Manche Leute denken, dass Pflanzen nichts Wert sind, nach dem Motto: "Die wachsen ja von selber!". Und daraus schliessen sie dann, dass man Pflanzen einfach nehmen dürfe. Und die Früchte sowieso, "die reifen ja von selber!"
Neulich wurden bei mir im Rebberg-Garten oberhalb des Bielersees sämtliche Beeren geklaut, ja das grosse Erdbeerbeet und die Johannisbeersträucher wurden regelrecht geplündert bis auf die letzte Beere! Umso gemeiner war das, als ich am Morgen noch vorbeigeschaut und festgestellt hatte, dass sie nun alle perfekt gereift und süss waren. Also bin ich in die Stadt geradelt, um Confitürenzucker zu kaufen, dann habe ich die Gläser aus dem Keller geholt und sie ausgewaschen. Und wie ich alles vorbereitet hatte und voller Vorfreude in den Garten zurückkam mit meinen Erntekörbchen, ja dann war alles weg, sogar die kleinen Monatserdbeeren am Rand sowie diverse frisch gepflanzte Gemüsesetzlinge fehlten. Nein, das waren ganz sicher nicht die Amseln! Die nehmen ja nur die obersten Beeren, und wenn sie satt sind, fliegen sie wieder ins Gebüsch. Ich sage auch gar nichts, wenn jemand im Vorbeigehen ein paar Früchte vernascht, zumal wenn sie verführerisch über den Zaun hängen, kann ich das gut verstehen. Es ist immer eine Frage des Masses.
Auch Pflanzen klauen ist leider recht weit verbreitet, und ich rede jetzt nicht vom Klauen blühender Cannabisstauden - das ist dann doppelt blöd, wenn einem etwas an sich schon illegales auch noch gestohlen wird. Es kommt jedoch so oft vor, dass etliche Hanffreunde aus lauter Frust schon gar nichts dergleichen mehr anbauen, was man je nach Standpunkt natürlich bedauern oder beklatschen kann. Nein ich rede von Gemüse-Setzlingen, von frisch gepflanzten Blumen und Stauden. Ich rede von Stecklingen und reifen Samen, insbesondere den reifen Samenständen des Schlafmohns, die ja so hübsch aussehen. Oft möchte man die aber behalten, um die schönsten Sorten selber wieder auszusäen! Bei anderen Leuten ungefragt durch das Gartentor gehen und rübis und stübis alles leerräumen und wahlweise Früchte, frisch gesetzte Pflanzen, Zweige oder reife Samen nach Belieben einpacken, das ist schlicht Diebstahl, dafür gibt es keine Entschuldigung.
In England sind ja die rührigen älteren Damen berüchtigt, die auch bei schönstem Wetter mit einem geschlossenen Regenschirm zu Gartenbesichtigungen anrücken. Und in besagtem Schirm lassen sie dann allerlei Pflanzenmaterial zwecks Vermehrung verschwinden, wenn die Gartenbesitzer gerade nicht hinschauen. Nein, das mag schrullig sein, aber fair ist auch das nicht. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wem eigentlich die Pflanzen im weiteren Sinn gehören. Ich würde meinen, sie gehören erst einmal sich selber, denn Pflanzen sind Lebewesen mit eigenem Daseinsrecht. Aber wenn ich über Monate mein Erdbeerbeet jäte und hege und hätschle, dann würde ich natürlich schon erwarten, dass die süssen Früchte am Ende mir gehören (und ein paar können gern die Amseln nehmen.) Jeder und jede, der oder die schon mal selber etwas angebaut hat, weiss, wie viel Arbeit in so einem Gartenbeet drinsteckt. Genauso, wie man nicht einfach bei einem Bauern aufs Feld latscht und mal kurz die jungen Maiskolben abräumt, genauso klaut man nicht einfach die Früchte in einem fremden Garten. Und man klaut auch keine frisch gepflanzten Setzlinge, man reisst nicht einfach Stecklinge ab, und reife Samenkapseln lässt man bitte sehr ebenfalls stehen. Wenn man etwas unbedingt haben möchte, ja dann geht man eben hin und fragt recht freundlich. Die allermeisten Gartenleute teilen ja gerne. Ich teile sogar meine Beeren mit Besuchern, die zufällig zur Erntezeit hereinschauen. Aber man möchte bitte sehr aus freien Stücken etwas verschenken dürfen, und nicht hinterrücks der ganzen Gartenschätze beraubt werden. Das dürfte eigentlich allen einleuchten.
Nun gibt es aber auch kompliziertere Fragen von Pflanzen-Diebstahl, die den Sortenschutz betreffen. Wenn ein Züchter in jahrelanger Arbeit eine hübsche neue Rosensorte oder einen besonders leckeren neuen Apfel findet, dann kann er diese Sorte rechtlich schützen lassen. Das heisst, dass kommerzielle Anbieter sie dann nicht einfach weiter vermehren und verkaufen dürfen. Wenn ich eine sortenrechtlich geschützte Staude aber für die Verwendung in meinem eigenen Garten teile, oder gar das eine oder andere Stück davon an eine Freundin verschenke, dann liegt das wohl drin. Es gilt auch hier, etwas Augenmass zu halten, und den Respekt vor der Arbeit anderer Leute nicht zu verlieren.
Anders verhält es sich mit den alten Sorten, wie sie beispielsweise durch die Stiftung Pro Specie Rara vermehrt und wieder verbreitet werden. Die gehören ganz klar allen, und es ist wichtig, dass das auch in Zukunft so bleibt. Jeder und jede soll weiterhin seine eigenen Tomaten, die Kartoffelsorte der Oma oder einen besonders bewährten lokalen Salat selber vermehren und anbauen dürfen; insbesondere kleine Biobetriebe handeln mit diesen Sorten. Leider haben wir es aber nun im kommerziellen Bereich noch mit einem anderen Ausmass von "Diebstahl" zu tun. Internationale Saatgutmultis versuchen nämlich seit einiger Zeit, sich die Rechte an immer mehr Nutzpflanzen unter den Nagel zu reissen beziehungsweise diejenigen Pflanzen, die sie sich nicht so leicht unter den Nagel reissen können, mit fadenscheinigen Gründen durch die Hintertür aus dem Handel verschwinden zu lassen. Es sind die üblichen Verdächtigen, die uns dafür auch noch mit Glyphosat und anderen Herbiziden "beglücken". Darüber rege ich mich noch viel mehr auf als über ein paar Kilo gestohlener Erdbeeren.