Markus Kobelt besuchte diese Woche gemeinsam mit Sabine Reber die Chelsea Flower Show. So richtig mit Presseausweis – und mit seiner Videokamera. Die Videoliebhaber müssen sich noch etwas gedulden, bis die Filme bearbeitet und raufgeladen sind, aber natürlich haben wir Markus schon für diesen Newsletter gezwungen, einen Chelsea-Bericht zu schreiben.
Auweh. Schmerzen tut der Rücken dann am schlimmsten, wenn man am Schreibtisch sitzt und über das schreiben sollte, was die Rückenschmerzen verursachte: Gärten und Gärtnern. Sabine mailt mir gerade, dass es sie noch schlimmer erwischt hat; sie war gar im Spital und schwört nun Stein und Bein, dass sie nie mehr Schweres schleppen werde. Ich meinerseits versuche es mal mit Voltaren Dolo, denn beim ‚weniger Schleppen‘ müsste ich zuerst bei mir selber anfangen und das ist ziemlich unkommod.
Und überhaupt. Hatten wir so schwer zu tragen und zu schleppen, so tief zu bücken an der Chelsea Flower Show? Eigentlich nicht. Können Gärten denn auch Rückenschmerzen verursachen, wenn man sie nicht selber baut und pflegt?
Kopfschmerzen jedenfalls ganz sicher. Ich musste nämlich vorhin alle meine drei Kilogramm gesammelter Prospekte auslegen, um die richtigen Gärten in den Videos und Bildern zu identifizieren und den zuständigen Gartendesignern zuzuordnen. Eines wusste ich aber noch, der Brand Alley Renaissance Garden war bei uns beiden, bei Sabine und mir, unten durch, so dass wir beim Filmen gar die uns angeborene Zurückhaltung aufgaben und über die beliebige Kombination von historisierenden Versatzstücken lästerten. Und der Garten des neuseeländischen Weinanbieters Cloudy Bay hatte sich ebenfalls negativ eingeprägt, weil er doch den unausgesprochenen Wettbewerb ALLER Designer über die Verwendung der meisten Pflanzen pro Quadratmeter mit grossem Abstand gewann …
Aber natürlich gab es da unheimlich viele schöne Gärten, die sich jetzt unerklärlicherweise in der Erinnerung vermischen. Zum Beispiel der Daily Telegraph Garden vom Designer-Duo del Buono Gazerwitz: Der Garten ist von einer solchen Perfektion, dass es schon fast wieder weh tut (sic). Und dann wollte Sabine die ganze Zeit ein Interview machen mit Luciano Giubbilei, der den Laurent–Perrier Garden gestaltete, während ich mich (kameramässig) mehr zum Garten von Cleve West hingezogen fühlte, wo die ganze Zeit die sommerlich bekleideten und bestöckelschuhten Präsentatorinnen der BBC auf ihren blonden Einsatz warteten. Kein Wunder, dass man da etwas durcheinander ist. Und wahrscheinlich als Folge dieser Verwirrung meinten Sabine und ich am Dienstag, del Buono Gazerwitz hätten neben der ihnen sicherlich zustehenden Goldmedaille auch das alles überragende Prädikat ‚best in Show‘ gewonnen. Ha, dabei war es in Tag und Wahrheit der schöne italienische Designer mit dem sprechenden Namen, den Sabine dann doch leider Gottes nicht interviewed hatte (dafür aber Cleve West, der ebenfalls eine Goldmedaille gewann).
Da wird jetzt Markus etwas wirr und auch wir können nicht alles nachvollziehen. Aber dafür werden dann in den nächsten 2 Wochen nach und nach die Videos auf Youtube und gartenvideo.com hochgeladen, so dass sich der Wald aus Gärten und Gartengestaltern lichtet und klärt. Die Redaktion.
Nun dürfen Sie mich nicht falsch verstehen. Diese Favoritengärten sind wunderbar, austariert und perfekt. Die Feinheiten der Bepflanzung sind offensichtlich, auch wenn ich sie mangels botanischer Detailkenntnisse nur ungenügend beschreiben kann. Und die Übergänge, die Übergänge sind von so einer Leichtigkeit, dass man sie fast gar nicht bemerkt – und schon gar nicht merkt.
Hier liegt denn wohl auch das Problem. Was fehlt sind Show und Provokation, der Mut zur Farbe, das Wagnis offensichtlicher, demonstrativer Schönheit. Es herrscht Angst vor Kontrasten, vielleicht sogar vor sichtbarer Handschrift. Ganz offensichtlich kann Gartendesign irgendwann so elegant sein, dass es sich selber aufhebt.
Das alles hat auch etwas Dekadentes. Viele der erwähnten Gärten sind seltsam ungerichtet, ziellos. Sie sind für nichts und niemanden. Sie haben weder etwas Intimes, Schützendes für den Besitzer oder allgemein die drinnen Sitzenden, noch etwas Repräsentatives für den Zuschauer draussen. Die Besucher standen zwar ab Dienstag wie immer dreireihig vor den Gärten, aber ich hörte kaum Ausrufe des Entzückens, der Überraschung.
Und wissen Sie, wo die meisten Fans standen? Beim Garten des Überstars Alan Titchmarsh, dessen Garten zwar zu Recht keine Medaille bekam und auch eindeutig scheiterte, aber der wenigstens den Versuch einer Show unternahm. Es war, als würden sich die Zuschauer sagen: Lieber ein ins Kitschige abgleitender Natur- und Felsengarten als ein feinsinniges Nichts.
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