Während ein Schulgarten bei kleineren Kindern hauptsächlich das Naturerlebnis, die motorischen Fähigkeiten und die Allgemeinbildung fördert, bietet er für Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse viele Möglichkeiten fachliche und methodische Kompetenzen zu entwickeln. Der Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern erfordert Fachwissen und Geduld. Nur wer zur richtigen Zeit und am richtigen Ort sät und pflanzt, eine passende Bodenbearbeitung macht, die Pflanzen richtig pflegt und genug Geduld hat, hat am Ende eine gut Ernte. Im Schulgarten lernen Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I (5. bis 9. Klasse) gartenbauliches Fachwissen, während sie gleichzeitig Erkenntnisse über Biologie, Ökologie und Nachhaltigkeit erwerben.
Inhaltsverzeichnis
- Schneller Einstieg
- Gartenbau erlernen
- Gartengeräte
- Bodenpflege
- Beete anlegen
- Säen
- Pflanzenpflege
- Ernte
- Gärtnern im Rhythmus der Natur
- Der Garten als Ideengeber
- Schulgarten im Biologieunterricht
- Beobachten
- Bestimmen und Erfassen
- Arbeiten mit Lupe und Mikroskop
- Experimentieren
- Modelle erstellen
- Mathematik und Physik im Schulgarten
Schneller Einstieg
Für einen schnellen Einstieg in das Thema „Garten“ braucht nicht unbedingt ein kompletter Nutzgarten zur Verfügung stehen. Viele Gartenarbeiten und Experimente mit pflanzen können in Kistengärten, Quadratbeeten oder Hochbeeten durchgeführt werden. Auch geschlossene Ökosysteme wie Flaschengärten sind interessante Studienobjekte, die wenig Platz in Anspruch nehmen.
Weitere Gartenbuchtexte zum Thema Schulgarten:
- Schulgarten Teil 1: Geschichte, Praxis und Zukunft
- Schulgarten Teil 2: Der Nutzen von Schulgärten
- Schulgarten Teil 3: Ganz einfach und flexibel
- Schulgarten Teil 4: Schulgärten für Kindergärten und Grundschulen
- Schulgarten Teil 6: Schulgärten für die Sekundarstufe II
Gartenbau erlernen
Nachhaltige Anbaumethoden sind der Grund dafür, dass in Mitteleuropa seit Jahrtausenden Gemüseanbau, Ackerbau und Viehzucht auf den gleichen Flächen betrieben werden kann. Die Bodenfruchtbarkeit wurde in der römischen Antike durch die Zwei-Felder-Wirtschaft und seit dem Mittelalter (um 1100 n. Chr.) durch die Drei-Felder-Wirtschaft sichergestellt. Während eines der Felder Brache war und natürlicher Pflanzenwuchs als Weide für Tiere genutzt wurde, erholte sich der Boden und wurde durch die Tiere gedüngt. Nach dem Pflügen und Eggen gegen Unkräuter wurde in den folgenden Jahren auf der Fläche Wintergetreide und Sommergetreide ausgesät, bevor es wieder ein oder zwei Jahre brach lag. Im Gemüsegarten wurde mit Mist und Kompost gedüngt und es fand schon immer ein ständiger Flächenwechsel zwischen Wurzel-, Blatt- und Fruchtgemüse, Stark-, Mittel- und Schwachzehrern statt, damit sich Schaderreger nicht zu stark vermehren können. Durch diese Form der Kultur wird ein hoher Humusanteil im Boden erhalten, der für eine gute Wasser- und Nährstoffversorgung und ein gesundes Bodenleben wichtig ist. Die richtige Bodenpflege ist die Grundlage für den ökologischen Garten- und Landbau. Im integrierten Anbau werden ergänzend zu diesen Massnahmen bei Bedarf chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt, um wilde Beikräuter, sowie den Befall mit Pilzen und Schadinsekten unterhalb einer tolerierbaren Schadschwelle zu halten.
Im Schulgarten üben die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit Gartenwerkzeugen, lernen verschiedene Kulturpflanzen und ihre Ansprüche kennen, sammeln Erfahrung im Umgang mit Saatgut und beobachten die Entwicklung der Kulturen. Dabei gewinnen sie Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Erde, Wasser, Licht und Pflanze. Sie erleben wie die Früchte ihrer Arbeit gedeihen und in welcher Beziehung sie zur Umwelt stehen. Nachweislich hilft das, das Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln zu stärken und Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Das macht den Schulgarten zu einem wertvollen Baustein der Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Bild: Es muss nicht immer ein Gemüsebeet sein, auch Stauden können in einem Schulgarten gepflanzt werden.
Gartengeräte
Die passenden Gartengeräte für eine Aufgabe zu verwenden, erleichtert die Arbeit und schont die Pflanzen. Beispielsweise können Blumen für Sträusse mit einer Haushaltsschere geschnitten werden. Holzige Pflanzenteile schneidet man immer mit einer geeigneten, scharfen Gartenschere, damit die Triebe nicht gequetscht werden. Bei Ästen mit mehr als 2 cm Durchmesser sparen eine Astschere oder eine Säge viel Kraft. Auch Spaten, Grubber, Ziehhacke und Harke erfüllen alle unterschiedliche Aufgaben bei der Bodenbearbeitung. Im Schulgarten lernen die Jugendlichen diese Geräte, den sachgerechten Umgang mit ihnen und ihre Funktionen kennen.
Bodenpflege
Zur Bodenpflege gehören das Auflockern, Giessen, Düngen und Kalken, der Anbau in Mischkulturen, Kulturfolgen und Fruchtwechsel, sowie Grünbrachen und Schwarzbrachen. Das Ziel ist es das Auswaschen von Nährstoffen zu verhindern und den Humusanteil in der Erde zu erhalten oder sogar zu erhöhen. Die Entnahme und Analyse von Bodenproben dienen zur Kontrolle.
Beete anlegen
Beete für die geplanten Kulturen müssen angeeigneten Stellen (sonnig oder halbschattig) angelegt werden. Sie sollten nicht breiter als 120 cm sein, damit die Kinder sie vom Weg aus bearbeiten können, ohne in sie hineintreten zu müssen. Arbeitswege mit einer Breite von 30 cm und breitere Zugangswege müssen mit eingeplant werden. Ein Massstab und Schnüre zum Markieren gerader Linien sind dabei hilfreich. Mit einer Karte vom Schulgelände können der Schulgarten und die Bepflanzung im Winter auf dem Papier geplant werden.
Säen
Bereits ab Februar ist es möglich, die ersten Pflanzen in Töpfen oder Aussaatschalen vorzuziehen. Kältetolerante Arten wie Ackerbohnen können dann auch schon im Freiland ausgesät werden. Bei den verschiedenen Kulturen sind Aussaatzeiten, Aussaattiefe und Abstände zu beachten, damit sich die Pflanzen gut entwickeln und nicht unter Kälte und Hitze leiden oder vorzeitig in Blüte schiessen. In der Mischkultur müssen passende Partner gewählt werden. Bei der Planung von Kulturfolgen berücksichtigt man die Verwandtschaftsverhältnisse, damit sich keine Nachbauprobleme entwickeln.
Bild: Ein Kräuterbeet ist leicht zu bepflanzen.
Pflanzenpflege
Sämlinge müssen durch verziehen, pikieren oder verpflanzen vereinzelt werden. Stehen die Jungpflanzen im Beet, ist regelmässiges Giessen Pflicht. Wildwachsende Beikräuter müssen entfernt werden, damit diese mit den Kulturen nicht um Licht, Wasser- und Nährstoffe konkurrieren. Treten Mangelsymptome auf, ist eine gezielte Düngung notwendig. Gegen Schädlinge und Krankheiten helfen Pflanzenbrühen Jauchen als Stärkungsmittel. Nisthilfen und Verstecke für Nützlinge tragen dazu bei die Kulturen zu schützen. Beerensträucher und Obstbäume müssen fachgerecht geschnitten, werden damit sie Blüten und Früchte bilden.
Ernte
Der richtige Erntezeitpunkt ist für den Ertrag und den Geschmack bei Obst und Gemüse wichtig. Nicht bei allen Kulturen ist der so leicht zu erkennen wie bei Kopfsalat oder Radieschen. Im Schulgarten können die Schülerinnen und Schüler Erfahrungen mit verschiedenen Kulturen wie Prinzessbohnen, Schnippelbohnen, Brechbohnen und Trockenkochbohnen, Kaiserschoten, Zuckererbsen und Markerbsen, Auberginen oder Mais sammeln. Auch der richtige Umgang mit der Grabegabel beim Roden von Kartoffeln, Rüben, Rettich, Pastinaken und Karotten erfordert Übung.
Gärtnern im Rhythmus der Natur
Wetter, Klima und Jahreszeiten wechseln je nach Region unterschiedlich. Zum Beispiel beginnt die Apfelblüte am Bodensee bereits ab Ende März - im Alten Land aber erst Anfang Mai. Der Frühling zieht von Süden nach Mitteleuropa und der Herbst beginnt im Norden früher. Es ist darum sinnvoll sich mit Aussaat und Pflanzung nach den gegebenen Verhältnissen zu richten und weniger nach dem Kalender. Dabei hilft ein phänologischer Gartenkalender. Er ist in 10 Jahreszeiten unterteilt, deren Beginn hauptsächlich durch die Blütezeit oder die Fruchtreife bestimmter Pflanzen definiert ist.
- Vorfrühling: Hasel-Blüte
- Erstfrühling: Forsythien-Blüte
- Vollfrühling: Apfel-Blüte
- Frühsommer: Holunder-Blüte
- Hochsommer: Sommerlinden-Blüte
- Spätsommer: Reife von Frühäpfeln
- Frühherbst: Reife der Holunderbeeren
- Vollherbst: Reife der Stieleicheln
- Spätherbst: Eichenblätter färben sich
- Winter: Laubbäume sind kahl
Die richtige Zeit, um Tomaten, Auberginen und Kürbisse im Haus vorzuziehen, ist wenn im Erstfrühling die Forsythien blühen. Ins Freiland gepflanzt werden können die frostempfindlichen Gewächse aber erst, wenn die Apfelbäume und der Flieder blühen.
Werden im Schulgarten bzw. auf dem Schulgelände die entsprechenden Zeigerpflanzen kultiviert, kann die Anbauplanung ganz auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmt werden. Dadurch erhöht sich nicht nur die Artenvielfalt auf dem Schulgelände, sondern auch die Artenkenntnis der Schülerinnen und Schüler. Zusätzlich wird ihre Aufmerksamkeit vom Garten auf die ihn umgebende Natur erweitert und das Zusammenspiel zwischen Klima, Wetter und Pflanzenwachstum veranschaulicht.
Der Garten als Ideengeber
Ein Schulgarten ist aber nicht nur der Ort, an dem gegärtnert wird. Er liefert Themen und Anregungen für alle naturwissenschaftlichen Fächer. Wetter, Licht und Schwerkraft sind physikalische Phänomene. Boden- oder Wasseranalysen haben ihren Platz in der Chemie. Die Mathematik beschäftigts sich mit Massen und Gewichten. Aber auch die Kunst wird durch Gärten inspiriert. Monet, Renoir, Picasso und andere berühmte Maler schufen Werke mit Gartenansichten und Stillleben mit Blumen. Im Schulgarten finden Lehrkräfte, Schüler und Schülerinnen rund ums Jahr Material und Inspiration für den Kunstunterricht oder Literaturprojekte. Aber vor allem lohnt sich der Schulgarten für die Biologie.
Bild: Im Schulgarten lassen sich mit einfachen Mitteln Lebensräume für Lebewesen schaffen.
Schulgarten im Biologieunterricht
Die Biologie beschäftigt sich mit Lebewesen und ihrer Beziehung zueinander. Dadurch ist der Garten eine Fundgrube für dieses Schulfach. Angefangen von Artenkenntnis, über Anatomie von Tieren bis hin zur Bionik und Ökologie eignet sich im Schulgarten alles als Anschauungsmaterial.
Beobachten
- Verhalten von Käfern, Bienen, Eichhörnchen…
- Arten der Fortbewegung
- Singvogelzählung am Futterhaus
- Futterpflanzen von Raupen und Faltern
- Geschwindigkeit von Schnecken messen
- Aktivität von Regenwürmern
- Leben auf dem Rasen, der Wiese und im Wildblumenbeet
- Vergleich von Kletterpflanzen (Haftscheiben, Ranken, Spreizklimmer)
- Links- und rechtswindende Pflanzen (Gartenbohne, Hopfen)
- Vögel am Nistkasten
Bestimmen und Erfassen
- Kartieren des Geländes und einzeichnen der Gehölze
- Baumrallye zum finden und bestimmen markierter Bäume und Sträucher
- Bestimmen der Pflanzen und Tiere im Schulgarten
- Monatliche Visite: Was blüht, krabbelt und fliegt gerade?
- Erstellen eines Baumlehrpfades
- Pflanzen in Fugen
- Erstellen eines Herbars
- Tiere unter Steinen und Holz
Arbeiten mit Lupe und Mikroskop
- Insekten, Spinnen und Asseln in der Becherlupe
- Löwenzahnsamen, Insektenflügel, Blütentaub, Feder und anderes unter der Lupe
- Mikroskopieren von Zellen aus Moosen, Zwiebelheuten oder Wasserpestblättern
Experimentieren
- Pflanzen wachsen zum Licht und nach oben
- Verdunstung
- Wirkung von Dünger und Wasser
- Asseln suchen dunkle Verstecke
- Pflanzen wehren Feinde ab
Modelle erstellen
- Pflanzenzelle aus einem Schuhkarton, Pappmaschee und Knetgummi
- Blütenmodelle
- Löwenzahn- und Ahornsamen als Flugmodell
Mathematik und Physik im Schulgarten
Im Garten gibt es viel zu messen, zu berechnen und zu erfassen; Temperaturkurven, Niederschlagsmengen, Verdunstung, Wasserbedarf, Wachstumsgeschwindigkeiten, Flächenertrag, ….
Die Schülerinnen und Schüler könnten eine Wetterstation bauen, Temperaturunterschiede zwischen bepflanzten und versiegelten Flächen, schattigen und sonnigen Stellen oder zwischen Bodenbeeten und Hochbeeten erfassen. Schlämmproben und Fingerproben geben Aufschluss über die Zusammensetzung des Bodens. Es muss berechnet werden, wie viel Dünger oder Mulch benötigt werden oder auch wie viele Tomatenpflanzen Platz im Beet haben.
Kunst, Literatur und Handwerk zwischen Pflanzen
Pflanzen und Tiere im Garten eigenen sich gut für Beschreibungen aller Art. Egal ob es sachliche Zusammenhänge sind oder Stimmungen, die wiedergegeben werden sollen, der Garten bietet ständig wechselnde Themen vom warmen Frühlingsregen bis hin zum Raureif im Herbst. Naturgetreue Zeichnungen und Nachbildungen oder Verfremdungen und fantastische Modelle können vom Schulgarten inspiriert, aber auch in ihm präsentiert werden. Fächerübergreifend lässt sich der Schulgarten auf Plakaten, in Blogs, Vlogs, Podcasts oder Präsentationen vorstellen. Vergrösserte Modelle von Würmern oder Insekten veranschaulichen Details, die sonst so klein sind, dass sie leicht übersehen werden. Im Werkunterricht bauen die Kinder Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, Bienenhotels, Pflanzkisten, Hochbeete und Rankgerüste, während sie den Umgang mit Gliedermassstab und Werkzeugen erlernen.