Samstagmittag, 12.30 Uhr. Meine Frau geht in den Garten. Schneiden. Ob ich auch mitkomme? Natürlich nicht! Ich muss ja den Newsletter schreiben …
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht auch so eine gute und schlagende Ausrede haben wie ich, dann ist es jetzt wirklich langsam aber sicher Zeit, in den Garten zu gehen, und zu tun, was notwendig ist, die richtigen Pflanzen richtig zurückzuschneiden.
Natürlich frage ich mich jetzt ein wenig, ob ich wirklich jedes Frühjahr meinen immer gleichen Schneidesermon absondern soll, aber andererseits … muss ja meine Frau auch jedes Frühjahr (meist alleine, ich gebe es zu, ich muss ja Newsletter schreiben) den Garten schneiden …
Also auf ein Neues! Schneider und Schreiber müssen sich halt in Ihr Schicksal schicken.
Ich höre schon die Frage: Aber warum soll denn jetzt im Frühjahr geschnitten werden, hätte das nicht schon längst im Herbst erledigt sein sollen. Dazu habe ich mir, auf dem Spaziergang vom Garten zum Büro, genau 10 Antworten überlegt:
- Ha, die obige Frage, ob der Herbst nicht besser gewesen wäre, habe ich natürlich schon längst als rhetorisch durchschaut. Denn auch wenn der Schnitt im Herbst zu erledigen wäre (was nicht der Fall ist), wäre dies noch lange kein zureichender Grund, es jetzt nochmals zu schieben. Die Versäumnisse von gestern rechtfertigen nicht die Ausreden von heute.
- Ja, ich bin zwar nicht gerade der Verfechter von strengen Gartenregeln, aber dazu stehe ich: Geschnitten wird im Frühjahr! Bei der Durchsetzung dieses Grundsatzes gehe ich ziemlich weit. Ich habe sogar meine Frau dazu gebracht, den Termin einzuhalten, die ansonsten durchaus nicht immer das im Garten umsetzt, was ich schriftlich predige …
- Jetzt zu den sachlichen Gründen: Beim Herbstschnitt laufe ich vor allem bei frostempfindlichen Pflanzen Gefahr, zu entfernen, was eh zurückgefroren wäre. Und wenn dann doch noch ein sehr kalter Winter kommt, friert die Pflanze einfach weiter zurück.
- Gerade alte Pflanzenteile von Stauden bilden vielfach einen natürlichen Winterschutz; enferne ich diesen schon im Herbst, sind die ausdauernden Wurzelpflanzen ungeschützt der Kälte und vor allem der Nässe ausgesetzt.
- Vor allem germanisch-ordentliche und alemannisch-korrekte Gärtner laufen Gefahr, beim Herbstschnitt immer früher zu schneiden. Man will ja den Garten möglichst früh und sicher in Ordnung haben. Und im September ist es halt schon angenehmer im Garten als später in November und Dezember. Und so werden dann auch frisch und fröhlich und ohne schlechtes Gewissen grüne Pflanzenteile geschnitten, die noch wochenlang assimiliert hätten, die geholfen hätten, Reservestoffe für die Pflanze anzusammeln.
- Im Herbst ist es bei den meisten Pflanzen fast unmöglich zu sehen, was sich entwickeln wird. Im Frühjahr dagegen, wenn die Knospen zu drücken beginnen, wird ganz deutlich, wo die Pflanze noch Kraft hat, wo sie umgekehrt eingetrocknet oder erfroren ist. Ich kann also viel genauer schneiden, als es im Herbst möglich wäre.
- Schneiden Sie gerne? Oder ich beginne andersherum: Ich habe in zwei Ausbildungsjahren im Obstbau den ganzen Winter geschnitten. Tag für Tag, bei fast jedem Wetter. Aus Pflichtgefühl und Gewohnheit auch bei minus 15 Grad (und mir dabei Erfrierungserscheinungen zugezogen). Das war hart, aber es war auch schön. Man kam vorwärts, obwohl nichts vorwärts ging. Baum für Baum. Und der Winter, die Vegetation stand still. Ein beruhigendes Gefühl, fast etwas beschwingt, vielleicht aber auch dank des täglichen Glühweins. Und jetzt drücke ich mich, indem ich meine Newsletterpflichten bis zum Samstag rausgeschoben habe? Ja es braucht halt doch Überwindung, sich an diese Schneidearbeit zu machen. Und ich weiss, dass viele Gärtner vor den irreversiblen Schneidemassnahmen regelrecht Angst haben. Und genau da setzt jetzt das siebte Argument für den Frühjahrschnitt ein: Jetzt weiss man, warum man es macht, der Frühling steht vor der Türe, man sieht das Licht am Ende des Tunnels. Auch ein gewisser Zeitdruck kann bei Gartenarbeiten (und beim Schreiben von Newslettern) nicht schaden: Wenn Sie es jetzt und in den nächsten Wochen nicht machen, dann ist es – für ein ganzes Jahr – zu spät!
- Die siebte Begründung war etwas zu lange. Und widersprüchlich. Wenn ich als Obstbauer ab Spätherbst den ganzen Winter schneiden konnte, warum soll das denn im Garten nicht erlaubt sein? Die Antwort darauf ist kurz: Weil der Garten kleiner ist als ein Obstbaubetrieb, weil im Garten in der Regel an zwei Samstagnachmittagen zu schaffen ist, wofür ein Obstbauer den halben Winter braucht.
- Sie fragen: Ja aber im Frühjahr regt sich das Pflanzenleben bereits, tue ich der Pflanze nicht weh, wenn ich in die schwellenden Knospen hineinschneide, wenn der Saft bereits in die Pflanze schiesst? Dieser Frager – so habe ich gelernt – möchten natürlich gerne hören, dass es bereits zu spät ist, dass sie die ungeliebte Pflicht auf das nächste Jahr verschieben können. Meine Antwort aber ist klipp und klar: Nein im Gegenteil, sehen Sie die schwellenden Knospen als Information, als Gesprächsangebot der Pflanze; sie sagt Ihnen, wo sie wachsen kann und will und sie können darauf angemessen reagieren. Und noch etwas: Vermenschlichen Sie die Pflanze nicht allzu sehr, sie beschädigen sie nicht etwa mit der Schere, sie helfen ihr vielmehr, sich neu zu entfalten.
- Nach dieser umfassenden Begründung bleibt Ihnen nichts anders mehr übrig, als ein Einsehen zu haben und heute, morgen oder am nächsten Samstag oder Sonntag den Garten zu schneiden.
- Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass das viel leichter und motivierter geht, wenn man vorher neue Pflanzen bei Lubera bestellt hat?