Neulich hab ich mir vier Eternitkistchen gekauft, die ganz gewöhnlichen 60-Zentimeter-Modelle, mit Untersätzen und Halterungen für die Balkonbrüstung dazu. Ich weiss, die Eternitkästen hatten lange Zeit einen schlechten Ruf. Sie galten als spiessig, und vor allem galten sie als gesundheitsschädigend und politisch bedenklich. Dabei werden die Faserzementkästen seit Jahrzehnten ohne Asbest hergestellt. Die Eternit AG in Niederurnen fertigt die klassischen Blumenkästen schon seit 1990 komplett asbestfrei.
Was ob all den Skandalen um Arbeiter, die an Asbestose erkrankten und lange um Entschädigung kämpften, fast vergessen gegangen ist: In den 50er Jahren entstanden einige Designklassiker aus dem Material, die ihrer Zeit weit voraus waren. Insbesondere Max Guhl hat damals organische Gartenmöbelformen geschaffen, die bis heute für das Industriedesign der Schweiz stilprägend sind, wie beispielsweise den Blumenständer Diabolo, oder den weltberühmten “Loop Stuhl”. Im “Vitra Design Museum” ist noch einer dieser legendären Gartensessel vorhanden. Seine Oberfläche wurde versiegelt, um den Sessel unschädlich zu machen und das Zeitdokument so erhalten zu können. Und die guten alten Eternitkästen haben es inzwischen sogar in den erlesenen Katalog von Manufactum geschafft. Auf der Webseite schreibt Manufactum, ihrem Eindruck nach sei man sich in der Schweizer Firma durchaus aller Schwierigkeiten sehr bewusst, und die Eternit AG habe den Mitarbeitern gegenüber Verantwortung übernommen. Wenn sie das sogar bei Manufactum sagen, dann sollte es nun ok sein, die Kästen guten Gewissens wieder zu kaufen.
Und so haben wir hier ein historisch belastetes, an sich aber interessantes Produkt. Aus ökologischer Sicht sind mir die Faserzementkästen auch lieber als die handelsüblichen Plastikkistchen, die spätestens nach einem frostigen Winter in hundert Stücke zerbröseln und ersetzt werden müssen. Und kommt mir jetzt nicht mit Terracotta, das funktioniert frosttechnisch in Kastenform nie und nimmer auf die Dauer. Eternitkästen hingegen halten ewig. Und in ästhetischer Hinsicht finde ich sie weit besser als so ziemlich alles, was der Handel derzeit bietet. Gerade weil sie so schlicht und neutral wirken, sind sie zum Bepflanzen genial. Es passt nämlich alles, es passt immer. Ausser vielleicht Pelargonien. Das wäre dann sozusagen die Verdoppelung der Spiessigkeit: Pelargonien in Eternitkästen, lasst das eher bleiben. Entweder Pelargonien, die ich auch sehr liebe, oder aber Eternitkästen, und sich dann bei der Bepflanzung was Originelles einfallen lassen. In meinen vier Kästen wachsen derzeit Thymian, Chilies, eine Minipaprika, eine Cherrytomate, ein Rosmarinbäumchen. Dazu habe ich Petunien und Verbenen kombiniert, rote, orange und violette. Und ausserdem ist da noch eine Duftgeranie, deren Kauf ich beim besten Willen nicht widerstehen konnte. Aber Duftpelargonien zählen punkto Spiessigkeitsfaktor sowieso nicht als Geranien, wobei ich auch Geranien sehr gern habe. Aber eben nicht in Eternitkistchen. Gut, so eine schöne alte Sorte wie die ‘Stadt Bern’ darf man natürlich klassischerweise auch in Eternitkistchen pflanzen, insbesondere dann, wenn man in der Berner Altstadt wohnt, oder ein prächtiges Bauernhaus sein eigen nennt. Dann sind die roten Geranien in den traditionellen Kistchen eigentlich ein Muss.
Aber ich hab weder Bauernhaus noch eine schicke Altstadtwohnung. Und ihr fragt euch vielleicht, wie zum Teufel ich dann überhaupt auf die Eternitkistchen gekommen bin. Ja, ich bin mal wieder umgezogen. Ich habe zwar immer noch zwei Balkone, aber nur ganz kleine. Und da gehören nun mal Kistchen an die Brüstung. Ohne wäre es platzmässig unmöglich, auch nur annähernd genug Kräuter, Sommerblumen und Miniaturgemüse unterbringen zu können. Genug, das sind so viele, damit einerseits der Balkon schön bunt daherblüht und wir anderseits jeden Tag ein bisschen was für die Küche ernten können. Das ist das Wesentliche. Ausserdem habe ich noch zwei Säulenäpfel, eine Miniaturaprikose und ein Zwergpfirsichbäumchen in Kübeln, sowie diverse mittelgrosse und kleinere Töpfe mit Lorbeer, Minze und anderen Kräutern, die für die Eternitkistchen zu gross würden. Ein Tischchen und zwei Stühle sind auch da. Und wenn ich das alles ein bisschen gescheiter arrangiere - es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem ich nicht die Kübel hin und her rücke, um noch ein paar Quadratzentimeter Fläche zu gewinnen - ja dann schaffe ich es vielleicht sogar noch, den vor zwei Jahren halblebendig aus einem Grüncontainer geretteten und in eine schön kompakte Form geschnittene Feigenbaum aus dem Garten hier unterzubringen, der nämlich ganz zauberhaft aussehen würde auf unserem neuen Stadtbalkon. Aber bevor ich den auch noch herbeischleppe, werde ich erst einmal abklären, wie das mit der Statik aussieht. Über den Daumen geschätzt und nach meinem Bauchgefühl habe ich den Eindruck, dass ich hier nun jedenfalls keine Party mit allzu übergewichtigen Gästen mehr veranstalten sollte. Wobei, mehr als zwei Stühle haben hier eh keinen Platz, insofern erübrigt sich das Thema mit der Balkonparty. Dafür haben wir ja immer noch den Garten.