Einen so gut betreuten Redlove-Baum habe ich wirklich noch nie gesehen. Fast könnte man denken, er liege oder stehe auf der Intensivstation. Jedenfalls meint es der Gärtner sehr gut mit seinem Bäumchen. Ganz offensichtlich hat der Gärtner einen … na ja, eher technischen Zugang zur Gartenwelt. Er steckt, stützt und bindet, was das Zeugs hält. Er? Ja, ich glaube, es ist ziemlich offensichtlich, dass es sich um einen Mann handelt. Allein schon wie er seine 3 Stützen im Dreieck in den Boden steckt, damit die unteren Ästchen runterbindet und gleichzeitig über ebendiese Äste und die dadurch entstehende Verbindung zu den anderen Stecklein so etwas wie eine fragile Stabilität erreicht ? so (kompliziert) denken (fast) nur Männer. Natürlich läge mir nichts ferner, als zu behaupten, eine Frau würde eine solche Konstruktion nicht zustande bringen … aber am Ende wäre sie doch zu vernünftig, um solche Umwege zu gehen. Also eindeutig ein Mann.
Bleiben wir bei der Technik. Der Gärtner hat einen Zugang zum Garten, er weiss, dass flache Äste schneller tragen als steile, aber dann, ja dann übernimmt der Techniker oder Ingenieur in ihm. Er scheut ganz offensichtlich keinen Aufwand, um möglichst schnell an Ertrag, an Äpfel zu kommen. Liegt da nicht der Schluss nahe, dass unser Gärtner gleichzeitig ein absoluter Apfelliebhaber und pensioniert ist? Nur so sind Zeitaufwand und Intensität der Betreuung zu erklären. Irgendwo her muss aber das gärtnerische Wissen kommen. Da dieses nicht selten eine Generation überspringt, kommen die Eltern und die Töchter und Söhne in Frage, die für den nötigen Input sorgten oder noch sorgen. Und die Ehefrau? Na ja, zwar ist es durchaus denkbar, dass die Frau den Auftrag zur Baumerziehung an den Mann delegiert (sie ist für die Beeren, er für die Obstbäume zuständig), aber sie würde nie und nimmer ein solch überbordendes Gesamtkunstwerk im Garten akzeptieren. Das erinnert ja fast schon an die wackeren Schweizer Künstler Bernhard Luginbühl und Jean Tinguely. Nikki de Saint Phalle’s Kunst jedenfalls sieht anders aus.
Der Vergleich mit den Eisenmännern hinkt natürlich: Man schaue sich nur mal das für das Kunstwerk verwendete Material an: Sowohl die Stütze für die Stammverlängerung als auch die drei sternförmig angeordneten und fürs Runterbinden der Seitenäste zuständigen Aussenstützen sind … alte dicke Brombeerruten, der Dicke und dem aufrechten Wuchs nach zu urteilen fast sicher Navaho Brombeeren! Ein Lubera Fan! Und die parallel zu den hinteren Ästen noch zusätzlich verwendeten Leitplanken, die die Mitte mit den Aussenstützen verbinden, sind alte Himbeerruten … So nachhaltig kann doch nur ein Grüner sein! Ein Grüner der ganz alten Garde, der vielleicht in der Erdölkrise 73 sozialisiert worden ist ? Denn gegen die reine grüne Lehre der 68er und ihrer Kinder sprechen die ziemlich unbedenklich verwendeten Plastikschnüre. Aber wetten, dass unser Gärtner sie immer wieder verwendet?
Eins noch, vielleicht gehe ich jetzt aber wirklich zu weit mit meiner Hellseherei. Das Ganze ist auf schnellen Ertrag, nicht auf Langfristigkeit angelegt. Wie stabil ist das Gerüst bei starkem Wind? (Allerdings hilft da das ausgeklügelte Verbundsystem ungemein …) Und warum ist der Baumpfahl so kurz, dass er jetzt schon verlängert werden muss. Meine Vermutung: Der pensionierte Gärtner, Techniker von Beruf, ist in einem ziemlich fortgeschrittenen Lebensalter. Er will Früchte, möglichst schnell, er kümmert sich auch selber um den Baum, überlässt ihn nicht dem Gartenbauer, aber die Infrastruktur – bewusst oder unbewusst – ist nicht für 10 oder 15 Jahre gebaut. Er schlägt lieber keine neuen Pfähle oder Pflöcke mehr ein, da geht das Stecken der Brombeerruten viel leichter. Er kauft auch (fast) nichts mehr, benutzt alles, was er im Haus, im Garten findet. Es würde mich nicht überraschen, wenn er ein Sammler, ein Aufbewahrer wäre, dessen Garage schon lange nicht mehr dem Auto, sondern den gesammelten Schätzen zur Verfügung steht.
Nun aber, liebe Leser, liegt es an uns! Drücken Sie mit mir die Daumen, hoffen Sie mit mir inständig, dass das so intensiv betreute Redlove-Bäumchen blühen und Früchte tragen wird.
Red Love Era - ein 'heisser' Baum?