Unter Freilandtomaten ohne Überdachung verstehen wir Tomatensorten, die ohne Überdachung, ohne irgendwelchen Witterungsschutz und auch ohne jeglichen Pflanzenschutz im Garten, auf dem Feld wachsen und eine Vielzahl von Früchten tragen. Mit dem Titel dieses Artikels – Freilandtomaten ohne Überdachung – verdeutlichen wir diese Definition aber nochmals, weil wir gesehen haben, dass der Begriff Freilandtomaten (oder auch englisch outdoor tomatoes) gerne auch missverstanden und für Tomaten genommen wird, die zwar draussen, outdoor wachsen aber zusätzlich mit einer Dachkonstruktion geschützt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Das Ziel der Lubera Tomatenselektion und der Lubera Tomatenzüchtung
- Der absolute Härtetest für Freilandtomaten
- Auswertung und Bewertung
- Gibt es Resistenzen in den Nicht-Freilandtomaten?
- Resistente Sorten bei kompakten Balkontomaten oder bei Strauchtomaten?
- Welche Wildtomaten oder Johannisbeertomaten sind die resistentesten?
- Die Härtesten der Harten: Die besten Freilandtomaten ohne Überdachung
- Tomatenzüchtung bei Lubera
Das Ziel der Lubera Tomatenselektion und der Lubera Tomatenzüchtung
Es ist unser Hauptziel bei der Lubera®-Tomatensortenselektion und auch bei den eigenen Züchtungsanstrengungen, Sorten zu finden oder selber zu züchten, die draussen auch unter widrigen Umständen ohne Schutz und auch ohne weitere Hilfe (also ohne Pflanzenschutz) wachsen, gedeihen und fruchten. Dazu haben wir in den letzten Jahren ein Sortiment zusammengestellt, das wir in diesem Jahr (2019) intensiv als Freilandtomaten ohne Überdachung geprüft haben. Ebenso haben wir vor zwei Jahren ein eigenes Züchtungsprogramm gestartet, für das wir in diesem Jahr über 2500 Sämlinge aus ca. 25 Kreuzungen ausgepflanzt haben.
Bild: Links vorne Pflanzen der Peruanischen Wildtomate, rechts resistente Pflanzen einer neuen Züchtungsfamilie
Der absolute Härtetest für Freilandtomaten ohne Überdachung
In diesen Versuchen haben wir die Freilandtomaten ohne Überdachung einem absoluten Härtetest unterzogen, und sozusagen alles unternommen, um die Pflanzen zu stressen und auch um ideale Voraussetzungen für die wichtigsten Tomatenkrankheiten, vor allem für die Braunfäule (Phytophthora infestans) aber auch für andere Krankheiten wie Alternaria zu schaffen. Insgesamt haben wir für die Züchtung und Sortentestung 3000 Tomatenpflanzen ausgepflanzt (also eine ideale Monokultur), der Reihenabstand im Beet beträgt nur 60cm, der Pflanzabstand nur 50 cm, so dass sich die Blätter und Triebe immer berührten. Zwar haben wir die Jungpflanzen wie empfohlen tief gepflanzt und auch gedüngt, aber auf dem Mulchvlies lag nach den Regenfällen doch immer sehr lange Wasser, so dass die erhöhte Luftfeuchtigkeit über die Regenperioden hinaus Infektionen begünstigte… Nach der Pflanzung Anfang bis Mitte Juni (also relativ spät) haben wir die Tomatenpflanzen 1 bis 2x ausgegeizt, um ein zu buschiges Wachstum zu verhindern, später haben wir die Pflanzen 2x in einem vertikal aufgespannten Kulturnetz eingeschlauft, um sie stabil zu halten. Ab Ende Juli haben wir aber nicht mehr ausgegeizt und bei stark wachsenden Sorten ‘on top’ ein starkes Wachstum zugelassen.
Bild: Typisches Bild einer robusten Freilandtomate ohne Überdachung Mitte September, Rating 7
Wir würden also niemandem raten, in einem Garten die Tomaten so eng zu pflanzen, aber für unseren Zweck, nämlich die Freilandtomaten einem Härtetest zu unterziehen, war es die richtige Vorgehensweise. Im Versuchsjahr 2019 kam hinzu, dass auch das Wetter in Buchs (CH) die Krankheiten, allen voran die Braunfäule förderte, indem wir zwar insgesamt einen guten und warmen Sommer hatten, aber es doch in den Sommermonaten fast jede Woche 1-3 Tage auch regnete – ein idealer Nährboden für fast alle Pilzkrankheiten.
Auswertung und Bewertung
Mit der Auswertung warteten wir bis zum 15. September, einfach um die maximalen Auswirkungen der Krankheitsinfektionen zu sehen. Die ersten anfälligen Sorten waren schon um den 15. August (aufgrund des sehr feuchten Wetters) tot, einige Sorten mit Teilresistenzen hielten bis Anfang September durch, um dann langsam aber sicher zusammenzubrechen. Aber die resistentesten Sorten – eben die Freilandtomaten – sind noch am 15. September weitgehend grün.
Bild: Vorne Sorten mit total toten Pflanzen, weiter hinten resistente Pflanzen
In den Züchtungspopulationen gibt es auch Genotypen, einzelne zukünftige Tomatensorten und Zuchtlinien, die bis zu 90% grün sind. Für die Bonitierung der Resistenz bzw. der Anfälligkeit benutzen wir eine Skala von 0 bis 9: 0 bedeutet 0% grüne Blätter, 1 bedeutet 10% grüne Blätter usw., und 9 bedeutet dann 90-100% grüne Blätter. Als grün werden Blätter beurteilt, die zum grössten Teil grün sind, auch wenn sie schon etwas braune Nekrosen aufweisen. Mit diesem Bonitierungsschema ist es zwar nicht möglich, die einzelnen Krankheitsursachen herauszufinden und zu differenzieren; aber für unser Ziel – Freilandtomaten ohne Überdachung und ohne Pflanzenschutz – ist allein entscheidend, wie lange und wie gut die Pflanzen überleben und ihre Früchte zur Reife bringen können…
Gibt es Resistenzen in den Nicht-Freilandtomaten?
Resistenz oder Toleranz vor allem bei Phytophthora ist keine binäre Angelegenheit (ja oder nein), sondern hat Grade. Und so wie die sehr resistenten Sorten mal ein bisschen resistenter sind (fast keine Blätter verloren) und andere ein bisschen weniger resistent (30% der Blätter verloren, Rating 7), so wollen wir auch die nicht-Freilandtomaten in unserem Sortiment, vor allem die amerikanischen Heirloom-Tomaten auf ihre Härte unter krankheitsmässigem Dauerstress testen. Fast alle Heirloom-Sorten sind Mitte September weitgehend tot, aber bei einigen Sorten ist doch aufgefallen, dass sie dem Krankheitsdruck lange, teilweise bis Mitte August, teilweise bis Ende August, widerstanden haben. Dabei sind vor allem Sorten positiv aufgefallen, die – in je unterschiedlichem Masse – einen blauschwarzen Farbton in den Früchten tragen (blue tomatos, black tomatos):
Bild: ‘Indigo Blueberry’ hat noch jetzt, Mitte September, ein Rating von 1-2, hat also 10-20% grüne Blätter
Bild: ‘Blue Berry’ hat noch 20-30% grüne Blätter
Bild: ‘Brad’s Atomic Grape’ ist ein wenig schlechter, zeigt aber auch letzte Reste von Leben (Rating 1)
Natürlich bin ich jetzt weit davon entfernt, diese Sorten als resistent zu deklarieren, aber es fällt innerhalb dieser Gruppe von Tomaten doch auf, dass die blau-schwarzen Farbvarianten eine gewisse Widerstandsfähigkeit aufweisen, die ihnen natürlich auch im geschützten Anbau helfen wird. Dies sind auch Sorten, die im halbgeschützten Anbau – z.B. an einer Wand unter einem nur kurzen Hausvordach – gut funktionieren können.
Resistente Sorten bei kompakten Balkontomaten oder bei Strauchtomaten?
Bei den kompakt wachsenden und determinierten Balkontomaten haben wir keine krankheitsspezifischen Resistenzen gefunden. Diese Sorten entwickeln sich sehr schnell, fruchten überall und sterben dann weitgehend mit der Fruchtreife ab. Auffällig und natürlich hilfreich ist, dass sie die Früchte weitgehend auch dann noch zur Reife bringen, wenn das Blattwerk bereits abzuserbeln beginnt.
Einen ähnlichen, wenn auch nur halbdeterminierten Wuchstyp weisen ja die Strauchtomaten ‘Lizzano’, ‘Losetto’ und teilweise auch ‘Humboldtii’ auf. Auch hier ist die spezifische Resistenz gegen den Krankheitsdruck lange nicht so ausgeprägt wie bei den besten Freilandtomaten, dennoch reicht sie, um die meisten Früchte auch bei einem sehr intensiven Krankheitsdruck auszureifen. Auffällig – aber auf eine Art auch verständlich - ist, dass aufgebundene Pflanzen besser durchhalten als ungestäbte Pflanzen auf dem freien Feld, die irgendwann unter der Last der Früchte zusammenbrechen, worauf dann alle Triebe eng aufeinander liegen.
Ein deutlicher Resistenzunterschied hat sich auch bei den sonst sehr ähnlichen Sorten ‘Lizzano’ und ‘Losetto’ ergeben: die Krankheitsresistenz von ‘Losetto’ (Rating 2) ist am Ende der Saison auch deutlich besser als bei ‘Lizzano’. Wir werden entsprechend in der nächsten Saison wahrscheinlich nur mehr ‘Losetto’ anbieten. Auch ‘Humboldtii’ zeigt nur eine für Strauchtomaten typische Teilresistenz und hat Mitte September noch 10-20% grüne Blätter. Hier ist vielleicht eher ein halbgeschützter Anbau unter einem Vordach zu empfehlen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Balkontomaten als Freilandtomaten nicht geeignet sind, sie gehören im Topf in eine geschützte Situation, wo sie den Niederschlägen und auch den Krankheitsinfektionen vom Boden aus nicht ausgesetzt sind. Strauchtomaten können im Freiland auch ohne Überdachung angebaut werden; für den Erfolg ist es jedoch notwendig, dass die Strauchtomaten aufgebunden werden oder in einem Haltegitter wachsen, so dass die Triebe locker bleiben und auch bei grossem Fruchtbehang nicht zusammenfallen.
Bild: Tomaten im Gitter
Welche Wildtomaten oder Johannisbeertomaten sind die Resistentesten?
Bei den Wildtomaten hat sich im Lubera Härtetest (ungeschützt, Monokultur mit 3000 Tomaten, sehr eng gepflanzt) am 15. September folgendes Rating gegeben:
Bild (links): Peruanische Wildtomate: 1 (also fast keine grünen Blätter mehr)
Bild: Rote Murmel: 7-8
Bild: Golden Currant: 3-4
Das schlechte Resultat der Peruanischen Wildtomate haben wir so nicht erwartet, es wird aber dazu führen, dass wir diese wunderschöne Sorte mit dem extrem starken Wachstum und den supergrossen Blüten nur noch für den halbgeschützten Anbau irgendwo unter einem Hausdach empfehlen. Im Freiland unter vollem Krankheitsdruck beginnen die Blätter schon früh von unten her gelb zu werden, dann fehlt die bei gesunden Pflanzen so typische unbändige Wuchsstärke und es gibt auch sehr wenige der extrem kleinen, aber extrem aromatischen Früchte zu ernten.
Bei den Johannisbeertomaten ist die Sorte ‘Rote Murmel’ deutlich widerstandsfähiger als ‘Golden Currant’, dennoch können beide Sorten problemlos im Freiland angebaut werden. Bei der ‘Roten Murmel’ fällt auf, dass die Sorte nicht ganz stabil ist, es gibt unterschiedliche Formen (rund und pflaumenförmig) und auch die Resistenz scheint etwas zu variieren – wenn auch auf hohem Niveau (7-8).
Die Härtesten der Harten: Die besten Freilandtomaten ohne Überdachung
Echte Freilandtomaten sollen auch unter widerlichsten Bedingungen im Freiland ohne Überdachung funktionieren. Dafür ist in einem Versuch wie dem unsrigen ein Resistenzniveau von 4 und mehr notwendig. Im Folgenden zeigen wir die Resultate der eigentlichen Freilandsorten, die in diesem harten Tomatenjahr einmal ihre Härte und Widerstandsfähigkeit bewiesen haben:
- Primabella: Rating 8-9 (90%-100% grüne Blätter)
- 298/8: Rating 8 (80% grüne Blätter)
- Sunviva: Rating 7 (70% grüne Blätter
- 232-x: Rating 7 (70% grüne Blätter)
- Philovita: Rating 6 (60% grüne Blätter)
- 298-1: Rating 6 (60% grüne Blätter)
- Oh Happy Day: Rating 6 (60% grüne Blätter)
- Crimson Crush: Rating 5 (50% grüne Blätter)
- Resi: Rating 4 (40% grüne Blätter)
- Primavera: Rating 4 (40% grüne Blätter)
- Cuban Pink: Rating 1 (10% grüne Blätter)
Zu wenig Resistenz zeigen ‘Fantasio’ und ‘Fantasia’, die aus dem Sortiment verschwinden werden. Dies gilt leider auch für 'Cuban Pink', die letztes Jahr – in einem etwas weniger stressigen Versuch und bei viel besseren Klimabedingungen mit sehr wenig Niederschlag im Sommer – noch einigermassen robust gewirkt hat. Auch diese geschmacklich und farblich interessante Sorte wird aus unserem aktuellen Freilandsortiment verschwinden – aber wir werden sie sehr prominent in unserem Züchtungsprogramm weiter bearbeiten und vor allem resistenzmässig zu veredeln suchen.
Bild: ‘Primavera’ ist eine der Schwächsten der resistenten Sorten, bleibt aber mit einer 4 gerade noch bei den Superharten
Diese Sorte hat dank der frühen Reifezeit auch einen grossen praktischen Vorteil, und dies ist umso wichtiger, als einige sehr resistente Sorten eher zu einem späten Ertrag neigen. ‘298/8’, eine neue Sorte aus der Tomatenzüchtung der Universität Göttingen und von Culinaris zeigt eine extrem gute Resistenz, die fast aktiv zu wirken scheint.
Bild: Bei '298/8' sind alle unteren Blätter noch grün
Auffällig ist, dass hier auch die ersten und ältesten untersten Blätter noch teilweise grün sind, dass also die Pflanze in der Lage ist, die Krankheit zu stoppen.
Bild: Ähnlich gut ist '298-1' mit einer Resistenz von 6
‘Primabella’ (8-9), eine andere Sorte von Culinaris, hatten wir aus Versehen nicht an das Gerüst für Stabtomaten gepflanzt (sondern in ein offenes Beet), und so entwickelte sie sich auf dem Feld zu einem veritablen Bodendecker.
Bild: 'Primabella' als Bodendecker
Das Auffällige jetzt im Herbst: Natürlich sieht man einige gelbe Blätter, aber auch so nahe am Boden, bei anhaltender Feuchtigkeit und unter gigantischem Krankheitsdruck ist die Pflanze weitgehend gesund geblieben und entwickelt ihre Früchte zur Reife.
Tomatenzüchtung bei Lubera
Natürlich haben wir die 3000 Tomatenpflanzen nicht nur zur Sortentestung gepflanzt. Ein Grossteil der Versuchspflanzen gehört zu unserer eigenen Züchtung, die in diesem Jahr grosse Fortschritte gemacht hat. Insgesamt haben wir Mitte August ca. 400 Genotypen und Linien selektioniert, die eine hohe und stabile Resistenz zu diesem Zeitpunkt gezeigt haben, und auch jetzt Mitte September zeigen noch ca. 200 Pflanzen eine Resistenz auf dem Niveau von ‘Primabella’.
Bild: Fruchtproben resistenter Genotypen für die Samengewinnung
Züchterisch versuchen wir vor allem andere Fruchtformen in die Resistenzzüchtung einzubringen, die Fruchtqualität deutlich zu verbessern und auch die Fruchtfarben stärker zu variieren. Es bleibt bei unserem Langfristziel, die Vielfalt der Heirloom-Tomaten auch in die Freilandtomaten mit starker Krankheitsresistenz einzubringen. Und vor allem und immer wieder: Es soll auch in Mitteleuropa und nördlich der Alpen ganz normal werden, Freilandtomaten ohne Überdachung, einfach und offen ungeschützt im Garten anzubauen und bis im September die besten Tomatenfrüchte zu ernten.
Suche Freilandtomattensorten für den Ackerbau
hier empfehlen wir einen eigenen Sortenversuch.
Freundliche Grüsse
Lubera-Team