Ob süsse sonnengereifte Tomaten, ein verführerischer Apfel, ob Feigen, Granatäpfel oder Passionsfrüchte – die Früchte, denen eine erotische oder romantische Bedeutung zugeschrieben wird, sind zahlreich. Und zum guten Glück sind viele von ihnen recht einfach im eigenen Garten oder auf dem Balkon zu kultivieren. Stürzen wir uns also in das Abenteuer der Liebesfrüchte – oder heissen sie am Ende so, weil wir so viel Liebe und Hingabe auf ihre Kultivierung verwenden?
Inhaltsverzeichnis
Unmittelbar aus dem Paradies
Tomaten (Solanum lycopersicum) hiessen früher nicht umsonst umgangssprachlich "Liebesäpfel". Heute ist diese Bedeutung leider verloren gegangen, weil die Tomaten zur Massenware geworden sind. Aber wer seine Tomaten selber im Garten anbaut weiss, wie wunderbar dieses beliebte Gemüse eigentlich schmeckt. Angesichts einer von der Sonne warmen, überreifen Tomaten kann man sich schon vorstellen, dass dies eigentlich Früchte der Liebe sind. Tatsächlich sind die Tomaten ja die harmlosen Verwandten der giftigen, legendären Liebeszauberpflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse. Dank ihres hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalts wirken sie anregend, ohne aber gefährlich zu sein. Lycopersicum war der Legende nach der Türsteher im Tempel der Venus in Pahops. Das zumindest berichtet Louis Liger im Jahr 1716 in seinem "Historischen Blumengärtner". Besuchern und Opfernden, die ihm zu wenig würdig erschienen, liess er nicht eintreten. Eines Tages stürmten Eindringlinge in den Tempel und schlugen ihn nieder. Er wurde am Kopf getroffen und fiel tot zu Boden. Venus liess daraufhin aus seinem Blut eine Tomatenpflanze gedeihen. Auch in Mexiko, der Heimat der Tomatengewächse, wurden die Tomaten mit Blut, Furchtbarkeit und Lebenskraft in Verbindung gebracht. Dies einerseits wegen der roten Farbe, gewiss aber auch, weil sie so viele Samen enthalten. Als die ersten Tomaten im 16. Jahrhundert nach Europa gebracht wurden, galten sie zuerst nur als Zierpflanzen - und als Aphrodisiakum. Man sagte ihnen nach, sie würden Liebeswahn und verwerfliche Praktiken auslösen. Bis heute gilt Tomatensaft als Liebestrank, und die Tomate ist das Sinnbild von Hoffnung und der Anspielung, mit der Tür ins Haus fallen zu wollen. In der "Lehre von den Freuden der Tafel" lobte Baron Eugen von Vaerst die Qualität der Tomaten folgendermassen: "Dies ist eine Frucht, die wohl unmittelbar aus dem Paradies zu uns gekommen sein muss, und sie ist gewiss der Apfel gewesen, den Paris der Venus bot, sehr wahrscheinlich auch der, welchen die Schlange zur Versuchung Evas anwendete." Mal abgesehen davon, ob der Apfel nun eine Tomate war oder doch ein Apfel – gibt es im Garten kaum einen grösseren Genuss als sonnenreife Tomaten aus eigenem Anbau. Für diese Früchte ist kein Aufwand zu klein!
Liebevolles Zureden und Streicheln
Meinerseits habe ich nur wenig Platz und ausserdem gärtnere ich derzeit für Tomaten etwas ungünstig auf 1300 m im Berner Oberland. Nichtsdestotrotz wird kein Versuch ausgelassen, wird keine Mühe gescheut, um auch hier oben wenigstens ein paar eigene Tomaten heranzuziehen. Schon Anfang März werden die Kostbarkeiten unter einer speziellen Pflanzenlampe ausgesät – im Schlafzimmer. Dort ist es etwas kühler als im übrigen Haus, und vor allem ist dort genug Platz für einen Pflanztisch vor dem Fenster. Das ist ja auch ganz romantisch, so eine Liebesäpfel-Anzuchtstube vom Bett aus vor der Aussicht! Und schliesslich gilt beim Heranziehen von eigenen Tomatensämlingen ebenso wie bei fast allem anderen im Garten oder auf dem Balkon auch: Wie schrullig eine Methode oder Kultivierungstechnik auch erscheinen mag – Hauptsache es funktioniert! Jeder Gartenmensch, den man auf seine oder ihre Lieblingstomaten anspricht, wird ein anderes Rezept zur Anzucht und Pflege derselben zum Besten geben. Die einen schwören auf Plastikhauben, die anderen setzen Tagetes rund um die Tomatenstauden oder düngen mit Guano, und dritte reden ihren Tomaten bloss gut zu. Streicheln und liebkosen ist übrigens gut für schöne Tomaten! Wie inzwischen auch die Wissenschaft bewiesen hat, reagieren Pflanzen nämlich sehr wohl auf Berührungen. Ziemlich sicher hören sie auch, wenn wir mit ihnen reden. Zumindest nehmen sie gewiss die Schwingungen wahr und ziehen daraus vielleicht ihre Schlüsse. Darum ist es sicher nicht verkehrt, wenn wir mit unseren Tomatenstauden recht freundlich und liebevoll kommunizieren. Die Tomatenpflanzen leicht zu streicheln oder gar ein wenig zu schütteln macht übrigens vor allem dann Sinn, wenn sie in einem Gewächshaus oder unter einer Tomatenhaube wachsen. Durch das Schütteln und Berühren werden die Blüten nämlich besser bestäubt, was zu mehr Tomaten führt. Und so wird den Tomaten alle Liebe zuteil, die wir einer Pflanze nur zu schenken vermögen. Ob all dieser Mühe bewahrheitet sich die Bedeutung einer Frucht der Liebe doppelt – natürlich gäbe es kaum etwas Schöneres, um den oder die Angebetete zu verführen, als sonnenwarme, süsse Tomaten aus dem Eigenanbau. Und eine Frucht der Liebe sind diese eben auch, weil wir so viel Liebe, Umsicht und sorgende Pflege in ihren Anbau stecken.
Bild: Die schwarzorange Heirloom-Tomate 'Lucid Gem' ist Verführung pur.
Avalon – das Apfelland der ewigen Jugend
Mit einem Apfel (Malus x domestica) hat die Schlange Eva verführt, worauf der Bibel zufolge die ersten Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden. Die Heiligen Haine Aphrodites waren mit Apfelbäumen bepflanzt, und im alten China wurden die Prostituiertenviertel "Pingkang" genannt, was so viel heisst wie "Apfelbett." In so gut wie allen Kulturkreisen ist der Apfel Symbol für die Göttinnen der Liebe und der Fruchtbarkeit. Er ist Aphrodite und Venus gewidmet, Frigg und Idun und auch Shiva. Maria hält auf vielen Darstellungen ebenfalls einen Apfel in der Hand, den sie dem Jesuskind reicht. Die Kelten schreiben Äpfeln magische Kräfte zu, und Avalon, das Land der ewigen Jugend, hiess bei den Kelten auch schlicht Apfelland. Anderseits bezieht sich das lateinische Sprichwort "Malum ex malo" (Alles Unheil kommt vom Apfel) wiederum auf den biblischen Sündenfall. Das lateinische Wort für Apfel, Malus, ist das Synonym für das Böse schlechthin. Allerdings wird heute angenommen, dass eine andere Frucht Anlass für den biblischen Sündenfall bot. Denn die Benennung der Pflanzen hat sich durch die Jahrtausende gewandelt. In der uns heute bekannten Form gab es im frühen antiken Griechenland, in Israel und in Ägypten nämlich gar keine Äpfel.
Bild: Der Apfel ist durch alle Kulturen und Zeiten hindurch vielen verschiedenen Göttinnen gewidmet. Hier leuchtet verführerisch ein Äpfelchen der Sorte 'Paradis Julka'.
Und wenn der Apfel gar kein Apfel war?
Mit einiger Wahrscheinlichkeit könnte es sich tatsächlich um einen Granatapfel gehandelt haben. Diese sind seit über 5000 Jahren das Symbol von Liebe und Leidenschaft, sowie von körperlicher, aber auch geistiger Fruchtbarkeit. Die Liebesgöttinnen der Alten Welt wurden mit Granatäpfeln gesegnet. Zeus soll seiner Hera einen Granatapfel gereicht haben. Denn diese Frucht gilt auch als Symbol der Brautnacht. Früher mischten junge Mädchen einige Tropfen Granatapfelsaft in den Wein ihres Auserwählten, um ihn damit zu bezaubern. Vor allem symbolisiert der die Frucht des Granatapfels die Vielfalt in der Einheit, sowie die Zeugungs- und Empfängniskraft. Keine Geringere als Aphrodite selber soll diesen "punischen Apfel" aus ihrer vorderasiatischen Heimat nach Zypern und Griechenland gebracht haben. Ausserdem gelten Granatapfelbäume als Symbol für die Ehe und die Familie. Dies wird symbolisiert durch die Göttin Hera, der Schutzpatronin ehelicher Verbindungen samt Kindersegen. Oftmals trägt diese auf Darstellungen einen Granatapfel oder eine Granatapfel-Blüte in der Hand. Die alten Griechen ebenso wie die alten Römer legten bei Hochzeiten jeweils Granatäpfel auf die Tafel, die mit vieldeutigen Anspielungen versehen waren. Ausserdem gelten reife Granatäpfel als Zeichen von Lebens- und Geistesfülle. Schliesslich werden sie auch recht alt, und es braucht Geduld, bis die ersten Früchte geerntet werden können.
Bild: Die Granatapfel-Sorte 'Favorite' kann auch nördlich der Alpen angebaut werden.
Ein komplexes Vitamingemisch
Granatapfelbäume können übrigens auch bei uns an milden Lagen draussen kultiviert werden, und mit etwas Glück und Geduld blühen sie nach einigen Jahren, und bilden mit der Zeit sogar Früchte. Alternativ geben sie sehr schöne und interessante Kübelpflanzen ab, die in kälteren Gegenden ins frostfreie Winterquartier gebracht werden können. Wie auch immer dem sei – mit etwas Geschick lassen sich durchaus eigene Granatäpfel heranziehen. Wer weiss, ob sie der geistigen und sonstigen Fruchtbarkeit tatsächlich helfen? Jedenfalls enthalten sie viel Vitamine, und waren sicher schon im Altertum ganz nützliche Pflanzen, um die sich dann die Legenden rankten. Demzufolge wären also unsere guten Gartenäpfel gänzlich unschuldig am biblischen Sündenfall. Und so dürfen wir sicher jederzeit guten Gewissens in einen süssen Apfel beissen. Zumal ein bekanntes Sprichwort aus England besagt: "An apple a day keeps the doctor away." (Ein Apfel pro Tag hält den Doktor fern.) Und daran ist tatsächlich viel Wahres, denn Äpfel enthalten ein vielseitiges, komplexes Vitamingemisch. Am gesündesten sind natürlich die ungespritzten Äpfel aus dem eigenen Anbau, die man unbesorgt stets mit der Schale essen sollte.
Feigen und Passionsfrüchte
Ein weiteres mächtiges Symbol für Sexualität und Fruchtbarkeit ist die Feige. Seit Adam und Eva gilt das Feigenblatt als Symbol der Keuschheit. Michelangelo malte in der Sixtinischen Kapelle einen Feigenbaum direkt neben den Apfelbaum. Insbesondere symbolisiert die Feige das weibliche Geschlecht. Die essbaren Feigen (Ficus carica) gehören zu den ersten Früchten überhaupt, die vom Menschen angebaut wurden. Auch Buddhas Erleuchtung wird übrigens von einer Feige symbolisiert. Feigenbäume stammen aus dem Mittelmeerraum und sind kargen, felsigen Boden gewohnt. Die Früchte gedeihen oftmals sogar besser, wenn die Wurzeln nicht allzu viel Platz haben. Darum gedeihen sie auch in Terracottakübeln so gut – so lange sie nur genug Wasser bekommen. Leidenschaft und Leid liegen bei den Passionsfrüchten eng beisammen – die meisten Quellen ordnen sie nämlich dem Leiden Christi zu. Die häufig im Handel angebotene Sorte Passiflora caerulea bildet schöne blau-weisse Blüten und eiförmige, bis zu sechs Zentimeter lange, orangegelbe Früchte. Allerdings schmecken sie nie so süss wie die Passionsfrüchte, die aus der Karibik importiert werden. Diese stammen von der Sorte Passiflora edulis. Sie werden grösser, brauchen aber ein wärmeres Mikroklima, um heranzureifen. Auf einem sonnigen Fenstersims kann man sie aus Samen heranziehen. Einfacher und erfolgsversprechender aber ist es, bei Lubera eine Passionsblume zu kaufen.
Bild: Die Passionsblume 'Eia Popeia' hat eine gute Frosthärte. Sie eignet sich hervorragend für den Anbau in Mitteleuropa.
Verwendete Literatur:
- Clemens Zerling: "Lexikon der Pflanzensymbolik"
- Marianne Beuchert: "Symbolik der Pflanzen"
- Sabine Reber: "Ein Gartenzimmer für mich allein"