In der Lubera Apfelzüchtung werden die noch jungen Sämlinge aus den Kreuzungsgängen des letzten Jahres systematisch mit Apfelschorf infiziert, so dass wir die anfälligen Sämlinge frühzeitig schon aussortieren können und nur die 'Sortenkandidaten' weiterverfolgen, die eine gute Resistenz gegen Schorf haben. Wir danken dabei auch den Kollegen der Forschungsanstalt Agroscope Wädenswil, Dr. Markus Kellerhalt und seiner Mitarbeiterin Simone Schütz für die tatkräftige Hilfe. Sie haben das sogenannte Screening( so nennt man das Testverfahren) jahrelang für uns übernommen und uns jetzt auch bei der Verbesserung unseres eigenen Verfahrens geholfen.
Was ist Apfelschorf und warum ist er so gefährlich?
Apfelschorf, lateinisch Venturia inaequalis, ist die bedeutendste Pilzkrankheit des Apfelbaumes und befällt im Frühling die Blätter und später auch die Früchte, die dadurch ungeniessbar, oder zumindest unappetitlich werden. Manche Bäume sind so anfällig, dass sie ohne regelmässiges Spritzen gar nicht mehr Früchte tragen würden. Und gegen das allgemeine Vorurteil sind auch viele alte Sorten sehr anfällig: Ganz offensichtlich ist die Krankheit in den letzten 200 Jahren eher stärker und aggressiver geworden, dazu haben ganz sicher auch die Monokulturen beigetragen, wo sich der Pilz regelrecht auf die einzelnen Sorten spezialisieren kann. Und natürlich ist der moderne Konsument und Gärtner einfach auch empfindlicher und anspruchsvoller: Der Apfel sollte ja - wie bei weiland Eva, möglichst makellos und wunderschön sein. Und noch etwas hat unsere menschliche Empfindlichkeit auf Apfelschorf verstärkt: vor 200 Jahren war der Apfel vor allem eine Frucht zur Saftgewinnung und (am Ende) Alkoholproduktion, heute ist der Apfel eine Frucht für den Frischgenuss.
Wie kann ein Apfelbaum resistent gegen Schorf sein?
Hier darf man durchaus ein wenig Vertrauen in die Evolution haben. Wenn es in der Natur ein Problem gibt, eine Krankheit, dann gibt es meist auch die Lösung, eine Resistenz dazu. So haben sich die wilden Verwandten unserer modernen Apfelbäume immer wieder angepasst und kommen ohne menschliche Hilfe mit dem Pilz klar. Die Apfelzüchter auf der ganzen Welt versuchen nun seit bald 100 Jahren, diese Resistenzgene der Wildäpfel zu finden und in die modernen Apfelsorten einzukreuzen. Dabei muss natürlich gleichzeitig auch die Fruchtgrösse und Fruchtqualität der resistenten Arten und Sorten verbessert werden Denn wer will schon einen Apfelbaum, der zwar nicht gegen Apfelschorf gespritzt werden muss aber nur 2cm grosse Äpfel trägt? Falls Sie Ihren eigenen Apfelbaum züchten möchten, können Sie im Lubera Shop verschiedene Apfelbäume kaufen.
Dank der Arbeit unserer Züchter-Vorgänger können wir heute diverse Resistenzen gegen Apfelschorf in der Züchtung benutzen und müssen auch keine Abstriche mehr an die Qualität machen. Bei Lubera® versuchen wir auch ganz bewusst, wenn möglich verschiedene Typen von Resistenzen zu kombinieren. Dabei sind uns polygene Resistenzen und Toleranzen auch sehr wichtig, denn von ihnen können wir erwarten, dass sie deutlich stabiler sind als Resistenzen, die auf einem Gen beruhen.
Gerne brauchen wir für unsere Züchtungsarbeit auch folgendes Bild: Wir sitzen züchterisch auf den Schultern von Riesen, profitieren von der Arbeit unserer Vorgänger in den letzten 100plus Jahren; ohne ihre Arbeit könnten wir keine besseren und resistenteren Apfelsorten züchten. Aber wir sehen - auch als Zwerge - ein kleines Stück weiter als die Vorgänger….
Bild: schorfresistenter Apfel Malini® Fresco® - säuerlich erfrischender Säulenapfel
Schorfresistente Garten-Äpfel - warum resistente Lubera-Sorten besser schmecken als konventionelle Sorten
Wir sind heute überzeugt, dass unsere Hausgartensorten besser und auch unterschiedlicher schmecken als die meist noch nicht resistenten Erwerbsanbausorten. Dies nicht etwa, weil wir so geniale Züchter wären, sondern weil wir andere agronomische Kriterien (Pflückbarkeit, Haltbarkeit, Ertrag, nochmals Ertrag etc.) nicht ganz so stark gewichten müssen wie Züchter für den Erwerbsanbau. Wir können uns voll und ganz auf die Fruchtqualität und auf die Robustheit und Resistenz konzentrieren.
Alle Lubera-Apfelsorten sind schorfresistent
So können wir bei Lubera in unserem Apfelzüchtungsprogramm auch ganz besonders konsequent sein: alle 20plus Apfelsorten, die wir in den letzten knapp 20 Jahren für den Hausgartenmarkt eingeführt haben, verfügen über eine gute und funktionierende Schorfresistenz. Um das sicherzustellen, testen wir als erstes alle unsere Sämlinge auf ihre Fähigkeit sich dem Pilz zu widersetzen. Im Folgenden zeigen wir, wie dieses Testverfahren funktioniert.
![Apfelschorf Apfel Paradis New Year resistent Lubera](/images/600/Apfel-Paradis-New-Year-als-Hochstamm.jpg)
Bild: schorfresistenter Apfel Paradis® 'New Year' - der säuerliche Neujahrsapfel mit guter Lagerfähigkeit
Aussaat der Apfelsamen
Als erstes ziehen wir Pflänzchen aus den Apfelkernen der Kreuzungen vom letzten Jahr heran. Wir säen sie in der Regel kurz vor Weihnachten aus, stellen sie dann in die Kälte, also durchaus nach draussen, ungeschützt vor Kälte und Nässe, allerdings mit einem engmaschigen Gitter sicher geschützt vor Mäusen und anderen hungrigen Frassfeinden. Der Apfelsamen braucht diese Vernalisation, er braucht die Kälte und Feuchtigkeit um im Frühling wachsen und spriessen zu können. Und gäbe es diese Verschnaufphase und Pause nicht, hätte der Apfel ein ernstes Überlebensproblem: die Samen, von Mensch oder Tier hinterlassen, würden dann sofort auch schon im Herbst zu wachsen beginnen, die jungen vorzeitig wachsenden Pflänzchen würden elendiglich kaputt gehen…
Das richtige Stadium für die Schorfinfektion
Also Aussaat vor Weihnachten, dann raus in Kälte und Nässe. Und im Frühling, im Februar und März beginnen die Sämlinge dann zu wachsen. Wenn sie dann 4 Blätter haben, stellen wir sie in einen Folientunnel, in dem die Temperatur gut kontrollierbar ist. Jetzt haben sie bereits genug Blattfläche, aber überdecken sich noch nicht gegenseitig. Damit sie gut weiter wachsen, werden sie etwas gedüngt, denn auch der Pilz hat lieber gut wachsende Pflanzen. Er etabliert sich am liebsten auf frischen und noch nicht wirklich abgehärteten Blätter...
Bild: Apfelsämlinge im Folientunnel, bei gut kontrollierter Temperatur
Woher kommt der Apfelschorfpilz für die Testinfektion
Aber woher kommt nun der Apfelschorf-Pilz? Der kann ja nicht einfach aus der Luft auf die armen Sämlinge herabfallen. Um eine termingerechte Infektion mit Schorfsporen zu ermöglichen, braucht es etwas an Vorarbeit. Man muss im Herbst befallene Blätter von den Bäumen zupfen, trocknen und einfrieren. Diese kann man dann jederzeit, auch mehrere Jahre lang, benutzen. In unseren Versuchsanlagen findet sich nun aber kaum noch Schorf, da wir seit über 20 Jahren auf Schorfresistenz züchten… So sind wir den Kollegen der Agroscope Wädenswil dankbar, dass sie uns den bösen und auch möglichst aggressiven Pilz in Form von getrockneten und eingefrorenen Blättern zur Verfügung stellen. Wir sind hier im Gegensatz zum normalen Leben dann am glücklichsten, wenn wir einen möglichst aggressiven Pilz einsetzen können - denn unsere resistenten Sorten sollen ja möglichst lange funktionieren, eine möglichst stabile Resistenz gegen Apfelschor aufweisen.
Die künstliche Schorfinfektion
Um jetzt eine Lösung von Sporen herzustellen, nimmt man einfach 2-3 Hände Schorflaub und legt sie 3-4 Stunden ins Wasser und rührt gelegentlich. Die Feuchtigkeit aktiviert das Pilzgeflecht auf den getrockneten Blättern und führt zur Ausschüttung von Sporen.
Bild: Blätter für ein paar Stunden ins Wasser legen, führt zur Ausschüttung der Sporen
Vor dem Spritzen sollte man den «Schorftee» gut rühren um alle Sporen von den Blättern am Boden des Gefässes zu lösen. Dann kann man die Blätter heraussieben und die übrig gebliebene bräunliche Flüssigkeit mit einer Spritze (mit der noch nie Fungizid gespritzt wurde!) möglichst fein auf die Sämlinge sprühen. Alle Blätter sollten gleichmässig nass sein aber nicht tropfen. Um das zu erreichen braucht man nicht einmal 3Liter für 13000 Sämlinge (dies die Menge der behandelten Sämlinge in diesem Jahr).
Wann und wie kann sich der Apfelschorf auf den Apfelblättern etablieren
Jetzt haben wir zwar die Pilzsporen auf den Apfelpflänzchen, aber um eine effektive Infektion zu ermöglichen braucht es noch Zeit, Wasser und die passende Temperatur. Genau dafür haben wir unseren kleinen Minitunnel mit der weissen Milchfolie gebaut.
Bild: mit einem Minitunnel kann ein passendes Mikroklima für die Infektion ermöglicht werden
Denn damit die Pilzsporen ins Blattgewebe hineinwachsen können, müssen sie unbedingt nass bleiben. Deshalb halten wir mithilfe der Folienabdeckung die Luftfeuchtigkeit während mindestens 48h möglichst hoch (gegen 98%) und besprühen die Sämlinge wenn notwendig mit fein zerstäubtem Wasser. Die Blätter dürfen während dieser Zeit auf keinen Fall abtrocknen, sonst würde die keimende Schorfsporen sterben - und wir müssten unsere künstliche Schorfinfektion nochmals von vorne beginnen.
Die Optimaltemperatur für Schorfsporen liegt bei etwa 18°C. Wichtig ist, Temperaturen über 28°C zu verhindern, da die Schorfsporen sonst absterben! Kältere Temperaturen verlangsamen ihrerseits den Infektionsprozess, aber verunmöglichen ihn nicht. Ist es deutlich unter 18°C, muss man einfach die optimalen Bedingungen bezüglich Luftfeuchtigkeit länger aufrechterhalten (was bei tiefen Temperaturen auch einfacher ist). Erfahrungsgemäss ist im Frühling im Plastiktunnel die Hitze das grössere Problem als die Kälte - vor allem bei uns im Rheintal mit den Föhnstürmen…
Da Schorf kein Licht mag, regelrecht lichtscheu ist sollte der Lichteinfall während der Infektionszeit eingeschränkt werden. Optimalerweise plant man die zwei Tage der Schorfinfektion bei wolkigem Wetter. Dann sind die Temperatur-Bedingungen nämlich leichter zu kontrollieren und einzuhalten. Sobald die Sonne herauskommt, steigt die Temperatur innerhalb von Minuten in den gefährlichen Bereich und man muss mit Netzen und zusätzlicher schwarzer Folie sofort für Schatten sorgen. Allenfalls kann auch eine Berieselung des Tunnels im Tunnel mit Wasser für Verdunstungskälte und damit eine bessere Temperaturkontrolle sorgen.
Es lebe der Schorf!
Ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat und die Infektion geklappt hat, sieht man nach einer Woche. Dann zeigen die ersten Blätter Reaktionen auf den Angriff des Apfelschorf-Pilzes. Nach 2 Wochen sollte ausgewertet werden, bevor einem zu viele neue Blätter die Sicht versperren. In der Zwischenzeit hatte der Pilz genug Zeit, um in den Blättern heranzuwachsen und man kann gut unterscheiden, welche Pflanzen anfällig sind und welche ein Resistenzgen oder auch mehrere Resistenzen geerbt haben und den Pilz erfolgreich bekämpfen oder von der Etablierung gänzlich abhalten.
Bild: Apfelsämling mit Resistenzen, dieser Sämling wird den Pilz erfolgreich bekämpfen
Bild: dieser Sämling ist anfällig für den Pilz
Die anfälligen Sämlinge werden nun herausgeschnitten, denn wir wollen ja nur kräftige resistente Apfelbäume in unserer Züchtungspipeline. Je nach Resistenzgen und Elternwahl überleben diese Selektion 30 bis 80% der Sämlinge.
Bild: die überlebenden Sämlinge nach der Selektion
Wäre es möglich, dass wir mit dieser harten Selektion die besten Apfelsorten verpassen?
Das wäre nicht nur möglich, sondern ist sogar ziemlich wahrscheinlich ;-) Wir werden leider nie wissen, wie gut die Äpfel der anfälligen Sorten gewesen wäre. Wir verzichten bewusst auf noch mehr Auswahl, um Sicherheit und Resistenz zu gewinnen. Wir verlieren, um zu gewinnen. Denn wie auch im Leben: Alles kann man bei der Züchtung nicht haben. Und: Es ist beim Züchten sehr empfehlenswerte, nicht über die verpasste (weil wegselektionierte) Möglichkeiten und Chancen nachzudenken. Was der Züchter nicht weiss, darf ihn nicht heiss machen. Denn er weiss eh schon viel zu viel.
Erfahren Sie noch mehr über die spannende Lubera® Züchtung.