Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die Teeherstellung ist ziemlich kompliziert, sogar wenn man sie ein bisschen (wie in unserem Rezept) vereinfacht, und auch wenn man sich vor allem auf den Grüntee mit einer nur kurzen Oxidationsphase der frisch gepflückten Blätter konzentriert. Gäbe es nicht auch einfachere Wege, Tee herzustellen? Muss der klassische Herstellungsprozess - Pflücken der frischen Austriebe, 'withering' der Blättchen (Oxidationsprozess), Abstoppen der Oxidation durch Hitze, Rollen, Trocknung - wirklich auch im Garten, im häuslichen Teeanbau übernommen werden?
Englische Industriespionage in China: Robert Fortune
Die Engländer entschieden sich im 19. Jahrhundert für die Kopie der chinesischen Teeherstellung. Gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts verlor die englische Ostindienkompanie aufgrund einer liberaleren und mehr auf Konkurrenz und "check and balances" ausgerichteten Gesetzgebung das Monopol auf den Handel in Indien (1813) und später auch das Monopol auf den Chinahandel (1834). Damit war ihr wundersames, aber ziemlich dreckiges Dreiecksgeschäft, das gleich auch 3 mal Margenmaximierung zuliess, in Gefahr: Die Ostindienkompanie liess in Indien Opium anbauen und verarbeiten, verkaufte es in China kaufte im Gegenzug Tee ein, den sie nach England importierte. Da war das nächste rettende Projekt, das diesen ersten multinationalen Konzern der neueren Geschichte retten sollte, schnell gestrickt: In der vom Konzern weiterhin weitgehend selber verwalteten Riesenkolonie Indien sollte Tee angebaut werden, der dem chinesischen ebenbürtig sein sollte, ja vielleicht sogar überlegen. Der indische Assam-Tee, eine offenbar in Assam heimische Unterart von Camelia sinensis, mundete zuhause im englischen Heimatland nur Wenigen: er war zu grob, zu ledrig, erinnerte einige Zeitgenossen sogar an alte Schube, andere verbanden einen malzigen Geschmack mit dem Gebräu, den sie dem englischen Bier vorbehalten sehen wollten… Assam Tee wird aber trotz alledem noch heute sehr grossflächig angebaut, landet vor allem in Blends und - natürlich - im Ostfriesentee, wird auch fast immer als Schwarztee verarbeitet, wo die Intensität des Geschmacks wichtiger ist als die feine Geschmacksnuance… Erste Versuche mit chinesischen Teesorten in der Himalayaregion, die aufgrund des Klimas den besten chinesischen Anbaugebieten ebenbürtig sein sollte, waren erfolgsversprechend verlaufen: Der daraus resultierende Tee wurde von den Testern der Ost-Indien-Kompanie akzeptiert, es fehlte ihm aber noch die wirkliche Raffinesse der chinesischen Tee-Spitzenprodukte.
Bild (Wikipedia): Robert Fortune (1812-1880) - schottischer Gärtner und Forschungsreisender
Nun das Projekt: Der Obergärtner und Kurator des Londoner Chelsea Physic Gardens, Robert Fortune, bekannt geworden durch seine erste China Pflanzenjägerexpedition im Auftrag der Royal Horticultural Society sollte nun auch das Innere Chinas bereisen, in den Kernanbaugebieten des Grüntees und des Schwarztees die feinsten Pflanzenherkünfte und Samen stehlen und vor allem das Geheimnis der Teeherstellung vollends entschlüsseln. Denn so genau wusste man zu der Zeit noch gar nicht, wie der Tee wirklich hergestellt wurde; bis zu Fortune`s Buch über seine erste China Expedition hatte die Meinung vorgeherrscht, Schwarztee und Grüntee würden auf unterschiedliche Camelien-Arten zurückgehen. Fortune war der erste gewesen, der erkannt, dass beide Teearten auf unterschiedlichen Herstellungsprozessen, aber auf der gleichen Pflanze - Camelia sinensis - beruhten.
Langer Rede kurzer Sinn, die Engländer wollten (so wie gestern die Japaner und Südkoreaner, und heute die Chinesen in ihrer industriellen Aufholjagd gegenüber dem Westen) schlichtweg kopieren, was die chinesische Teekultur über Jahrtausende entwickelt hatte. Dabei war das Herstellungsrezept mindestens so wichtig wie die beste Teepflanze.
Das Teeblatt im Wasser: Der erste Frischtee von Kaiser Shennong
Ein Teemythos (es gibt mehrere) erzählt, dass der Kaiser Shennong, der Begründer der chinesischen Medizin und der Landwirtschaft entspannt im Schatten eines Kamelienstrauchs sass, als ein leuchtendgrünes Blatt in die Tasse mit heissem Wasser fiel. Nun fragt der moderne Leser natürlich sofort: Warum war da ein Glas mit heissem Wasser, tranken die Chinesen, wie die Englänger bei Asterix und Obelix heisses Wasser? Wir geben gerne zu: Wir wissen es nicht: Aber jedenfalls beobachtete der an der Natur interessierte Kaiser-Gelehrte gespannt, wie aus dem jungen Blatt ein grüner Saft in Wasser überging und sich wolkenartig ausbreitete. Shennong kannte, als erster Naturwissenschaftler, unzählige giftige Pflanzen, er war sich sicher, dass der neue Grüne Trank ungefährlich sein musste und wagte den Selbstversuch. Ganz offensichtlich schmeckte ihm der erste Grüne Tee, der eigentlich ein Frischtee war: Der erste Tee war aromatisch und anregend, wohl auch versehen mit dem leicht bitteren Abgang, der ihn dann doch definitiv vom reinen Wasser unterscheidet…
Bild (Wikipedia): Kaiser Shennong - Begründer der chinesischen Medizin
Für die Geschichte halten wir fest: Auch der Frischtee, sofort aus den eben gepflückten Blättern eines Teebuschs gebrüht, ist eine Chinesische Erfindung!
Und wirklich ist es wohl tatsächlich so, dass die Mythos eine alte Wahrheit transportiert: Tee wurde sicher nicht von allem Anfang an in einem komplizierten Herstellungsverfahren produziert, sondern begann seine Karriere wahrscheinlich ganz unspektakulär als zur Anregung und Zerstreuung gekautes grünes Blatt, später vielleicht auch als unprätentiöser Tee aus grünen Blättern, so wie er dem sagenhaften Kaiser zugeschrieben wird.
Der Herstellungsmechanismus fügt zwar über die mehr oder weniger lange Oxidationsdauer der frisch gepflückten Blätter (Grüntee kurz, Schwarztee lang) neue Geschmackkomponenten zum Tee hinzu, aber letztlich macht er den Tee vor allem skalierbar, haltbar, transportierbar und damit handelbar. Wenn mindestens drei grosse Tee-trinkende Nationen (seit wohl fast 3000 Jahren die Chinesen, seit über 300 Jahren die Engländer, irgendwo dazwischen die Japaner) mit Tee als Lebensmittel und als sozialer Kit versorgt werden müssen, wäre dies mit nur grünen , frischen Blättern vor der Erfindung der Kühlkette nicht möglich gewesen.
Der frischeste und sauberste Tee
Wenn wir hervorheben, dass der Frischtee aus grünen Blättern nicht nur der frischeste, sondern darüber hinaus auch der sauberste und gesündeste Tee ist, dann folgen wir nur wieder der Argumentation von Robert Fortune: In seinen Expeditionsbüchern erzählt er, dass die Chinesen routinemässig die erste Tasse, den ersten Aufguss ausleeren, um so den Tee zu reinigen, Staub und Steinchen auszuspühlen, die über den nicht über alle hygienischen Zweifel erhabenen chinesischen Herstellungsprozess (vor allem das Rollen) in den Tee kommen können. Das könnte die englische Industriekultur, so Fortunes Andeutung, wohl eindeutig besser und reinlicher machen… Fortune ging noch weiter und ergänzte seine Industriespionage nach seiner zweiten Chinaexpedition auch noch mit Negativpropaganda: Er erzählt von einem Besuch in einer Green Tea Factory am Yangtze River im Oktober 1848: Da fielen Robert Fortune die blauen Finger der Arbeiter auf und er stellte fest, dass die Chinesen Prussian Blue und damit Cyandid für die blaue Farbe und Gypsum (Calcium Sulphat Dehydrat) für die gelbe Farbe in den Tee mischten, um die Farbe des Grüntees vollständig den Erwartungen der englischen Kundschaft (Grüntee muss grün sein) anzupassen. Daraus machte die Ostindienkompanie zur Weltausstellung kurz entschlossen den ersten Skandal mit Lebensmittelfarben, indem sie die von Robert Fortune „beschlagnahmten“ Giftstoffe prominent ausstellten: Die Botschaft war ganz klar: Wer reinen Tee will, wird möglichst bald auf den neuen sauberen Tee aus Indien rückgreifen können.
Was wir aus dieser Geschichte lernen können? Tee, wie wir ihn aus dem Restaurant und im Teebeutel, aber auch lose kennen, ist ein durch und durch industrielles Produkt, war es schon zu Robert Fortunes Zeiten. Es gibt nichts Besseres und Sichereres als der eigene Teebusch auf der Terrasse und im Garten, von dem sie selber die Triebspitzen ernten und gleich geniessen können! Und der echte Frischtee, den wir vorschlagen, ist gleich doppelt frisch: Erstens jetzt gerade frisch aufgegossen und zweitens frisch geerntet von der eigenen Teepflanze im Garten. So können wir uns zu Recht fühlen wie der sagenhafte Kaiser Shennong…
So stellen Sie Frischtee her
Die Herstellung des Frischtees geht letztlich ganz einfach, fast so einfach wie bei Shennong: Die Triebspitzen werden abgeerntet, am liebsten am frühen Morgen, wenn sie alle Kraft gesammelt haben und stolz gegen den Himmel streben.
Video: Echten Tee aus dem eigenen Garten ernten
Diese Triebspitzen - meist der eigentliche Vegetationskegel plus 2 schon aufgefaltete Blätter, werden vorsichtig abgeschnitten oder mit Daumen und Zeigefinger abgeklemmt. Danach schreitet man, sozusagen noch vor dem Frühstück, zur Tat, rollt die Blätter, knetet sie, um die Zellen aufzuschliessen, und schliesslich werden die so vorbehandelten Triebspitzen mit heissem Teewasser aufgebrüht. Vielleicht erscheint der resultierende Tee im ersten Augenblick etwas wässrig, wenn man ihn mit Tee aus schwarzen Teebeutelchen oder aus grünem Teepulver vergleicht, aber das ist natürlich auch eine Frage der Dosis. Wir werden ja den neuen Teebusch nicht vollständig entblättern für nur eine Tasse, 5 bis 10 Teespitzen für eine schöne Tasse müssen genug sein, viel weniger als für den klassischen Teelöffel voller getrockneter Teeblätter verwendet wird. Aber wenn man sich, vielleicht schon geschult am klassichen Grüntee, auf das Trinkerlebnis des Frischtees einlässt, entdeckt man immer mehr: Rhabarbrige Aromen zu Beginn, manchmal auch ausufernd zu Sauerampfer oder reduziert auf Gras, dazwischen dann schiebt sich manchmal ein Hauch von Fruchtigkeit oder Blumendüften, dann aber kratzt der Frischtee die Kurve und zeigt endgültig, dass er sich doch vom heissen Wasser unterscheidet, mit Temperament und einer mehr oder weniger deutlichen Bitterkeit. Wer sich auf dieses Erlebnis einlässt, wird bestätigen: Das Geniessen des eigenen Tees aus dem eigenen Garten ist ein Genuss- und Gedankenexperiment. Tee wird von der Gewohnheit, von der gedankenlosen Commodity wieder zu einem echten Genussmittel, ja vielleicht sogar zu einem Denkmittel.
Video: Frischtee, der 'falsche' Grüntee als einfachste Teevariante
Video: So wird Frischtee oder 'falscher' Grüntee aufgegossen
Video: Wie schmeckt der Frischtee oder 'falsche' Grüntee?
Ergeben auch ältere Blätter geniessbaren Frischtee?
Sind Frühling und Frühsommer vorbei, haben Sie Ihren Teestrauch schon zwei- oder dreimal abgeerntet, so stellt sich doch wohl früher oder später die Frage, wo bitte denn jetzt der echte Gartentee bzw. Nachschub für den Frischtee herkommen soll. Neben dem Anbau einer eigenen kleinen Teeplantage (mehr Tee), geraten natürlich gerne auch die älteren Blätter in den Fokus des durstigen Teegärtners: Könnte man nicht auch ältere Blätter für Tee benutzen? Ich habe das sowohl mit älteren als auch mit jüngeren, aber immer vollständig ausgereiften Blättern versucht und zu meiner eigenen Überraschung ist mir auch dieser Frischtee gelungen. Dazu habe ich für eine Tasse 2 bis 3 Blätter wirklich fein geschnitten und gehackt, bevor ich das Teewasser aufgegossen haben. Der Geschmack: eigentlich intensiver, bitterer, definitiv weiter entfernt vom heissen Wasser, aber auch gröber.
Video: Frischer Herbsttee von winterharten Teepflanzen
Spannend ist auch die Herstellung von kalten Schwarztee: den Tee mit den feingehackten alten Blättern über die Nacht ziehen und stehen lassen - und siehe da, am Morgen steht ein veritabler, aber natürlich kalter Schwarztee mit einer wirklich lebenserweckenden, aber auch ziemlich drastischen Bitterkeit auf dem Frühstückstisch. Insgesamt ist der Tee aus alten Blättern sicher weniger Fein, weniger fruchtig und floral, weniger rhabarbrig und eindeutig bitterer als der Tee aus Triebspitzen.
Und das ist auch gut so: Der Tee aus alten Blättern soll eine Notlösung, eine Notfallmassnahme sein, wenn der Frischtee aus dem eigenen Garten saisonal allzu sehr vermisst wird - aber eigentlich ist er Raubbau an der Teepflanze. Denn es sind gerade die alten ledrigen Blätter, die eine positive Energiebilanz haben, die die Energie produzieren, die es für die Stärkung der Pflanze, für die Herstellung der sekundären Inhaltsstoffe (z.B. des Theins) und für die Bildung neuer Triebspitzen braucht. Also nur sehr selten und vorsichtig mit älteren Bättern experimentieren.
Wieviele Blätter kann ich von Teestrauch Fresh-T® ernten und wann kann ich mit der Ernte beginnen?
Spätestens jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie viele Blätter man denn von einem Teestrauch ernten kann und wann die Ernte beginnt. Traditionell wird gesagt, dass Teesträucher 5 Jahre bis zur Erntereife brauchen, unsere Teepflanzen von Fresh-T® sind aber selber schon 2 bis 3 Jahre alt. Ich schlage deshalb vor, dass man sich in den ersten 2 Jahren im Wesentlichen auf eine oder zwei Teetassen pro Saison beschränkt, die natürlich dann auch von ihrer eigenen Knappheit profitieren und ein ganz spezielles Erlebnis bieten. Ab dem 5. Jahr kann dann der ganze Busch systematisch bis zu dreimal im Frühling und Frühsommeer beerntet werden, immer dann, wenn wieder neue Triebe und Triebspitzen entstanden sind.
Muss man einen Teestrauch schneiden?
Letztlich ersetzt die Ernte ein Stückweit den Schnitt, wir beeinflussen durch die ersten Ernten auch die Form, die wir unserem Teestrauch geben möchten. Am einfachsten ist es sicher, den im Frühling frisch getopften oder eingepflanzten Teestrauch sofort nach dem Pflanzen ca. 20 % zurückzuschneiden und das im zweiten oder allenfalls dritten Jahr zu wiederholen; damit provoziert man eine weitere Verzweigung, die dann für den ersten Probiertee abgeerntet werden kann und später den Strauch so weiterentwickelt, dass sich durch diese ersten Rückschnitte und später die regelmässigen Erntegänge so etwas wie ein Teepflanzen-Tisch bildet… Aber natürlich sind hier der Phantasie keine Grenzen gesetzt, letztlich kann man den Teestrauch schneiden und auch abernten wie und wo man will, auch die Bildung von Hecken oder von Figuren ist nicht ausgeschlossen. Also warum nicht den langweiligen Buchs oder Kirschlorbeer mit Tee ersetzen?
Der Blütentee - der spektakulärste Frischtee
Dass dem echten Tee zusätzliche Kräuter und Blütenblätter untergemischt werden, hat sicher schon eine lange Tradition, so lässt sich der Tee weiter aromatisieren, sicher spielten in der Vergangenheit auch finanzielle Überlegungen eine Rolle (Tee strecken…). In neuerer Zeit sind aus China auch die sogenannten Teeblumen zu uns gekommen, bei denen Teeblätter und getrocknete Blütenblätter zu fantastischen Blütenkunstwerken zusammengebunden sind, die im Teewasser auf wunderbare Weise aufgehen. Kleine Wunderwerke der Natur und der chinesischen Handwerkskunst - das Auge trinkt ja mit. Dabei sollen die Teeblumen zwar einzelne alte Traditionen der Teeherstellung aufnehmen, aber sie sind letztlich eine relativ moderne, auf den Exportmarkt ausgerichtete Erfindung.
Bild: Die Blüten der Camelia sinensis Teepflanze Fresh-T®
Dabei liest und hört man auffallend wenig über die wunderschönen Blüten des Teestrauchs selber. Ja, der Tee ist auch Blüten-mässig eine Kamelie! Die Teeblüten beginnen in unserem gemässigten nördlichen Kima zur Unzeit zu blühen, nämlich im Spätherbst bis zum frühen Frühjahr, aber bringen sicher eine zusätzliche frohe Abwechslung in den kahlen Garten. Was blüht schon um diese Zeit? Die Inhaltsstoffe der Teeblüten sind exakt die gleichen wie in den Teeblättern, wenn auch in einer etwas geringeren Konzentration, aber dafür kommen auch Farbe und zusätzliche Duftstoffe, ätherische Öle hinzu, die der Tee sonst nicht zu bieten hat.
Bild: Die Blüten eignen sich besonders gut für einen Tee
Für mich ist der Blütentee aus echten Teeblüten das schönste Teeerlebnis aus dem eigenen Garten. Was das Auge in den wunderschönen Blüten im gelbgrünen Teewasser noch nicht erkennen kann, das spüren dann Nase und Gaumen umso mehr: ein frucht-florales Teegesamterlebnis.