Stellen wir uns das mal zusammen mit der Feige vor: Die männlichen und weiblichen Blüten umhüllt vom Blütenboden, in fast absoluter Dunkelheit. Natürlich könnten wir uns da Sex sehr gut vorstellen (hat ja auch was mit Dunkelheit zu tun), aber was für ein Sex? Inzucht, Inzest! Ob das nun wirklich verboten sein muss, das sei dahingestellt. Eine Zukunftslösung ist das bei Pflanzen ganz sicher nicht: Die Vielfalt wirdeingeschränkt und da liegt die Einfalt sprichwörtlich schon sehr nahe.
Das weiss vermutlich auch die Feige und wenn nicht die Feige, dann die Evolution, und wenn nicht die Evolution … Aber zurück zur Bocksfeige: Sie fand ganz offensichtlich den idealen Sexpartner in der Feigenwespe. Sexpartner ist dabei wohl nicht der richtige Ausdruck: Sextherapeutin wäre besser. Aber beginnen wir am vermuteten evolutionären Anfang: Die Feigenwespe kam ab und zu in die Feige (oder auch auf die Feige, auf die Blüten auf dem noch nicht vollständig geschlossenen Blütenboden) und befruchtete sie. Dieser Prozess war offensichtlich einfacher, produktiver und vor allem zuverlässiger als die eher zufällige und wie oben gesagt ziemlich fragwürdige Selbstbefruchtung. Und so stellten sich halt Feige und Feigenwespe über 10’000e von Jahren und Befruchtungszyklen aufeinander ein: Die weibliche Feigenwespe kriecht in die Bocksfeige und legt mit ihrem Legeapparat, der passgenau die richtige Länge besitzt, ihre Eier in die Ovarien der abgedunkelten weiblichen Feigenblüten ab. Aus Feigensicht muss man sich das wahrscheinlich ungefähr so wie Sex vorstellen: die Feigenwespe streicht – na ja, sagen wir mal – wohltuend über die weiblichen Organe der Feige. Und sticht dann gleichzeitig auch noch in die Ovarien.
Die Biologie der Feigenwespe
Die biologische Story kann natürlich neutraler erzählt werden, ganz ohne Erröten: Zuerst reifen die männlichen Wespen heran, sie befreien sich aus den Blüten und gehen schnurstracks ihrer einzigen und ziemlich kurzzeitigen Berufung nach: Sie finden treffsicher die Blüten mit den weiblichen Insekten darin und befruchten diese – wonach dann ihr Feigen- und Insektenleben ein schnelles Ende nimmt; sie haben ja auch ihre Funktion erfüllt. Die befruchteten weiblichen Feigenwespen befreien sich dann ebenfalls aus den Blüten, essen wohl noch ein kleines bisschen Fruchtfleisch (von nichts kommt nichts) und kriechen dem Licht, der hellen Ostiole entgegen. Und weil’s da so ziemlich eng wird und weil natürlich passgenau gerade da die männlichen, unterdessen reif gewordenen Blüten der Bocksfeigen angesiedelt sind, nehmen sie gleich noch wertvollen Blütenstaub, männlichen Pollen mit auf ihre kurze Erdenreise. Immerhin sehen sie ja, im Gegensatz zu ihren schon verstorbenen männlichen One-Night-Stand-Sexpartnern, kurz das Erdenlicht, aber nur um möglichst
schnell wieder eine Bocksfeige aufzusuchen.
Beim Legen ihrer Eier streift die Wespe so ganz nebenbei den mitgenommenen Pollen auf den weiblichen Blütennarben ab, verrichtet also ein doppelt gutes Werk! So sorgt sie für ihre eigen Vermehrung und für die Befruchtung der Feige. Wie sich das aus Sicht der Feige anfühlt, haben wir oben schon beschrieben, und muss hier nicht wiederholt werden. Die so befruchteten weiblichen Blüten beginnen zu wachsen, legen sich rund um die Samen eine Hülle aus Fruchtfleisch an und entwickeln sich weiter bis zur Fruchtreife.
Das beschriebene symbiotische System hat sich wohl über sehr lange Zeit immer besser ausdifferenziert und Feige und Wespe perfekt aufeinander abgestimmt: Nur so lässt sich die Schönheit des Bestäubungs- und Befruchtungsrhythmus erklären. Die mit Pollen beladenen weiblichen Wespen dringen just dann in die kleinen Jungfrüchte ein, wenn die weiblichen Blüten der aktuellen Feigengeneration gerade empfangsbereit sind. Und die jungen, frisch geschlüpften und befruchteten weiblichen Wespen wollen genau dann das dunkle Feigeninnere verlassen, wenn endlich auch die verspäteten männlichen Pollen beim Fruchtausgang, bei der Ostiole reif sind.
Und noch mehr der herrlich unzufälligen Gleichzeitigkeiten: Gerade wenn dann die mit Pollen beladenen Wespen die unterdessen gewachsene und gereifte Feige verlassen, ist bereits die nächste Feigengeneration empfangsbereit. Die Bocksfeigen entwickeln nämlich in ihren Kerngebieten (im südlichen Mittelmeerraum, im Nahen Osten und in ihrem vermuteten genetischen Zentrum, im südlichen Arabien) genau drei Feigengenerationen, die passgenau auf die Biologie der Feigenwespe ausgerichtet sind. Oder umgekehrt. Evolutionstheoretiker und mechanistische Darwinisten glauben hier an Zufall – schade dass sie nie die Feige gefragt haben. Die Feige weiss schon ziemlich genau, was sie tut. Sie optimiert ihre Fortpflanzung – und hat auch noch ihren Spass daran.
Markus Kobelt
Weitere spannende Feigen-Geschichten finden Sie hier:
Die Geschichte und Biologie der Feige, Teil 1
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Ur-Feige, Teil 2
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Smyrna-Fruchtfeige, Teil 4
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Caprifikation, Teil 5
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Kulturfeige, Teil 6
Die Geschichte und Biologie der Feige: Der Mensch als Feigensklave, Teil 7
Wer’s lieber etwas sachlich und botanisch haben möchte, der kann sich noch meinen Beitrag zu den verschiedenen Feigentypen anschauen. Der erklärt schon vieles. Aber halt eben nicht alles.
Ganz kurz und knapp habe ich das Thema “Wie und wo Feigen blühen und befruchtet werden”, in meinem Facebook Live-Video geschildert (speziell über die Feigen geht es ab der 28. Minute):
Meine Quelle: Ira J. Condit, The Fig, Boston USA 1947
Alle Illustrationen in diesem Artikel stammen aus Ira J. Condits grossem Feigenbuch.
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Maden in Feigen
Guten Tag
Könnten Sie dem Kundendienst ein paar Bilder zukommen lassen damit wir sehen können um welche Schädlinge es sich handeln könnte.(CH kundenservice@lubera.com oder DE kundendienst@lubera.com)
Freundliche Grüsse
Ihr Lubera-Team