Markus Kobelt hatte letztes Jahr den Bauerngarten im Park der Gärten gesehen, umrandet von einer wundervollen Stauden- und Blumenmischung. Dann in diesem Frühjahr wieder den gleichen Garten, diesmal die frischwachsenden und akkurat geschnittenen Johannisbeeren vor dem Hinter- und Untergrund von Vergissmeinnicht. Und ein drittes Mal traten die Johannisbeeren mit Blütenbegleitung auf, wiederum mit Vergissmeinnicht, dieses Frühjahr in Ippenburg. Das war zuviel für Markus! Da musste es einen tieferen Grund geben für so viel Schönheit! Und er fand ihn in zwei uralten Märchen. Sind Sie auf der Suche nach Beerensträuchern? In unserem Gartenshop können Sie Johannisbeeren kaufen und bequem nach Hause liefern lassen.
Die Johannisbeere und ihre neuen Kleider
Können Märchen eine Fortsetzung haben? Sie können, ja sie müssen, wenn das ewige Glück gefährdet scheint.
Wir erinnern uns alle an die Johannisbeeren Pflanzen. Über blauem Vergissmeinnicht reiften nun die dicken, roten Beeren. Saftig und gross, wie sie noch nie jemand gesehen hatte. Und so kam es, wie es kommen musste: Eines Tages stachen sie endlich auch der Bauersfrau, die gerade die Kartoffeln in Reih und Glied anhäufelte und sich den Schweiss von der Stirne wischte, in die Augen, die vorher die Johannisbeere jahrelang keines Blickes mehr gewürdigt hatten. Sie traute – nur für eine ganz kurze Zeit – eben diesen Augen kaum, aber dann fasste sie ihr unverhofftes Glück doch sehr schnell und schritt zur Tat. Ihr Sohn, gerade in den ersten schulfreien Tagen des Sommers, wurde zur Ernte befohlen. Und wehe, wenn er zwischendrin eine süsse (ja süsse!) Johannisbeere in den Mund stopfte, sofort wurde er zur Ordnung gerufen. Und wenn, wie manchmal, die hübsche Gärtnerstochter des Weges kann, und über den Gartenzaun ein kleines Schwätzchen über Johannisbeeren und anderes halten wollte, dann donnerte es gar schnell über den Garten: „Wir sind hier, um zu arbeiten. Wir sind keine Gärtner, die von unnützen Blümlein und allerlei Tand ihr armseliges Dasein fristen!“
Und kaum war die Ernte vorbei, trat wieder die altbekannte Traurigkeit in den Beerengarten ein, die Vergissmeinnicht waren längst schon vergessen, die dicken Trauben bis zur allerletzten Beere geerntet und immer schneller liess die Johannisbeere, wie erschöpft von der hohen Zeit des Erntesommers, ihre Blätter fallen. Ein welsches melancholisches Lied hatte jemand im Vorbeigehen gesummt, nur Tristesse hatte die Johannisbeere verstanden, aber genau so fühlte sie sich. Die Armseligkeit hatte sie wieder! Ja sie war nicht nur traurig und arm, sie war auch nackt, von allen guten Geistern und fast allen Blättern verlassen.
Aber die Gärtnerstochter hatte sie nicht vergessen, mit der Bauersfrau hatte sie seit langem schon eine kleine Rechnung offen, und den Bauerssohn, ja den mochte sie über alle Massen gut leiden. Und im frühen Frühling wiederholte sie abermals ihre gärtnerischen Zauberkünste, schnitt und streichelte und brachte Nahrung aus für ein neues fruchtbares Jahr.
Nun aber säte sie, gewitzt von der Erfahrung des letzten Jahres, nicht nur Vergissmeinnicht am Boden aus. Dem Zaun entlang und rund um den Beerengarten brachte sie gar wunderliche Samen ein, die im letzten Herbst wie zufällig von Vaters Pflanzen in ihre Schürzentasche gefallen waren … Während die Johannisbeere samt Geschwistern ihren zweiten Frühling genoss, wiederum reiche Ernte versprach und sich sonnte in einem Meer von Vergissmeinnicht, explodierte rund um die Beerenecke eine Stauden- und Blumenmischung, die es in sich hatte: feiner Gewürzfenchel, majestätischer Fingerhut, Malven ohne Ende, dazwischen Klatschmohn. Doch nicht genug damit, auch Schafgarbe, Wegwarte, Ringelblumen, Dahlien, Thymian hatten sich in der Schürze wie zufällig getroffen und keimten und wuchsen nun auf wie die Hoffnung.
Und die Erntezeit kann, die Gärtnerstochter wusste um die reifen Beeren, und der Bauerssohn auch. Die Bauersfrau aber, zwischen Stall und Küche, würdigte die komischen Blumen in der hintersten Ecke ihres Garten allerhöchstens eines misstrauischen Blickes und es mangelte ihr nur an der Zeit, sonst hätte sie die unnützen Blumen gerodet und auf dem Miststock geworfen.
Derweil aber trafen sich – die schulfreie Zeit hatte wieder Eingang gehalten – die Gärtnerstochter und der Bauerssohn fast jeden Tag in ihrem Paradiese, umrahmt von ihrer blühenden Schutzgarde. Sie schmausten von den Johannisbeeren, die ihre süssen (ja süssen!) Früchte bereitwillig hergaben, und sie schwatzten und tanzten und taten – wer weiss es – vielleicht noch manches andere.
Und wie es weiterging? Sie wissen es!
Die Johannisbeere jedenfalls fühlte sich fortan nie mehr hungrig, traurig und nackt, sie ward gehegt von der Gärtnerstochter und später im Jahr geschützt vom bunten Blumenkleid. Der Bauerssohn und die Gärtnerstocher aber – wie könnte es auch anders sein – wurden ein glückliches Paar, auch gegen die Einreden ihrer standesgemässen Eltern.
Und der Bauerngarten war geboren. Und wenn er noch nicht gestorben ist, so lebt er weiter und immer weiter…