Zweierlei hab ich aufrichtig vermisst bei meinem neuerlichen Ausflug in die Arktis: Die Bäume. Und die Amseln. Beides hab ich umso freudiger wieder zur Kenntnis genommen nach meiner Rückkehr aus dem Eis. Und den Mond! Und die Nacht. Oh wie gut wir es doch haben hier in Mitteleuropa, mit unseren stattlichen Bäumen, den singenden Vögeln, den Sonnenauf- und untergängen.
Auf Spitzbergen habe ich auch Bäume gefunden, arktische Zwergbirken (Betula nana) und Polarweiden (Salix polaris). Ihre stricknadel- bis zu bei alten Exemplaren manchmal fingerdicken Stämmchen kriechen dem Boden entlang, und die Gewächse werden insgesamt nicht höher als zwei, drei Zentimeter. Viel zu klein natürlich, um einer Amsel Heimat zu werden.
Und so schaue ich nun die beiden grossen Birken vor unseren Fenstern in Biel mit neuen Augen an. Ich verzeihe ihnen sogar das lästige Geriesel. Zu Abertausenden streuen sie ihre Samen auf draussen trocknende Wäsche, bröseln meinen neuen Balkonteppich täglich voll, und das frisch gebügelte Tischtuch muss ich auch schon wieder ausschütteln. Bäume lassen ja immer was fallen, seien es Samen, oder dann im Herbst jede Menge Laub, und Birken gehören in dieser Hinsicht mit zu den Schlimmsten. Was bitte soll das werden mit euren Abertausenden von Samen, liebe Birken, weder auf den feuchten Socken noch auf meinem Balkontisch wird euer Nachwuchs gedeihen.
Aber egal, ein klein wenig bin ich ja auch wegen der Birken hier eingezogen. Und wegen der Zierkirsche, die so schön bis zu unserem Balkon im dritten Stock hinaufwächst. Ja ich möchte behaupten, es lohnt sich, für grosse Bäume das Quartier zu wechseln. Die letzten Jahre hatte ich vor allem mit Miniaturobst, Liliputgewächsen und Balkonfrüchten zu tun. Die hab ich immer noch, und sie machen uns viel Freude. Aber grosse Bäume!
Wie könnten wir auf die Dauer glücklich sein ohne grosse Bäume. Ohne Amseln drin, die uns frühmorgens wachpfeifen.
Ach die Amseln! Im Ateliergarten pickt ein besonders freches Amselweibchen direkt vor meinen Augen eine reife Erdbeere um die andere weg. Und daheim auf dem Balkon habe ich ebenfalls eine Amsel zu Gast, seit die Erdbeeren in den Eternitkistchen Früchte tragen. Da wird einfach alles weggepickt, und dass ich dabei zuschaue, stört die Vögel gerade gar nicht. Aber ich verzeihe ihnen fast alles, solange sie mich morgens aus dem Schlaf singen.
Nebst den Melodien das Wichtigste im Hochsommer ist natürlich der Schatten. Arm dran, wer nun keine grossen Bäume in seiner Nähe hat! Und jetzt ist es natürlich viel zu heiss, um welche neu anzupflanzen. Aber falls in eurer Umgebung die Bäume fehlen, dann schaut doch schon mal, wo sie stehen müssten, um an der richtigen Stelle Schatten zu werfen. Schlagt ruhig Dachlatten in den Boden, um den Schattenverlauf zu studieren. Sitzt ihr eher mittags draussen, oder am Abend? Wie wandert das Licht durch den Garten und welche Ecke entspricht euren Bedürfnissen? Und was für ein Baum könnte es sein, wie sollte er aussehen, wie gross darf er werden? Mit schönen Blüten im Frühling, mit Früchten im Sommer, mit prächtigem Herbstlaub? Oder am liebsten alles zusammen? Besucht vielleicht schon einmal die nächste Baumschule, um euch anzugucken, was es so alles gibt an interessanten Bäumen. In guten Baumschulen ist die Vielfalt schier überwältigend. Vielleicht findet ihr gleich einen Lieblingsbaum und könnt den reservieren, um ihn dann auf den Herbst hin zu pflanzen. Und sonst geht ihr Pärke und grosse Gärten mit altem Baumbestand besuchen, studiert die verschiedenen Bäume und geniesst den Schatten. Man kann ja auch einen Lieblingsbaum haben, der nicht bei einem daheim wächst.
Meinerseits möchte ich im neuen Garten gern noch einen Feigenbaum, und den einen oder anderen Apfelbaum pflanzen. Feigenbäume werfen besonders tiefen Schatten, und werden an einem sonnigen Standort auch erstaunlich rasch richtig gross. Und Apfelbäume schenken uns nicht nur süsse Früchte, sie blühen auch wunderschön. Punkto buntem Herbstlaub hingegen sind Kakibäume fantastisch, aber ob der Platz dafür hier auch noch reicht, muss ich noch schauen, und sowieso braucht?s in einem Mehrfamilienhaus Zeit, um mit allen Parteien zu reden und sich gut abzusprechen. Nur Geduld. Jetzt ist es zum Pflanzlöcher buddeln sowieso viel zu heiss, und die jungen Bäume hätten im Hochsommer auch Mühe, ordentlich anzuwachsen. Also hole ich mir nun erst mal ein Bier, setze mich unter die Birke und trinke das Glas rasch leer, bevor zu viele Samen im Schaum kleben.