Sie sind die grosse Entdeckung der Saison: Süsskartoffeln, die hierzulande eigentlich nur als Zierpflanzen beim Sommerflor verkauft werden, beglücken uns in der Küche mit zartem Blätterspinat und grossen, leckeren Knollen.
Vor nunmehr vier Jahren habe ich zum ersten Mal eine schwarzlaubige Süßkartoffel selber gezogen. Da ich sie als Zierpflanze betrachtete, pflanzte ich sie zusammen mit roten Pelargonien in ein Balkonkistchen. Das dunkle Laub sah zusammen mit den feuerroten ‘Stadt Bern’ umwerfend aus, und ich freute mich außerordentlich über diese dramatische Sommerflorkombination. Umso überraschter war ich dann, als ich im Herbst das Kistchen leerte, um alles auf den Komposthaufen zu werfen. Dabei fielen mir mehrere, ordentlich große Süßkartoffelknollen in die Hände. Hoppla! Erst in dem Moment ist mir klar geworden, dass diese so hübsche Zierpflanze ja eben eigentlich ein Gemüse ist. Da ich sowieso nur biologisch dünge, hatte ich keine Bedenken, sie in der Küche auszuprobieren. Und voilà - sie sahen nicht nur aus wie Süßkartoffeln, sie schmeckten auch wie ganz normale Süßkartoffeln.
Inzwischen werden im Gartenfachhandel jeweils im Mai überall stecklingsvermehrte Jungpflanzen der Süsskartoffeln angeboten. Wenn ihr welche davon gezogen habt diesen Sommer, dann könnt ihr jetzt schauen, was die Knollen in der Küche taugen. Theoretisch kann man Süsskartoffelpflanzen auch wie Dahlien überwintern, aber der Aufwand lohnt sich nicht. Lieber esse ich sie auf, und besorge dann im Frühling wieder neue Sorten, es gibt ja inzwischen ein breites Angebot, und ich probiere dann gern wieder andere Züchtungen aus. Tatsächlich haben sie je nach Sorte äußerst dekoratives dunkelviolettes, schwarzes, kupferfarbenes oder leuchtend hellgrünes Laub.
Ja, das Laub! Das ist mir erst dieses Jahr klargeworden als ich mal in Kochbüchern aus aller Welt schmökerte. Das Laub der Süsskartoffeln ist nämlich ebenfalls essbar. In vielen afrikanischen Ländern wird das Laub wie Spinat zubereitet und oft als Beilage zu den gebratenen Knollen serviert. In Sambia beispielsweise wird aus Süßkartoffellaub das Blattgemüse Kalembula zubereitet. Die Blätter werden zusammen mit gehackten Tomaten gekocht und mit Maisbrei serviert. Als Variante kann man noch gemahlene Erdnüsse daruntermischen. Meinerseits habe ich das Süsskartoffellaub einfach wie Spinat zubereitet. Es schmeckt angenehm milde, und die Kinder assen es auch gerne.
Den ganzen Sommer über kann regelmäßig etwas Laub geschnitten und als Blattgemüse zubereitet werden. Es wird stets in gekochter Form gegessen, und nicht als Salat. Nun ist natürlich die Frage, wie viel Laub man ernten kann, damit die Pflanzen dann immer noch genug Kraft haben, um auch ordentliche Knollen zu bilden. Ich habe jeweils etwa ein Drittel der Ranken in der Hälfte abgeschnitten. Wenn man sie regelmäßig auf diese Weise beerntet, werden die Pflanzen auch buschiger, doch blühen sie dann nicht. Das ist aber nicht weiter schlimm, da die Blüten der Süßkartoffeln unscheinbar sind, ähnlich wie Kartoffelblüten. Ihr zartes Violett geht eher unter in der Masse des Laubes. Darum finde ich in diesem Fall: lieber regelmäßig leckeres Blattgemüse essen statt auf die Blüten warten, die dann eh nicht viel hermachen.
Die Knollen werden im Herbst geerntet, vor dem ersten Frost. Wenn sie im Topf kultiviert werden, einfach alles umkippen - die alte Erde kommt ja sowieso auf den Kompost. Wachsen die Pflanzen im Beet, mit der Grabegabel vorsichtig den ganzen Wurzelballen herausheben und die Knollen heraussuchen. Selber gezogene Süßkartoffeln halten sich mitunter nicht sehr lange. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sie oft kleiner sind als diejenigen, die wir im Laden kaufen. Dafür haben sie lustigere Formen. In Töpfen und Balkonkästen wachsen sie oft im Kreis herum und bilden dann Kringel oder gipfelförmige Gebilde.
Nun gibt es aber neue Züchtungen (erhältlich bei lubera.com), die besonders grosse Knollen bilden. Ich konnte dieses Jahr einige gelbfleischige ‘Bonita’ ausprobieren sowie die spektakuläre ‘Burgundy’, eine dunkelrote Süßkartoffeln mit leuchtend orangem Herz. Ihre Knollen werden zum Teil über ein Kilo schwer! Diese großen Exemplare sollten aber nicht sofort verspeist, sondern richtig auf die Lagerung vorbereitet werden. Im Englischen nennt man diesen Vorgang "curing", auf Deutsch heißt das so viel wie heilen. Die frisch geernteten Knollen werden dabei zur weiteren Umwandlung von Stärke in Zucker einige Wochen an einem warmen Ort bei 20 - 25 °C mit hoher Luftfeuchtigkeit gelagert. Ideal ist ein Fensterbrett über der Heizung mit Wasserschalen neben den Knollen. Bei dieser "Heilung" verbessert sich der Geschmack, die Süßkartoffeln werden süßer. Und sie bilden äußerlich eine verdickte Schicht schützender Zellen. Nach dieser Vorbehandlung werden sie gut aussortiert. Verletzte Exemplare bald aufbrauchen, da sie rasch faulen würden. Die anderen aber können nun sorgfältig in Zeitungspapier eingewickelt und in Kisten bei 12 – 15 °C gelagert werden. Auch hier ist eine hohe Luftfeuchtigkeit von Vorteil. Wenn man dabei alles richtig macht, können sie auf diese Weise bis zum nächsten Frühling aufbewahrt werden.
Guter artikel
dann wird Burgundy dieses Jahr mal früher angeknabbert. An die Blätter hatten wir uns bisher noch nicht gewagt um die Ernte der Wurzeln nicht zu gefährden.
Kleinen Anmerkung, die Briten heilen sie Kartoffeln nicht sondern sie machen sie haltbar. Curing hat im Englischen mindestens drei Bedeutungen.