Achtung Frostschäden! Es ist wieder mal soweit. Einige Pflanzen treiben und beginnen zu blühen und gleichzeitig drohen bis Anfang Mai noch Frostnächte mit Minustemperaturen. Ich habe es selber in den letzten Tagen erlebt: In meinem Garten wurden die ersten offenen Blüten der Sternmagnolie leicht beschädigt, während die Pieris japonica in voller Blüte fast unbehelligt blieb (nur einige Dutzend leicht bräunlich gefärbte Blütenblätter). In der Baumschule erwischte es einige frische Austriebe von Mini- und Beerenkiwi mit Frostschäden, auch einige zu stark angetriebenen Bodendecker haben nun bräunliche Blätter oder Blattränder.
Die Pfirsiche in der Obstanlage und auch die Japanischen Pflaumen (von denen gesagt wird, sie würden zu früh für unser Klima blühen - genau das wollen wir einmal testen) blieben unbehelligt; hier zeigt es sich einmal mehr, dass noch geschlossene Blüten, auch Blüten im Ballonstadium, deutlich tiefere Temperaturen aushalten als offene Blüten; hier ist es gut und gerne möglich, dass Ballonblüten auch mal minus 2 bis minus 4 Grad aushalten.
Bevor wir uns den Gegenmitteln zuwenden, muss das Problem jedoch doch noch etwas relativiert werden: Viele Obstarten und Ziergehölze blühen eben deshalb über einen längere Zeitraum, haben gleichzeitig offene und noch geschlossene Blüten oder auch solche im Ballonstadium, damit bei Frühlingsfrösten eben nicht alles erfriert. Ich habe schon oft gestaunt, was nach einem starken Frühjahrsfrost dann doch noch alles zum Fruchten kam; gerade die Nachzüglerblüten beweisen dann ihre Existenzberechtigung.
Was kann man also nach einer Frostnacht noch unternehmen?
- Grundsätzlich gilt es, sich einen Überblick über den Schaden zu verschaffen. Immerhin kann das ja auch einen Einfluss haben auf die in der Saison geplanten Kulturmassnahmen. Einen blütenfreien und fruchtlosen Baum wird man z.B. auf keinen Fall auch noch düngen; er braucht die zusätzliche Energie schlichtweg nicht und würde sie nur in unnützes Triebwachstum investieren.
- Grundsätzlich gilt die Regel: Sind die Blütenblätter beschädigt, sind meist auch für die Fruchtbildung notwenigen Organe beschädigt …
- Ist beim Steinobst der aufgeschnittene Fruchtknoten braun gefärbt, kann von einem Ausfall dieser und anderer ähnlich geschädigter Blüten ausgegangen werden.
- Beim Kernobst mit mehreren Samenanlagen kann auch bei einer braunen Verfärbung des Fruchtknotens noch gehofft werden, dass sich einzelne Samenanlagen entwickeln; so gibt es immerhin noch Früchte, auch wenn sie sich manchmal unregelmässig entwickeln.
- Von einem Gemüsejungpflanzenproduzenten habe ich folgenden Tipp: Sobald man Frostschäden bei seinen Gemüsejungpflanzen vermutet, lohnt es sich, gleich am Morgen nach der Frostnacht die Jungpflanzen gegen die Sonne zu schützen und abzudecken. Erfahrungsgemäss ist der Schaden bei schnellem Auftauen weit grösser, als wenn die Pflanzen sich langsam wieder an höhere Temperaturen gewöhnen können.
Und wie kann man Frostschäden verhindern?
- Erstens natürlich mit Sortenwahl und Standort: eine frühblühende Sorte sollte halt nicht an frühe Standorte gepflanzt werden. Bei grundsätzlich gefährdeten Arten wie Pfirsich und Aprikose macht es deshalb Sinn, die sonst so geliebten Südwände eben nicht zu bepflanzen.
- Frostgefährdete Arten und Sorten pflanzt man am besten an einen Hang, wo die kalte Luft abfliessen kann.
- Ein über die früh blühenden Äste und Bäume geworfenen Tuch kann Wunder wirken - und zur Vollernte führen.
- Vor Frostnächten ist Bewässerung, die auch Blüten und Triebe nass machen könnte, absolut verboten. Die Verdunstungskälte addiert sich dann sozusagen zur Nachtkälte und führt zu stärkeren Frostschäden.
- Frostschutzkerzen, die man früher benutzte, um mit Wärme und Rauch die Blüten von ganzen Plantagen zu schützen, sind heute wohl nicht mehr zugelassen. Als ich vor ca. 10 Jahren die letzten verfeuerte, hatte ich vorsichtshalber vorher die Feuerwehr informiert ;-)
- Kontinuierliche Frostschutzberegnung ist wohl das effizienteste Mittel gegen Frost: Allerdings muss immer beachtet werden, dass die Frostschutzberegnung während der ganzen Zeit mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt kontinuierlich läuft. Denn nur die Wärme, die beim immer wieder neuen Gefrieren des Wassers frei wird, schützt Pflanzen und Blüten. Und genau derselbe Effekt, nur umgekehrt ablaufend, ist auch am Morgen nach der Frostnacht zu beachten: Man sollte die Frostberegnung laufen lassen, bis das Eis geschmolzen ist, um den negativen Effekt des auftauenden Eises zu kompensieren, das Wärme aus der Pflanze abzieht.
- Luftumwälzung: In den Obstpflanzungen in Washington State, im Columbia Bassin, sieht man überall riesige Windräder, die bei Frost die Luft umwälzen, höhere Luftschichten, die wärmer sind, mit niederen Luftschichten durchmischen… Und wie könnte man das im Garten umsetzen? Naja, der bastlerischen und technischen Phantasie sind da fast keine Grenzen gesetzt. Entsprechend begabten Gärtnerinnen und Gärtnern fällt dazu sicher eine Menge ein: Vor meinem geistigen Auge (ich bin da praktisch eher unbegabt …) sehe ich schon ein Wandspalier, das mit einem vor dem darüber liegenden Fenster angebrachten Ventilator mit wärmerer Höhenluft versorgt wird…
Zum Abschluss etwas Tröstliches: Falscher Alarm ist deutlich häufiger als wirklich totale Frostausfälle. Wie schon oben erwähnt, hat die Natur auch natürliche Strategien zur Blüten- und Fruchtausbildung trotz Frost entwickelt. Und der Mensch, übrigens im ganz besonderen Masse auch der Obstbauer, tendiert dazu, auf Probleme gleich mit einer übertrieben negativen Beschreibung zu reagieren - nicht zuletzt wohl mit dem unbewussten Ziel, dann später doch noch ein Erfolgserlebnis (nämlich Früchte) ernten zu können.
Noch etwas anders funktionierte die Selbsttäuschung im folgenden Falle: Ein Obstbauer telefonierte, er würde wohl dieses Jahr bei den Redloves®, den rotfleischigen Äpfeln mit Totalausfall rechnen müssen. Leicht erstaunt sah ich im folgenden Herbst seine Redlove®-Plantage, übervoll, vor lauter roten Früchten hatte man Mühe, die Blätter zu erkennen. Was war da passiert, frage ich den Frühjahrspessimisten? Seine Erklärung war ziemlich plausible: Bei den Redloves® sind auch die Fruchtknoten grün-braun-rötlich gefärbt, ebenso wie auch die Blätter und das Fruchtfleisch ja rot sind. Was wie ein Frostschaden aussah, war in Tat und Wahrheit die normale Färbung.
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