Beginnen wir mit etwas, das eher unglücklich ist. Kürzlich sagte mir eine Mitarbeiterin, sie werde bei Lubera (gemeint war deutlich auch ich) nicht glücklich werden. Ich war übrigens gerade dabei, am Feierabend eine glückmachende Zigarre anzuzünden, und dann das… Eines ist sicher: Glück und Unglück erreichen einen immer dann, wenn man sie nicht erwartet.
Das sass also. Lubera (und je nach Selbstbewusstsein auch ich) wären also für Glück und Unglück verantwortlich. Nach einer Phase der Selbstzweifel kam der rettende Gedanke: Ist Glück nicht etwas, das man selber suchen und finden muss? Wenn also jeder seines Glückes Schmied wäre, dann könnte ich wenigstens diese Verantwortung erleichtert abstreifen. Jedenfalls für andere, nicht für mich selber.
Das mit Glück und Verantwortung ist übrigens ein Begriffspaar, das nicht selten im Leben als echte oder vermeintliche Alternative auftaucht: Soll ich mich für mein Glück entscheiden, oder Verantwortung für mich und andere übernehmen? Die Alternative tönt jetzt eindeutiger, als sie es in der Realität ist. Das mit der Verantwortung ist nämlich nicht nur gut. Warum um Gottes Willen kümmerst du dich immer nur um andere und anderes? Ich tendiere bei solchen Entscheidungen fast automatisch zur Verantwortung, manchmal könnte man das auch fast als Flucht vor dem Glück (und einem selber) interpretieren. GLÜCKlicherweise sehe ich es nicht als meine Hauptaufgabe, mich selber zu interpretieren.
Zurück zum Glück: Was bitte ist Glück? Wo wäre es zu finden, allenfalls zu kaufen oder anderweitig einzutauschen? Kann man Glück vielleicht lernen?
Spätestens jetzt bleibt mir doch nichts anderes mehr übrig: Ich muss an mich selber ran – was ich ja gerade vorhin als Hauptaufgabe abgelehnt habe. Wann und warum bin ich glücklich? Genau dieser Verantwortung (für mich selber) kann ich mich letztlich nicht entziehen. Jetzt sowieso nicht, wo ich ja (sozusagen am eigenen Leib und Geist) gerade gelernt habe, dass andere dafür nicht verantwortlich gemacht werden können.
Liegt mein Glück wirklich in mir? So ganz stimmt der Erkenntnisgewinn doch noch nicht: Irgendwie bin ich doch nicht ganz selber für mein Glück verantwortlich. Glück hat ja auch die Wortbedeutung des 'glücklichen Zufalls': Da hast du noch einmal Glück gehabt. Und wer wäre dann für den glücklichen Zufall verantwortlich? Mit wem oder was können wir die Leerstelle des glücklichen Zufalls füllen? Ist es nicht gerade auch Glück, wenn ich nicht dafür verantwortlich bin? Jedenfalls nicht ganz? Einfach ganz von selber. Wenn das Glück einem zufliegt. (Glücksschmiede hören jetzt besser auf, mein Editorial zu lesen😉)
Das Glück selber ist wohl nicht zu fassen. Das Unfassbare ist geradezu eine Eigenschaft des Glücks. Konkreter kann es vielleicht werden, wenn ich mich frage, wann ich denn wirklich glücklich sei…
Wann bin ich glücklich?
- Auch ich bin glücklich am Samstagnachmittag, wenn auf der Couch das kurze Glück des Wochenendes, die Pause im Aktivitätsgemetzel winkt. Überhaupt sollte man das kleine Glück, die kleinen Glücksmomente nicht unterschätzen. Sie drängen sich eben nicht auf. Man muss sie nur sehen und erkennen. Das Glück, das kleine Glück auf jeden Fall, liegt im Auge des Betrachters.
- Ich bin eher glücklich, wenn ich gar nicht ans Glück denke. Der Anlass, übers Glück nachzudenken, ist meist ein leiser Hauch von Unglück.
- Ich weiss wirklich nicht, was Glück ist.
- Ich bin glücklich, wenn es wächst.
- Endlich ist ein Ziel für die Glückbetrachtungen eines Gärtners in Sicht: Ich bin glücklich, wenn es wächst!
Bleiben wir zunächst beim Allgemeinen: Wachstum betrifft ja nicht nur die Pflanzen, es betrifft auch Kinder, das Wissen, die Fähigkeiten, vielleicht auch den Fortschritt. Könnte Glück etwas mit Wachstum zu tun haben?
Verlustängste und Verluste sind ja wohl unwidersprochen so ziemlich das Gegenteil von Glück.
Ich bin glücklich, wenn es wächst: ES wächst. Da haben wir es wieder. Glück ist nicht ganz fassbar, der Urheber, die Glücksquelle bleibt im Ungewissen. Wir haben selbstverständlich selber etwas damit zu tun, aber ganz dafür verantwortlich sind wir nicht.
Vielleicht bin ich deshalb auch Gärtner und Pflanzenzüchter. Weil ich glücklich bin, wenn es wächst. Eine Knospe, ein Feld mit wachsenden Pflanzen, eine reife Frucht, wachsendes Wissen über Pflanzen und ihre Geheimnisse. Und ein Teil des Glücks besteht genau darin, dass dieses Wachstum zu einem schönen Teil ein Geschenk ist, zu einem guten Teil auch unverdient. Wie die neue Sorte unter Tausenden von unbrauchbaren Sämlingen. Glücklich halt. Manchmal bleibt das Wachstum nämlich auch aus, wenn man noch so düngt und noch mehr arbeitet.
Es gehört zu einem brauchbaren Editorial, dass sich der Autor gefälligst mindestens einmal selber widerspricht: Begonnen habe ich damit, dass ich und Lubera ja nicht für das Glück verantwortlich sein können. Dann kam ich – zum Glück! – darauf, dass jeder selber für sein Glück verantwortlich sei, aber halt auch nicht vollständig. Und jetzt schliesse ich damit, dass Lubera vielleicht sogar Glück, wachsendes Glück produziert und verkauft.
Lasst es wachsen!
Herzliche Grüsse
Markus Kobelt