mit weisser Mitte der Tudor-Dynastie als heraldisches Symbol für England. “England’s Rose” auf dem Wappen steht für England! Da mag es für den jungen sprachmächtigen Züchter nur noch ein kleiner Schritt bis zur “Englisch Rose” gewesen sein;-)
Im nochmals übertragenen Sinne wurde der Begriff “England’s Rose” natürlich immer schon für die Schönheit der englischen Frauen verwendet - wobei man sicher nicht unerwähnt lassen darf, dass dabei die Stacheln geflissentlich verschwiegen wurden. 2003 setzte David Austin seiner Namenusurpation noch einen drauf und nannte eine neue Englische Rose ‘England’s Rose‘. Sozusagen die Krönung der Englischen Rosen im Andenken an eine Rose der ganz königlichen Art: Der Rosenname nimmt natürlich Bezug auf Prinzessin Diana und auf Elton Johns Song Candle in the Wind 1997, der zum Begräbnis der verunfallten Prinzessin England’s Rose, eben Diana besang.
Hier die erste Strophe des berühmten Liedes von Elton John, und der Beginn der zweiten Strophe. Der Text stammt übrigens nicht von Elton John, sondern von Bernie Taupin:
“Goodbye England’s rose
May you ever grow in our hearts
You were the grace that placed itself
Where lives were torn apart
You called out to our country
And you whispered to those in pain
Now you belong to heaven
And the stars spell out your name
And it seems to me you lived your life
Like a candle in the wind”
Die Urfassung des Liedes von 1973 bezog sich übrigens auf eine andere moderne tragische Heldin: Marilyn Monroe. Die erste Zeile begann mit ihrem bürgerlichen Namen: Good bye Norma Jean! Rosen waren sie beide gewesen. Namen hatten sie viele getragen, die Prinzessin und die Schauspielerin. Und beide liessen Zeit ihres Lebens die Dornen vergessen.