Tomaten und Liebe, das gehört irgendwie zusammen, ohne dass man genau bestimmen könnte warum. Eigentlich hat es wohl damit angefangen, dass man zu Beginn in Europa mit den schönen Pflanzen und wässrigen Früchte ganz einfach nichts anzufangen wusste. Und dann benannte man das Fremde und Unbekannte einfach mit Namen von bekannten Pflanzen oder Fruchtarten. Offensichtlich waren die ersten ankommenden und dem Adel präsentierten Tomaten gelb, also wurden sie pommes d’or, Goldäpfel genannt: So entstand die italienische Bezeichnung für Tomaten. Und Äpfel führen ja schon in der Paradiesgeschichte in Versuchung – wahrscheinlich darum wurden dann in Österreich, im alemannischen Raum und Südtirol Tomaten Paradeiser genannt – Äpfel (=Tomaten), die in Versuchung führen…. Dann wird die Assoziationskette etwas lockerer: Mit Eva und dem Apfel der Versuchung kam irgendwie die Liebe ins Spiel, und aus den pommes d’or wurden die pommes d’amour. Französische Kavaliere schenkten ihrer Angebeteten Tomatenpflanzen, wohl mit der Absicht, erhört zu werden. Ebenfalls in diesen Bedeutungsraum, der aus Südamerika importierten Tomaten, gehört auch die schon erwähnte Geschichte, dass Tomatenpasten und Elixiere auch als Aphrodisiakum verkauft wurden (vor allem in den USA des 19. Jahrhunderts), selbstverständlich ohne jegliche nachweisbare Wirkung. Aber letztlich bin ich selber ein Zeuge dafür, wie Tomaten in ihrer Schönheit selber zu einer angebeteten Frucht werden können, und vielleicht waren ja die historisch ersten Begegnungen mit der Tomate in Europa ziemlich vergleichbar mit meinem Erlebnis als Kind.
Inhaltsverzeichnis
Tomatenliebe auf den ersten Blick
Ich muss wohl ca. 2,5 Jahre alt gewesen sein, meine Schwester war jedenfalls noch nicht da. Wir waren in einem Zelt (später erfuhr ich: im Tessin), es regnete. Es regnete sehr viel, eigentlich ununterbrochen. Und mein Vater war permanent damit beschäftigt, einen Graben um das Zelt zu ziehen, damit Mutter und Kind (eben ich) einigermassen trocken blieben. Dann wurde das Wetter irgendwann offensichtlich besser, mein Erinnerungsbild wechselt übergangslos auf einen italienischen Markt, wo mir ein Marktfahrer eine…Tomate schenkte. Vorsichtig trug ich den Schatz zurück zum Campingplatz, ich staunte über die weiche Rundung und die rote Farbe. Obwohl grundsätzlich mit einem ziemlich guten Appetit gesegnet, nahm ich von der Tomate keinen Bissen, ich bewahrte sie als meinen Schatz auf einem Bord neben dem Bettliegestuhl auf. Damit war ich wohl ein erstes Mal in die Tomate verliebt, wenn auch ohne jegliche erkennbaren Nachwirkungen…
Gärtnern mit der Bohrmaschine
Vielleicht hat ja meine zweite Tomatenerfahrung eine frühe, echte Beziehung mit der Tomate verhindert: Mein Vater betrieb das Tomatengärtnern wie so viele vor allem mit der Bohrmaschine. Er war ein genialer Bastler, und jedes Jahr wurde das Tomatenhaus im Garten kunstvoll gerichtet, mit neuen Holzlatten ausgerüstet, eventuell sogar mit einem beweglichen Dach, das man öffnen und schliessen konnte. Wie bei jeder seiner technischen Gartenkonstruktionen wurden auch immer Materialien aus seinem Elektrikerberuf verwendet. Es wird vollkommen unterschätzt, was man alles mit Drahtresten und Antennen machen kann – aber ob das den Tomaten etwas nützt? Denn nach dem Pflanzen begann das lange Warten, wie lange die Tomaten überleben würden und ob es genug reife Früchte geben würde. Was man tun konnte, um dem traurigen Tomatenschicksal (braune Blätter, tote Pflanzen, von einer Woche zur anderen, das Resultat des Befalls mit Kraut- und Braunfäule) zu entgehen, hatte man ja gemacht. Ob diese fatalistische Gärtnerhaltung des Elektrikers oder meine Abneigung gegen alles 'Technische' der Grund waren – jedenfalls waren Tomaten daraufhin in meinem gärtnerischen Erwachsenenleben für über 30 Jahre absolut kein Thema, obwohl ich Pflanzen lieben lernte und sogar eine eigene Baumschule gründete. Tomaten wären weit unter meiner gärtnerischen Würde gewesen, so ein heikles und unzuverlässiges Pflanzengeschöpf. Und überhaupt: Überlassen wir doch den südlichen Ländern diese Wasserfrucht, vielleicht auch den Glashäusern der Holländer, aber in unseren Gärten funktionieren sie halt nur sehr bedingt – oder eben nur mit Hilfe der Bohrmaschine, die ich nur äusserst ungern und unbegabt in die Hand nehme.
Der zweite Blick: Die Tomatenerweckung
Würde die Tomate bei mir je wieder eine zweite Chance bekommen? Vor einigen Jahren besuchte ich auf den Rat eines 'tomatophilen' Mitarbeiters hin eine Tomatenveranstaltung in Göttingen. Ein zur Uni Göttingen gehörender Forscher hat Freilandtomaten gezüchtet und versucht, sie in seiner Firma Culinaris auf den Markt zu bringen. Trotz meiner Vorurteile war ich schlichtweg begeistert von dem Nachmittag: Auch wenn Göttingen eher trocken ist, war damit halt doch erwiesen, dass man in Mitteleuropa speziell dafür gezüchtete Tomaten auch im Freiland anbauen konnte. Es ging auch ohne Bohrmaschine. Dazu lernte ich, dass Tomaten über die 90% Wasser hinaus auch einiges an überraschenden Geschmäckern und Aromen zu bieten haben: den Umamigeschmack, den mir an diesem Nachmittag drei Teilnehmer zu erklären versuchten; aber natürlich vor allem auch den Fruchtzucker, den man vor allem bei Cherrytomaten finden kann. Ein englischer Tomatenfreak schaute den ganzen Nachmittag lang nur in sein Refraktometer (Zuckermessgerät), auf das er Tomatensaft träufeln liess. Er wollte es eben ganz genau wissen, was an Zucker bei einer Freilandkultur in Norddeutschland (und in England) möglich sein könnte, und vergass darob den Genuss. Jedenfalls war meine Neugierde und bald auch meine Tomatenliebe geweckt, wiederauferstanden. Aber natürlich wollte ich Tomaten jetzt auch wirklich essen…
Der Start des Lubera®-Züchtungsprogramms
Nach dieser Veranstaltung war für mich klar: Lubera beginnt Tomaten, und zwar ausschliesslich Freilandtomaten zu züchten. Wir müssen jetzt endlich die Arbeit der spanischen Seefahrer vollenden, die die Tomaten zu uns brachten und diese Pflanze endgültig im Norden verankern. Solange es dazu Gewächshäuser, Plastiktunnels, Wintergärten oder eben Tomatenhäuser braucht, werden Tomaten im Garten immer fremde Exoten bleiben, die aber durch die beliebigen Angebote im Supermarkt doch auch gleichzeitig ganz gewöhnlich sind.
Natürlich bauten wir zuerst die Sorten von Culinaris an, aber wir testeten auch deutsche und vor allem auch englische und amerikanische Tomatensorten, die in unseren Versuchen eine Teilresistenz gegen Phytophthora zeigten. Denn das war auch etwas, was ich lernen musste: Bei der Tomate gibt es bis heute keine absolute Resistenz gegen die Kraut- und Braunfäule (Alternaria, Phytophthora infestans). Es gibt verschiedene Anfälligkeiten oder Toleranzen, die züchterisch laufend aufgefrischt und vor allem kombiniert werden müssen. Daraus ergibt sich dann auch unser Ziel bei den Freilandtomaten: Sie sollen Ende September noch ca. 70% gesunde Blätter haben, so dass sie möglichst viele wertvolle Paradeiser, Liebesfrüchte, problemlos zur Reife bringen können.
Wie Züchtung funktioniert
Tomaten sind auch ein gutes Beispiel, wie Züchtung von Gemüsesorten für den Garten funktioniert. Züchtung ist zwar eigentlich einfach, aber dafür braucht es viel Ausdauer und vor allem Kontinuität, bis man nach 6 bis 10 Jahren endlich eine Sorte auf den Markt bringen kann. In Folgenden zeigen ich kurz auf, was alles zum Freilandtomaten-Züchtungsprogramm gehört:
Sortenprüfung: Jedes Jahr testen wir einige Dutzend neue Sorten aus der ganzen Welt, die von sich behaupten, besonders robust und widerstandsfähig gegenüber unseren Hauptkrankheiten Phytophthora infestans und Alternaria zu sein.
Kreuzungen: Ebenfalls Jahr für Jahr machen wir neue Kreuzungen, um für eine volle Pipeline in der Sortenentwicklung zu sorgen. Bei diesen Basiskreuzungen versuchen wir 10 Jahre in die Zukunft zu schauen: Was für Eigenschaften müssen Freilandtomaten in 10 Jahren haben, wenn sie im Garten und auf Balkon und Terrasse erfolgreich angebaut werden sollen… Als Eltern werden neben unseren eigenen Züchtungen systematisch auch die besten der fremden getesteten Sorten dazu genommen, um unsere Genetik Schritt-für-Schritt zu verbessern und resistenzmässig und auch von den Fruchteigenschaften her zu verbreitern. "Conditio sine qua non" für all' unsere Freilandtomaten ist aber die weitgehende Resistenz gegen die frühe (Alternaria) und die späte Krautfäule (Phytophthora infestans). Bei den Tomaten findet natürlich eine frühzeitige Selbstbefruchtung statt, da die Staubbeutel der Blüte den Stempel umhüllen, damit eine Fremdbefruchtung verhindern und den eigenen Pollen auf den Stempel fallen lassen.
Bild: Tomatenblüte mit allem dran
Für eine kontrollierte Fremdbefruchtung, werden die Petalen und auch die Staubbeutel frühzeitig entfernt, so dass von der Blüte nur noch Kragenblätter, Blütenboden und Stempel übrigbleiben. Der Pollen der erwünschten Vatersorte kann dann mit Pinsel oder Finger auf den freigelegten Stempel und auf die empfangsbereite Narbe gebracht werden. Das Entfernen der Blüteblätter verhindert weitgehend den Insektenflug, der allenfalls zu einer unkontrollierten Fremdbefruchtung führen könnte.
Bild: freigelegte Tomatenblüte
Selektion: In den aus den Kreuzungen entstandenen Sämlingen und alternativ in den aufgespaltenen F1 Hybriden selektionieren wir je die 1-3 interessantesten Einzelpflanzen und gewinnen von ihnen wieder Samen. Damit beginnt die Linienzüchtung, die Herstellung der Inzuchtlinien, die schlussendlich nach 8-9 Jahren zu fertigen samenfesten Sorten führen (siehe auch Kapitel zum Unterschied von samenfesten Gemüsesorten und F1 Hybriden).
Herstellung von Inzuchtlinien: Ausgehend von diesen ersten Samen, die von den besten Individuen aus einer Kreuzungskombination gewonnen werden, müssen jetzt Inzuchtlinien hergestellt werden. Dabei hat die domestizierte Tomate ja den Vorteil, dass sie sich zu fast 100% selber bestäubt, dass es also fast keine Fremdbestäubungen und Auskreuzungen mehr gibt. Bis der Stempel aus den Staubbeuteln herauswächst und damit für fremde Befruchtungspollen und Bestäubungsinsekten erreichbar wäre, ist er bereits längst vom Pollen der eigenen Pflanze befruchtet. Man muss also die Linienpflanzen nicht mehr vor Fremdbestäubung schützen, sondern pflanzt pro Linie jedes Jahr aus dem entnommenen Samen 10-30 Pflanzen, und wählt dann daraus immer wieder die besten 1-3 Einzelpflanzen aus. Natürlich werden im Verlaufe dieses Züchtungsprozesses auch immer wieder Linien vollständig aufgegeben, wenn sie anderen Linien unterlegen sind und sonstige Fehleigenschaften (z.B. schwachen Wuchs) aufweisen. Ganz generell muss man sagen, dass der Selektionsprozess in der Gemüsezüchtung immer sehr strikt sein muss, weil nur durch einen extrem starken Selektionsdruck die negativen Begleiterscheinungen der Inzucht (Degenerationserscheinungen, schwaches Wachstum, Nachlassen der Gesundheit) ausgeglichen und bekämpft werden können. Diese Selbstungen und die nachfolgenden Selektionsschritte müssen ca. 6-9 Inzuchtgenerationen lang durchgezogen werden, um ausreichend samenfeste Sorten zu erhalten. Nach so vielen Generationen haben sich die genetischen Informationen so weit vereinheitlicht, dass (fast) keine Unterschiede mehr zwischen den Pflanzen festgestellt werden können.
Nach 6-9 Jahren stehen dann die Sortenkandidaten parat, das heisst die Züchtungsgruppe bei Lubera hat dann die Qual der Wahl, welche der Tomatensorten wir einführen und kommerziell vermehren wollen.
Im der folgenden Illustration zeigen wir schematisch die Entwicklung der Inzuchtlinien.
Bild: Entwicklung der Inzuchtlinien bei Tomaten.
Maximaler Krankheitsdruck in der Freilandzüchtung
Unsere gesamte Tomatenzüchtung ab der Kreuzung (die in den Gewächshäusern in unserem Lubera® Züchtungszentrum in Buchs ausgeführt wird), findet im Freiland statt. Potenzielle Sortenkandidaten sind also 6-10 Jahre immer dem Freilandstress und den natürlichen Witterungsbedingungen ausgesetzt. Das allein ist schon ein riesiger Unterschied zur industriellen Tomatenzüchtung, die im Wesentlichen in Gewächshäusern stattfindet und schliesslich auch zu Sorten führt, die für den geschützten Anbau im Gewächshaus bestimmt sind. Dabei ist der Züchtungsstandort im St. Galler Rheintal besonders gut geeignet, weil wir pro Jahr bis zu 1300mm Niederschlag verzeichnen, wobei ein schöner Teil des Regens auch in den Vegetationsmonaten anfällt. Dadurch sind die Witterungsrahmenbedingungen auch für die wichtigsten Pilzkrankheiten der Tomate, Phytophthora und Alternaria, ideal, das heisst unsere Züchtungspflanzen sind einem maximalen Krankheitsdruck ausgesetzt.
Zahlen zur Tomatenzüchtung
Pro Jahr pflanzen wir allein für die Freilandtomaten-Züchtung:
- 5000 Tomatenpflanzen total
- Ca. 150 Inzuchtlinien für die Sortenentwicklung
- Ca. 30 fortgeschrittene Inzuchtlinien im kommerziellen Status oder kurz davor
- 15-20 Kreuzungen in je nach Kreuzungsziel angepassten Pflanzenmengen
OpenSky® Tomaten
Die OpenSky® Tomatensorten von Lubera sind das Resultat der ganzen Anstrengungen. OpenSky® Tomatensorten sind speziell geeignet für die Freiland Gartenkultur im Garten oder auch im Topf, sie behalten bis zum Ende der Tomatensaison ca. 70% gesundes Laub und können so eine grösstmögliche Anzahl von Tomatenfrüchten ausreifen lassen. Bisher haben wir 7 OpenSky® Tomaten für den Gartenanbau eingeführt, 3 Stabtomaten mit Cherrytomaten, 2 Stabtomaten mit Salattomaten und zusätzlich zwei neue Strauchtomatensorten die ohne Gerüst im Beet oder auch in einem Topf angebaut werden können.
Weitere OpenSky® Züchtungsprogramme
Dabei sind die Tomaten nur der Anfang. Wir haben in den letzten 3 Jahren unsere Fruchtgemüsezüchtung auch auf Cilli und Paprika, auf Wassermelonen und Honigmelonen und Gurken ausgeweitet. Auch hier ist es das Ziel, Sorten zu erzielen, die ohne Gewächshausunterstützung und auch mit möglichst wenig Arbeitsaufwand problemlos im Garten und auf dem Balkon kultiviert werden können. Da die Züchtungsdauer für diese Fruchtgemüsearten ähnlich lange ist wie bei den Tomaten, können wir je nach Art in 3-6 Jahren mit den ersten neuen Sorten und Resultaten rechnen. Dennoch hat die Züchtung bei diesen anderen Fruchtgemüsearten schon jetzt einen riesigen Einfluss auf unser aktuelles Sortiment, weil wir für all diese Arten als Vorbereitung für die Züchtung Hunderte von Sorten 1-3 Jahre unter Freilandbedingungen auf unseren Zuchtfeldern testen, und entsprechend die besten Sorten schon für unser aktuelles Sortiment von Fruchtgemüse-Jungpflanzen auswählen können. Aus diesen Versuchen und Resultaten resultieren auch die in diesem Kapitel vorgestellten Fruchtgemüsesortimente, die vor allem aus Sorten bestehen, die wir im Freiland ausgiebig getestet haben.
Bild: Die supersüsse Freiland-Cherrytomate OpenSky® 'Sugared'® bildet extrem feste, knackige Früchte.
Bild: Die Freilandtomate OpenSky® 'Happyblack'® ist die erste schwarze resistente Freilandtomate.
Bild: Die Freilandtomate OpenSky® 'Tombonne'® ist die perfekte Salat- oder Rispentomate.
Bild: Die Freilandtomate OpenSky® 'Morningsun'® ist eine gelbe, fruchtige und frische Cherrytomate.