Die Japanischen Pflaumen stammen ursprünglich nicht aus Japan – sondern aus China. Und zur dominierenden Pflaumenobstart (mit ca. 70% weltweiter Produktion) wurden sie nur dank amerikanischer Züchtung, und nur dank dem Urvater aller Obstzüchter, Luther Burbank. Er hat fast im Alleingang diese neue Obstart geschaffen, indem er Chinesische Pflaumen Prunus salicina aus Japan importierte und mit anderen Prunus Arten wild durcheinander kreuzte. Amerika als Schmelztiegel, auch in der Pflanzenzüchtung.
Das "Vermischte" ist besser als das "Reine". Das meint jedenfalls auch die Natur, die Fremdkreuzungen belohnt, Selbstbefruchtung in den meisten Fällen mindestens ursprünglich ausschliesst: So sind bis heute die meisten Japanischen Pflaumen selbstunfruchtbar, setzen also nur Früchte an, wenn sie von einer anderen Sorte befruchtet werden, wenn sie sich vermischen. (Zum guten Glück gibt es für kleine Gärten eine Ausnahme, die gelbe Sorte 'Shiro', die auch alleine gepflanzt werden kann.)
Warum ist das Vermischte besser als das Reine? Weil es mehr Vielfalt bringt, mehr Chancen birgt.
Es ist nicht nur ideologisch, sondern auch biologisch äusserst bedenklich, wenn sonst wohl gutmeinende und aufgeschlossen scheinende Naturschützer und sogenannte Renaturierer hemmungslos das Reine, Einheimische, Ursprüngliche fordern. Es ist für mich nicht einsehbar, warum diese politisch meist aufgeschlossenen Menschen nicht schon an der eigenen Wortwahl erkennen, auf welch unrühmlichen Geist sie da hereinfallen, in welch braunem Sumpf sie da versinken. Die amerikanischen Naturschützer etwa beklagen heute, dass es keine reinrassigen Morus rubra mehr gebe, weil diese sich verbotenerweise mit der aggressiv werbenden weissen Maulbeere Morus alba eingelassen hätten. Auch in Europa sollen fremde Pflanzen und Tiere fernbleiben, damit die einheimische Natur, der einheimische Garten rein bleiben kann. Sogar im historisch sonst so sensiblen und sensibilisierten Deutschland werden Ausschreibungen für "einheimische Gehölze" publiziert. Was für ein Blödsinn! Und was für eine Denkweise: Das Fremde ist grundsätzlich schlechter als das Einheimische… Wo haben wir das doch schon mal gehört? Und wie doppelt dumm ist das in Zeiten, wo sich die Welt und unsere Umwelt und auch die sogenannte Natur schneller ändern als je zuvor...
In diesen Tagen haben wir die Verfügung des Schweizer Bundesamtes für Umwelt BAFU erhalten, das uns nun definitiv den Verkauf von ca. 30 Pflanzen (ca. 100 Sorten) praktisch verbietet. Vielleicht gehen wir darauf mal in den nächsten Wochen genauer ein. Hier nur so viel: Unter anderem soll neben den so wunderschönen Buddleja auch die Robinie (Robinia pseudoacacia) verboten werden: Die Dummheit solcher Verbote offenbart sich halt ganz besonders eindeutig, wenn man weiss, dass die Robinie der Baum des Jahres in Deutschland ist… Aber Deutschland ist ja Ausland – mindestens für die Schweizer 😉.
Im Schreiben des Bundesamtes (BAFU, Bundesamt FÜR Umwelt) wird der guten Ordnung halber auch gleich der notwendige Warntext – nein nicht vorgeschlagen, sondern vorgeschrieben. Da heisst es unter anderem: "Unkontrolliert kann diese Pflanze die Natur gefährden." Wie bitte kann eine Pflanze die Natur gefährden??? Was für ein Naturbegriff liegt einer solchen Aussage zugrunde?
Worauf ich aber hinauswill – schliesslich muss auch diese Kolumne ein Ende finden: Der Text der Naturwarnung wird sicherheitshalber gleich in allen 4 Schweizer Landessprachen vorgeschlagen: Deutsch, Französisch, Italienisch und natürlich Englisch…
Englisch? Sie runzeln die Stirne. Haben die Rätoromanen kurz vor dem Untergang sicherheitshalber auf die Weltsprache umgeschaltet?
Nein natürlich nicht! Der kleine sprachliche Missgriff lässt aber tief blicken: Gesellschaftlich und als oberflächliche politische Korrektheit ist Offenheit und Internationalität "in". Ja man spricht auch in Bern ziemlich fliessend Englisch (sort of). Das ist aber alles nur gut eingeübte Tarnung. Eigentlich soll alles Fremde und Neue ausgeschlossen werden. Und wenn man das notfalls auf Englisch machen muss... Das verstehen ja dann vielleicht auch all diese ausländischen Vögel, Insekten und Pflanzen etwas besser.
Und weil's so schön und entlarvend ist, jetzt gleich nochmals auf Englisch: "Uncontrolled this plant can be a threat to nature." Man muss das unbedingt mal zu Ende denken: Am sichersten wäre die Natur dieser Naturversteher, wenn man gleich ganz auf Pflanzen verzichten würde…
UFF, es ist genug, der kleine Rundumschlag kommt wieder da an, wo er angefangen hat: Da pflanzen wir doch gerne Japanische Pflaumen, die aus China stammen, und in Kalifornien zu dem gemacht worden sind, was sie heute weitgehend sind. Es ist Zeit, diese Obstart auch bei uns zur Kenntnis zu nehmen. Und vielleicht gelingt es uns in der Lubera Züchtung ja auch, diese wahrlich globale Frucht durch unsere Arbeit wieder etwas lokaler zu machen. Aber nur, wenn uns das nicht irgendwann auf Englisch verboten wird.
Gärtnern Sie weiter, go on gardening!
Komplexität