Irgendwie klebt an meinen nicht ganz seltenen englischenGartenreisen das Pech. Erinnern Sie sich noch, wie ich nach der Chelsea-Flower Show in Heathrow den Flug verpasste – und dann ganz elendiglich im Hotel Savoy, dem schlechtesten Luxushotel der westlichen Welt landete? Und auch dieses Mal, diese Woche, war es nicht anders: Schon in Zürich, Mittwochs um 6 Uhr früh, schüttete ich mir einen vollen, heiss gebrühten Kaffee über die frischen Reisejeans … Damit hatte ich aber immerhin meinen Standing Joke für die gepflegte Konversation mit meinen englischen Gastgebern: Coffee prewashed jeans … or would youprefer a cup of tea? Zeit, neue Jeans zu kaufen, hatte ich jedenfalls nicht, bis eigentlich zum zweiten Abend, Donnerstag, als ich – ja natürlich! – meinen Flug verpasste. Zu schade (für die Jeans), dass ich dann doch den ganzen Abend im gemütlichen Businesshotel in Heathrow (ich sage Ihnen: immer noch um Klassen besser als das Savoy!) damit verbrachte, Mails zu beantworten.
Und das war's dann auch schon mit 'abenteuerlich', denn meine Besuche bei drei englischen Gartenfrauen kann ich ja nicht gut und korrekt als Abenteuer bezeichnen … Bevor ich mich da in weiteren Wortspielen verheddere: Es geht in diesem Reisebericht ganz einfach und konkret um die drei besuchten Garten- und Pflanzenfrauen, um Feli, Fran und Joy.
Feli
Felicidad Fernandez
Feli ist die wohl cleverste und vielseitigste Pflanzenzüchterin, die mir je begegnet ist. Sie hat in Spanien studiert, sich auf Pflanzenzüchtung spezialisiert, ist dann irgendwie in East Malling, Kent hängengeblieben, und wie ein Naturgesetz , als wäre sie ein Züchtungsmagnet, sammelt sie immer neue und noch mehr Züchtungsprogramme. Feli züchtet Obstunterlagen (das ist die hohe und garantiert brotlose Schule der Züchtungskunst), sie kreiert aber auch neue Äpfel, Himbeeren und Kirschen. Und gerade sind ihre Bosse und ich dran, ihr noch ein kleines bisschen Brombeeren anzuhängen: Das geniale Mädchen wird's schon richten!
Feli hat so eine Art, mich zu testen. Und ehe ich‘s versehe, bin ich der Schüler. „Ja Markus, ich habe da fünf neue Sommerhimbeeren, K2, K3, K4, K11 und U44. Nein, keine Berge, sondern Himbeeren! Schau sie dir doch mal an und sag mir, welche Sorte Deiner Meinung nach die Beste ist.“ Und dann gehe ich in sengender englischer Hitze, über die Mittagszeit, wo sich an der ganzen Forschungsanstalt, ja wohl in der gesamten Grafschaft niemand ohne Sonnenschirm und Strohhut unter den blauen südenglischen Himmel traut, da gehe ich also unter diesen unwirtlichen Bedingungen subito aufs Feld und versuche der Lehrerin,die notabene 10 Jahre jünger ist, gerecht zu werden. Ich schau mir diePflanzen an, notiere Boniturnoten zu Wuchs, Gesundheit, Fruchtgrösse, Fruchtform, Dornen und immer wieder zum Geschmack, bis ganzganz kurz vor dem Würgereiz (zu viel Himbeeren in zu kurzer Zeit können wirklich toxisch wirken, habe ich mehr als nur einmal erlebt). Nachdem ich die Wiederholung eben dieses Erlebnisses gerade noch knapp verhindern konnte, gehe ich stolz und wie von einer Last befreit zur gestrengen Lehrerin zurück, um mein Resultat zu rapportieren: „Feli,Congratulations, du hast da wirklich einen züchterischen Fang gemacht. K2 bis K4 sind wohl die besten Sommerhimbeeren, die ich je gegessen hatte, soviel Zucker, und doch auch Säure, und dieses bis in die Nase spürbare Aroma, ein neues Himbeererlebnis. Auf der anderen Seite die U44, ein ganz anderer Typ, wohl runder und gefälliger im Aroma, eine ganz Süsse mit wenig Säure, für mich etwas langweiliger, aber sehr fest, ein absoluter Winner-Kandidat für den Erwerbsanbau. Dazu, weil dornenlos, auch für meine Gartenkunden interessant. Für mich persönlich aber stehen die Ks im Vordergrund, so ein Aroma habe ich noch nie bei Himbeeren gefunden, aber welche der 3 K‘s wäre die beste? Ich plädiere für K2!“ Feli nimmts zur Kenntnis, lächelt nur wissend, auch ein bisschen zufrieden, ganz offensichtlich liege ich nicht ganz ‚falsch‘, lässt sich aber selber nicht weiter auf die züchterischen Äste hinaus. Wahrscheinlich denkt sie bei sich, so sympathisch hintersinnig , wie nur Züchter über andere Züchter denken können: „Ha, da liege ich mit meiner Beurteilung doch richtig. Aber auch gut, dass er nicht gemerkt hat, dass eigentlich K3 viel besser ist!“
Fran
Francijne Suermondt
Ich kenne Fran eigentlich schon seit 4 Jahren, als sie bei Suttons unsere Redlove-Kampagne, die extrem erfolgreiche Einführung unserer rotfleischigen Äpfel auf dem englischen Gartenmarkt, betreute. Sie war es auch gewesen, die meinen Vortrag vor der in einem College versammelten Garden Writers Gang äh Guild mit einem unnachahmlich britischen Soundtrack untermalte: All you need is … na ja klar: Redlove.
Dann hatte ich sie aus den Augen verloren und als ich jetzt nach einem englischen Botschafter für unseren neuen UK-Shop, nach einem PR-Undercover-Agenten für England suchte, da schlug mir nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens der Gartenautor James Wong gleich Fran vor. “Fran is freelance now.“
Also ging es nach der Züchterschulung bei Feli zu Fran an die Englische Riviera in Devon (ja in unserer Branche wallfahren die Arbeitgeber zu den Arbeitnehmern!) und Fran war noch immer genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte, und fast genau so, wie sie ihr Bruder für ihr neues Firmenlogo malte: Elegant, doch etwas schräg, höflich, doch auch schnell und witzig, lustig, doch auch klar strukturiert. Und vor allem ausgestattet mit einem fast biblischen Wissen um Garten und Gartenkontakte, um Zeitschriften und Autoren, um Journalisten und Journalistinnen. Und mit allen englischen Gartenbauwassern, die halt doch etwas speziell sind, gewaschen: Sie brachte an der Edible-Gardenshow im März Prince Charles dazu, ganz unroyal, doch äusserst jovial in lautes Lachen auszubrechen (noch hat sie mir nicht gesagt, wie genau ihr dies gelang), und der Leadsänger von DeepPurple, Ian Gillan, der vor seiner gartenbaulichen Initiation schon mal längere Haare hatte, ging ihr ganz brav zur Hand, als es darum ging, einen Showgarden zu eröffnen.
Langer Rede kurzer Sinn: Die Wallfahrt zu Fran hat sich gelohnt, sie ist ab sofort unsere Botschafterin in England. Und eines verspreche ich mir davon ganz bestimmt: Sollte Prince Charles wieder einmal eineGartenbaumesse besuchen, kommt er ganz sicher auch bei uns vorbei! Soviel zu lachen hat er ja sonst nicht.
Joy
Joy Michaud
Eigentlich wollte ich ja ihren Mann besuchen. Er hatte in ‚The Garden‘,der Zeitschrift der Royal Horticultural Society, einen Artikel über Tomaten geschrieben, der mir die unsäglich komplizierte Tomatenwelt plötzlich viel klarer und verständlicher machte. Und ich wollte ganz einfach sehen, was er da mit seiner Frau Joy in Dorset, mit freiem Blick auf den Kanal („yes we are overseeing the channel) so alles züchtet und testet und macht.
Dann war ich aber zu spät, das Gespräch mit Fran hatte zu lange gedauert, und Michael war nicht mehr da, und auch Joy hatte eigentlich gar keine Zeit. Denn all das Gemüse in den Züchtungstunnels musste jetzt sofort gegossen werden, dieses und jenes Malheur war gestern passiert und eigentlich duldete das Giessen gar keinen Aufschub, aber sie könnte mir ja vielleicht doch einiges erzählen, beim Giessen, wenn mir das nichts ausmachen würde. Und es machte mir nichts aus. So bewegten wir uns den Hügel hinter ihrem Haus hinauf, in die vielen kleinen Plastiktunnels und Glashäuschen hinein. Da werden die schärfsten Chilis (ich sage nur: Dorset Naga!) und die robustesten Tomaten vermehrt, Fremdbefruchtung ist nicht erwünscht, so dass dann das Saatgut auch sicher sortenecht ausfällt.
Joy hatte unterdessen vergessen, dass sie eigentlich giessen wollte, es ging von Glashäuschen zu Plastiktunnel immer weiter, ja was ich denn züchte, wollte sie wissen, was mich denn da bei ihnen interessiere, und weiter ging‘s, von Tomaten über Chilis bis zu den Salaten.
Mir gefällt vor allem, dass Joy und Michael alle ihre Sorten, die sie bei Seaspringseeds anbieten, auch selber unter Gartenbedingungen testen, dass sie die gleichen ganz einfachen Fragen und Anforderungen an Sorten stellen, die eigentlich überall die Gärtner bewegen: Zum Beispiel wollen sie nur Salatsorten verkaufen, die nicht für den Gemüsebauern optimiert sind, die nicht gleich nach dem optimalen Erntezeitpunkt (den es so im Garten gar nicht gibt) ausschiessen, sondern die möglichst so lange geerntet werden können, bis das letzte Blatt, der letzte Kopf in der Schüssel gelandet ist. Und dann die Passion, die Joy und Michale auszeichnet: Sie ist schon so gross, dass die beiden im Sommer schon fast zu Gefangenen ihres gartenbaulichen Tuns geworden sind, sie kommen zu zweit gar nicht mehr weg! Wer soll denn sonst das Gemüse giessen?
„Wollen wir einen Tee trinken, oder doch etwas Kühles?“ Höflich (ich weiss ja, wo ich bin) wünsche ich Tee, um dann doch anzumerken, dass etwas Kühles vielleicht auch nicht ganz schlecht wäre.Wir sitzen auf alten Gartenstühlen, die eigentliche Sitzbank und der Tisch sind von Gemüsepflanzen besetzt, wir reden über die nicht ganz leidlose Beziehung des Gärtners zu den fordernden Pflanzen, bis ihr, fast wäre sie doch ein bisschen ‚weg‘ gewesen, doch noch das Giessen in den Sinn kommt. „Sorry, ich muss, Sie wissen, die Pflanzen… „ Und weg war Joy.
So konnte ich dann auch gehen …und verpasste doch den letzten Flug!