Unser Leser Herr Schmid beteiligt sich an der regen Diskussion und weist darauf hin, dass es ja schon Pflanzen gebe, die zum Beispiel der Landwirtschaft schaden. Er fordert, hier müsste die Information von den Vertreibern verstärkt werden (eventuell auch durch Warnbinden), sonst müsste er ein Verbot unterstützen. Ansonsten setzt Herr Schmid auf Selbstverantwortung und ist gegen generelle Verbote. In der Antwort zeigen wir auf, dass wir mit klaren Vertriebsverboten leben könnten, die eben nur die Handelsfreiheit betreffen und nicht das grundlegende Eigentumsrecht. Die Gesetzesvorlage schafft aber die Grundlage für generelle Verbote… Die Schaffung verschiedener Klassen von 'verbotenen Pflanzen' lehnen wir ab, weil das uferlos wird. Vertriebsverbote könnten bei Pflanzen gelten, bei denen es einen gesellschaftlichen und auch wissenschaftlichen Konsens gibt, dass die Schäden grösser sind als der potentielle Nutzen. Bei alledem sollten wir aber nicht vergessen, dass nicht Gärtner oder Baumschulen die wesentlichen Treiber der Pflanzen- und Tierwanderung sind: Es ist der Mensch selber, der mit der Globalisierung die Waren, aber auch die Pflanzen, Tiere und die Menschen schneller 'fliessen' lässt… Der Dynamik ist mit Verboten grundsätzlich nur schwer beizukommen.
Sehr geehrter Herr Kobelt
Vielen Dank dass Sie diese Thematik der "gefährlichen Pflanzen" in Ihrem Newsletter aufgegriffen haben.
Ich denke, der Kunde soll entscheiden können, was er wo kauft und pflanzt (Eigenverantwortung!).
Allerdings müsste auf Seite der Verkäufer auch auf die potentiellen Gefahren entsprechend hingewiesen werden!
Für die Landwirte z.B. ist das Mandelgras so eine Sache. Es gibt meines Wissens aktuell kein oder nur wenige Herbizide die selektiv diesem "Unkraut" zu Leibe rücken und offiziell verwendet werden dürfen (Zulassung).
Da macht es einem schon etwas stutzig (oder eben auch trotzig...), wenn solche Pflanzen via Händler nach wie vor in Umlauf gebracht werden.
Die Blaudistel ist auch so ein Beispiel. Beim Eigenheimbesitzen im Garten eine cool aussehende, imposante und schön blühende Pflanze. - Am Mark zum eigenen Kulturland gesetzt aber nicht wirklich sexy, v.a. dann nicht, wenn der Besitzer die Samenstände verblühen und absamen lässt und im Jahr darauf zig solcher Disteln in der eigenen Wiese zum Vorschein kommen. Da gäbe es noch zig andere Pflanzen die zu erwähnen wären, bei denen der Konsument schlicht weg nicht über die "Vor- und Nachteile" der Pflanze informiert wird und dass man halt die Blütenstände (z.B. Sommerflieder, Disteln etc.) nach dem blühen abschneiden und via Müll (und nicht Kompost...) entsorgen müsste.
NUR, ich denke es muss in der Verantwortung des Einzelnen sein, entscheiden zu dürfen ob er solche Pflanzen will oder nicht, ABER NUR wenn die Verkäuferschaft endlich aktiv wird und die Konsumenten über potentielle "Gefahren" und die Vermeidung von ungewollter Vermehrung solcher Pflanzen INFORMIERT. Und da müssen Sie Hr. Kobelt mir sicher Recht geben, hat Ihre "Gilde" diese Informationspflicht "milde ausgedrückt" komplett verschlafen.
Ja, ich bin gegen ein solches Verbot aber NUR, wenn Sie und Ihre Kollegen endlich auf die Gefahren solcher invasiven, extrem schnell sich vermehrenden und u.U. fast nicht mehr beseitigbaren Pflanzen informieren. Ja, auch wenn Sie dann halt zusätzlich ein "Warnschildchen" an Ihre Pflanzen binden müssen. Die Alternative wäre (logischerweise...) ein pauschales Verbot - denke der Ball liegt bei Ihnen, wo das enden wird.
Mit freundlichen Grüßen
und danke für das Aufgreifen dieser Thematik
Peter Schmid
Sehr geehrter Herr Schmid
Besten Dank für das Feedback.
Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass es Pflanzen gibt, bei denen ein gesellschaftlicher und allenfalls auch agronomisch-biologischer Konsens herrscht, dass ihre Nachteile grösser sind als ihre Vorteile. Dann macht es Sinn sie zu bekämpfen. Das ist aber dann grundsätzlich kein anderer Vorgang als Jäten: Ich entferne die Pflanzen, die mir nicht passen, die nicht in mein Konzept passen.
Das ist im Garten sinnvoll, das wird in der Landwirtschaft grossflächig gemacht mit allen möglichen Mitteln, und in der Restnatur (die ja auch menschen-gemacht ist) kann man das auch versuchen, wenn man denn will. Man wird nur in den meisten Fällen keinen nachhaltigen Einfluss haben – es sein denn, man würde den ungewünschten Pflanzen grossflächig mit Chemie zu Leibe rücken. Im Schweizer Parlament gibt es tatsächlich einen Vorstoss, ob man entlang von Bachläufen nicht grossflächig systemische Herbizide à la Roundup einsetzen sollte, um die invasiven Neophyten zu bekämpfen… Sie sehen, da wird es dann schon ziemlich fragwürdig, und es ist eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand gefragt, um im selbsterklärten Krieg gegen die unerwünschten Fremdlinge nicht das Augenmass zu verlieren. Und noch etwas: Bei solchen Bekämpfungsmassnahmen geht es nicht um eine irgendwie ursprüngliche Natur, sondern immer um ein sehr (und manchmal allzu sehr) menschliches Konzept, wie denn die Natur auszusehen habe. Denn hier in Mitteleuropa ist auch 95% der sogenannten Natur menschen-gemacht…
Gesunder Menschenverstand und Gesetze sind leider fast systematische Gegensätze, weil die letzteren halt stur und stabil, und eben nicht flexibel sind. Das Gesetzt führt insofern zu einer neuen Qualität, indem Pflanzen grundsätzlich verboten werden, und in der Folge die Eigentumsrechte unter Hinweis auf die Bekämpfung verletzt werden können. Ein solches Gesetz wird nicht nur sehr teuer und in der Praxis sehr schwer umsetzbar sein, es wird vor allem Unfrieden zwischen Staat und Bürgern und zwischen den Bürgern selber verstärken. Solches sollten wir ohne sehr gute Gründe nicht machen, unsere Gesellschaft braucht Kitt, und nicht Sprengstoff.
Dann zu den Warnhinweisen: Ich könnte durchaus akzeptieren, dass es aufgrund von agronomisch-biologischen Abwägungen und aufgrund eines gesellschaftlichen Konsenses Vertriebsverbote gibt. Entweder darf ich eine Pflanze vertreiben, oder nicht. Damit kann ich gut leben und das ritzt dann auch nicht das für unsere Freiheit entscheidende Eigentumsrecht (nur die weniger wichtige Handelsfreiheit…). Die Ausweitung von Pseudoverboten auf 4 oder 5 unterschiedliche Gefahrenklassen, die dann mit Warnverboten etc. angeboten werden müssen, ist letztlich nur lächerlich, faktisch kaum durchführbar, und führt vor allem dazu, dass man sich nicht sogfältig genug überlegt, was auf die Listen kommt. Die Listen werden dann viel zu lang und damit auch unglaubwürdig.
Und dann das allerletzte Argument meinerseits😉, Dass eine Pflanze neu, ausländisch und erfolgreich ist, ist kein Grund, sie über ein Vertriebsverbot zu verbieten. Es braucht den Nachweis, dass sie andere Pflanzen über Gebühr verdrängt (was übrigens ganz selten der Fall ist) oder grossen Schaden an Mensch und Tier verursacht. Letztlich muss der Schaden ganz klar und nachweisbar grösser sein als der Nutzen.
Fazit:
- Ja, Vertriebsverbote sind gegebenenfalls möglich und auch sinnvoll.
- Nein, wir sollten keine X Klassen von gefährlichen Individuen führen, weil das automatisch ausufert.
- Vertriebsverbote sollten sich auf Pflanzen beschränken, deren Schaden ganz eindeutig grösser ist als ihr Nutzen; Pflanzen die einfach nur neu, ausländisch und erfolgreich sind, gehören nicht automatisch auf diese Liste. Und ein blosser Verdacht reicht auch nicht, weil wir aufgrund unserer Herkunft und Erfahrung als Menschen psychosozial dazu neigen, das Fremde und neue abzulehnen.
Vergessen sollten wir auch nie, dass es wir alle sind, die Pflanzen verbreiten: Es ist die Globalisierung, es ist der Tourismus, es ist der Verkehr, und es sind auch Vögel und Insekten. Der menschliche Einfluss, den man gerne unter Globalisierung zusammenfasst, führt ganz eindeutig dazu, dass sich Pflanzen und auch Tiere schneller bewegen als vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden. Das ist ganz sicher nicht ohne Risiken und auch Gefahren. Aber es ist auch eine der wenigen Chancen, die wir hier, im Zeitalter des Anthropozän, der menschen-gemachten Welt haben: Nur wenn sich die Evolution 'beschleunigt', sind die Lücken und Verluste wettzumachen, die der Mensch verursacht.
Herzlichen Dank
Markus Kobelt