Diesen klimakterischen Reifeprozess kennen wir auch vom Apfel, aber bei der Birne läuft er deutlich beschleunigt und dynamischer ab. Vor allen Dingen kann der einmal begonnene Reifeprozess, der dann innerhalb von 4-14 Tagen zu einer butterweichen, nur noch jetzt und hier geniessbaren Frucht führt, nicht mehr aufgehalten werden.
Aus dieser speziellen Eigenschaft der Birne ergibt sich eine interessante Widersprüchlichkeit: Je früher ich eine Birne ernte, je weiter entfernt der Erntezeitpunkt von der Genussreife am Baum ist, desto länger kann die Birne gelagert, desto später kann sie dann künstlich nachgereift und genossen werden. Das heisst praktisch: Die am frühesten geernteten Birnen esse ich am spätesten, die später geernteten Birnen muss ich früher geniessen, und die am Baum reif gewordenen Früchte kann ich kaum nach Hause tragen, wenn ich nicht will, dass sie zu Matsch werden.
Natürlich möchten Sie das jetzt noch etwas genauer wissen, aber die Reifedynamik bei der Birne ist so komplex und von verschiedenen sich überlagernden Faktoren (Temperatur, Lage, Ethylen, Erntezeitpunkt, andere Früchte in der Umgebung) abhängig, dass sie nicht in eine feste Regel pro Sorte gefasst werden kann. Dennoch würde ich im Garten folgende Vorgehensweise vorschlagen: Warten Sie bei der ersten Ernte einer neuen Birnensorte in ihrem Garten die Essreife am Baum ab. Ernten und geniessen sie die Früchte also erst, wenn die grüne Grundfarbe etwas gelb aufhellt und wenn das Fruchtfleisch auf Daumendruck etwas nachgibt. Nicht vergessen, die so spät geernteten Früchte müssen sofort, innerhalb von 1-3 Tagen gegessen werden. Dieser Erntezeitpunkt gibt Ihnen nun für die folgenden Jahre – unter Miteinbezug des Vegetationsverlaufs – einen guten Anhaltspunkt, wann die Ernte zu erfolgen hat. Wählen Sie dann in den Folgejahren einen Erntezeitpunkt ca. 2-3 Wochen vor der Baumreife und damit erhalten Sie dann mit ziemlicher Sicherheit Früchte, die bei 5-10 Grad gut gelagert werden können. Auch in diesem Klima werden sie irgendwann natürlich essreif werden, aber der Prozess kann je nach Bedarf beschleunigt werden, indem Sie die bald zu verzehrenden Birnenfrüchte in eine Fruchtschale in der temperierten Wohnung legen und den Reifeprozess je nach Gutdünken mit zusätzlichen reifenden Früchten (Bananen, Apfel) beschleunigen, die den Etyhleneffekt noch steigern.
Noch ein abschliessender Tipp: Birnen produzieren im natürlichen Reifeprozess, aber auch im Kellerlager, besonders viel Ethylen. Sie beschleunigen also auch den Reifeprozess bei anderen mitgelagerten Früchten (z.B. Kiwi oder Apfel). Wenn man also die Lagerdauer dieser Früchte nicht gefährden möchte, sollte man sie möglichst nie gemeinsam mit Birnen lagern. Umgekehrt kann man sich bei der künstlichen Nachreife diese Fähigkeit der Birnen zunutze machen und sie bewusst einsetzen, um andere Früchte – ich mache das häufig mit Kiwi – schneller nachreifen zu lassen.
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