Die Brombeeren sind die schwarzen Schafe in der Familie der Rubus, der himbeerähnlichen Pflanzen. Natürlich ist da die Sache mit der Farbe: Schwarz gegen Rot, wie sollen da die armen Brombeeren gegen die Himbeerprinzessinnen auch eine Chance haben?! Wir selber tragen bei Lubera auch zu diesem Schattendasein der schwarzen Zapfen bei, wenn wir immer wieder betonen, dass sie immer noch gepflanzt werden können, wenn Himbeeren nicht mehr funktionieren oder sogar eingegangen sind. Das stimmt zwar – Brombeeren reagieren sehr viel toleranter auf schwerere Böden und leichte Vernässungen als die ebenso delikaten wie empfindlichen Himbeeren – aber deswegen bleibt auch die fast ewige Gartenhierarchie gewahrt: Zuerst die Himbeeren, dann die Brombeeren. Im Lubera®-Shop können Sie Brombeeren kaufen und sich diese bequem nach Hause liefern lassen.
Ich bin unterdessen sehr stolz auf unser Brombeersortiment, und ich rechne mir einige Chancen aus, in der mir verbleibenden Züchterzeit vielleicht die Hierarchie doch noch einmal zugunsten der Brombeeren umzukehren… bei den ebenso einfach zu kultivierenden wie aromatischen und auch winterfesten Navaho® Brombeeren ist uns das vielleicht auch schon ein bisschen gelungen. Ihr merkt, ich bin vorsichtig mit meinen Formulierungen – und zum Ende dieses Erlebnisberichts werdet Ihr auch wissen warum…
Ich bin nämlich fast wider Willen und trotz schwerster Fehler und Unterlassungen in die Brombeerwelt hineingestolpert. Eigentlich sind die meisten unserer Sorten nämlich ein Produkt des Zufalls, der glücklicher war, als ich es verdient hätte. Natürlich sind alle, na ja fast alle Züchtungserfolge ein Produkt des Zufalls, aber meine Brombeergeschichten toppen alle meine Züchtererfahrungen…
Vor ca. 30 Jahren bestellte ich beim grossen Brombeerzüchter Jim Moore in Fayetteville in Arkansas einige Wurzeln zur Testung einer neuen Sorte: Damals züchtete ich zwar schon gerne und probierte auch ziemlich viel aus, aber eigentlich hatte ich weder Zeit noch Geduld (und erst recht kein Geld) dafür. Es ging darum, unsere Produktion ins Laufen zu bringen, die Tage hatten kein Ende und ein Wochenende ohne Baumschularbeit war kaum denkbar. Auch blieben viele meiner damaligen Züchtungsversuche irgendwo im Dschungel (bitte wörtlich nehmen…) oder Chaos stecken. Aber diese aus den amerikanischen Wurzeln gezogenen Brombeerpflanzen gaben sich mit ihrem traurigen Schicksal einfach nicht zufrieden und glänzten mit ihren Früchten solange, bis sie entdeckt wurden. Eines Tages kam meine Tante zu mir (die der schwarzen Versuchung im nahen Versuchsdschungel nachgegeben hatte), und berichtet begeistert, so gute Brombeeren hätte sie noch nie gegessen. Navaho®, heute Navaho® 'Original', gezüchtet von Jim Moore in Arkansas war in Buchs SG in der Schweiz wiederentdeckt worden. Ihr Erfolgsgeheimnis: Sie war für eine Brombeere extrem aufrechtwachsend und stabil, darum konnte sie auch im damaligen Züchtungsdurcheinander Aufmerksamkeit erregen, ihre reich beladenen Fruchtruten blieben aufrecht stehen. Dazu kommt eine für eine Brombeere auffällige Fruchtfestigkeit (sie fault auch reif oder überreif noch nicht am Strauch), kann also problemlos vollreif geerntet werden, immer noch ist sie knackig im Biss, und vollreif süss mit einer Aromatik, die in der Nase noch etwas parfümartiges nachklingen lässt.
Bild: Brombeere Original Navaho® – die erste dornenlose Brombeere, die schmeckt!
Es gab aber noch mehr Zufälle in meiner Brombeerhistorie: Als gutwilliger, aber leicht überforderter beginnender Züchter gab ich nicht klein bei, ich kreuzte Navaho® mit Loch Ness. Und wieder musste ich die resultierenden Pflanzen über Jahre ihrem Schicksal überlassen, weil einfach zu wenig Zeit war für die sorgfältige Evaluation und für einen kunstgerechten Anbau. Diesmal war es meine Frau, Magda, die mit ihrem angeborenen Ordnungssinn einige vernachlässigte Topfpflanzen aus dieser Kreuzung topfte und wieder umtopfte und auch die Früchte nicht aus den Augen liess. Das Resultat, waren wieder zwei unverdiente neue Sorten: Navaho® 'Bigandearly'® und Navaho® 'Summerlong'®.
Bild: Brombeere Navaho® 'Bigandearly'® – die erste Brombeere, die im Hochsommer reift.
Bild: Brombeere Navaho® 'Summerlong'® – die höchsten Erträge, und das auch noch im Sommer.
Noch mehr glückliche Brombeerzufälle gefällig? Auch damit kann ich dienen: Ca. 12 Jahre, nachdem ich einem benachbarten Obstbauern eine ganze Brombeeranlage mit Navaho® verkauft hatte, ging ich zur Erntezeit durch seine Anlage. Sozusagen im Gehen (das soll ja das Denken und offenbar auch die Aufmerksamkeit fördern) fielen mir einige abweichende Pflanzen auf. Könnten sich da die Navaho® Brombeeren sozusagen selber, ohne willentliches Zutun des Züchters gezüchtet haben? An Brombeerzufälle unterdessen gewöhnt und offenbar schon ziemlich hellsichtig geworden, vermehrte ich die auffälligen Pflanzen und testete sie über die nächsten 10 Jahre. Die beste und grossfrüchtigste davon, auch wieder mit einem schön aufrechten Wuchs, wurde unsere nächste Navaho®-Sorte: 'The Big Easy'®. Ja leichter und einfacher kann ja Züchten gar nicht sein!
Bild: Brombeere Navaho® 'The Big Easy'® – grosse Blätter, grosse Blüten und grosse Früchte zeichnen diese Brombeere aus.
Der Brombeerzufallsgenerator scheint sich aber noch nicht ausgewürfelt zu haben: Unterdessen selektionieren wir alle paar Jahre in England (in East Malling) und in Buchs einige Hundert, in gewissen Jahren auch einige Tausend neue Brombeer-Kreuzungen und Sämlinge, um endlich auch ganz gezielt die Brombeerwelt zu perfektionieren. Es muss ja auch irgendwie gezielter und systematischer gehen! Wir betreiben zwar Züchtung noch immer nicht als mathematische Wissenschaft, aber doch immerhin als Lotterie mit relativ hohem Aufwand und handwerklicher Erfahrung. Die Chaostage unserer jungen Baumschule sind – meistens – vorbei.
Aber so ganz brav scheinen sich die eigenwilligen schwarzen Vettern der Himbeeren nicht an unsere Züchtungsregel zu halten, dass nämlich entsprechend grosser Einsatz fast automatisch einige Gewinner ergibt. Das hat sicher mit der genetischen Struktur der Brombeeren zu tun, die einen vierfachen, manchmal sogar einen sechsfachen Chromosomensatz (und nicht nur einen doppelten wie die Himbeeren) aufweisen. Das ergibt ganz einfach mehr Diversität, die boshafterweise mehrheitlich auf die schlechtere Seite tendiert…
Aber ich will ja jetzt nicht klagen, und habe auch wenig Anlass dazu: Jedenfalls besuchte ich auf der letzten USA Reise vor Covid wie immer auch einige Supermärkte, um einen Eindruck vom Beeren- und Obstangebot zu bekommen. Mir fielen einige Fruchtdisplays auf – natürlich mit verführerisch glänzenden Brombeeren. Einige Schalen waren ziemlich geheimnisvoll mit Driscoll Nr.1, andere mit Driscoll Nr. 2 und 3 angeschrieben. Und wieder setzten sich die Brombeeren durch, ich konnte gar nicht anders und kaufte von allen drei Sorten je eine Schale. Zur Begeisterung meiner begleitenden Familie mussten die schon saftenden Früchte mit in den Koffer, zurück nach Europa, als schwarze Schmuggelware. Zuhause in der Schweiz wurden dann die Samen gewonnen und getrocknet, stratifiziert und ausgesät. Wie immer bei den Brombeeren entstanden aus den Tausenden von Samen nur einige Hundert Sämlinge, deren Früchte ich diesen Sommer degustieren konnte. Driscoll Nr. 1 war nichts, auch die Sämlinge von Driscoll Nr. 2 waren zum Verzweifeln, aber bei Driscoll Nr. 3 sah ich vor meinem Züchterauge (nach meinem Züchtergaumen) bei einigen Pflanzen die Zukunft der Brombeere. Nicht nur trugen einige Sämlinge riesige Früchte, die auch zu einem frühen Erntezeitpunkt schon süss waren, jedenfalls nochmals viel süsser als fast alle anderen Brombeeren in unseren Versuchen, auch wiesen sie eine sehr feine und fast schmelzende Textur auf. Zusätzlich spaltet die Population aus Driscoll Nr. 3 wundersam auf, eine Mehrheit trägt an den zweijährigen Ruten, aber eine qualifizierte Minderheit zeigt die Früchte schon früh an den diesjährigen neuen Ästen. Die nächsten Jahre werden zeigen, in welches Brombeerglück ich da wieder hineingestolpert bin…
Vorsichtige und schlaue Brombeerliebhaber, die jetzt einen Brombeerpflanzenkauf aufschieben wollen, weil ja die perfekte Brombeere erst noch kommen wird, seien aber gewarnt: Das kann bei Brombeeren leicht noch alles schiefgehen, und bei der unglaublichen Verführungskraft der schwarzen Kraftbeeren kann man in der Sommerhitze auch leicht einer Fata Morgana erliegen.... Übrigens ist für den Züchter die nächste, noch nicht fertige, aber schon erahnte Sorte immer die beste. Würde man aber auf sie warten, könnte man leicht die Realität der bestehenden guten Sorten verpassen…
Zwar sollte man sein Glück nicht zu Tode analysieren, aber vielleicht wäre es jetzt doch an der Zeit, einmal über mein Brombeerglück nachzudenken: Brombeeren, gute Brombeeren setzen sich ganz einfach durch, auch gegen menschliche Unfähigkeit und Vernachlässigung. Während gute und auch die besten Himbeeren einfach verschwinden können, wenn es ihnen nicht passt, heischen die schwarzen Schafe äh Brombeeren unermüdlich um Aufmerksamkeit, bis sie erkannt und geschätzt werden.
Bild: Brombeere 'Columbia Star' – die dornenlose Heckenbrombeere mit dem gigantischen Ertrag und den riesigen Früchten.
Und da sind zuletzt und eigentlich ganz am Anfang auch noch die Brombeermenschen, die einfach gut sind. Jim Moore, einer der grösste Beerenzüchter des 20. Jahrhundert und Ur-Vater der Original-Navaho, dann sein gitarrenspielender und schlauer Nachfolger John Clark, der erste Züchter von Herbsthimbeeren und schliesslich der riesenhafte Chad Finn, der die Heckenbrombeeren der Columbia-Familie (z.B. 'Columbia Star') 'erfand'; sie alle gehören zu den eindrücklichsten Gärtnerpersönlichkeiten, die ich in 30 Jahre getroffen habe. Offenbar gehört Charakter dazu, an die Brombeeren zu glauben, bis sie sich entdecken lassen. Alle drei waren und sind durch nichts von ihrer Vision abzubringen, dass Brombeeren eine Zukunft haben, die dereinst vielleicht sogar die stolzen Himbeerprinzessinnen in die Schranken weisen wird. Unsere Züchtungsarbeit bei Lubera bauen wir auf den Schultern dieser Züchter-Riesen, aber wie die Geschichte und die Geschichten zeigen, brauchen wir fast immer auch eine gehörige Portion Glück zum Brombeererfolg…
Entdeckt Für Euch das schwarze Brombeerglück, pflanzt Brombeeren!
Herzliche Grüsse
Markus Kobelt