Hast du schon mal etwas von der "Knolligen Platterbse" gehört? Naja zugegeben, der offizielle deutsche Name ist nicht wirklich sexy. Aber hinter diesem Ungetüm verbirgt sich eine recht erstaunliche Pflanze, welche lange zu Unrecht übersehen wurde. Die mit lateinischem Namen Lathyrus tuberosus genannte Pflanze gehört genauso wie die Erbse, Linse oder Bohne zur Familie der Hülsenfrüchtler. Genau wie diese anderen Gemüsearten zählt somit auch die knollige Platterbse zu den Leguminosen. Dies bringt mehrere Vorteile mit sich: Einerseits bindet sie Luftstickstoff im Boden und in der Pflanze. Dadurch kann die ausdauernde Staude auch in sehr armen Böden ohne viel Dünger gut wachsen und verbessert langfristig die Bodenfruchtbarkeit. Andererseits reichert sie in ihren Knollen und Blättern grosse Mengen an Proteinen an. Dies macht Lathyrus tuberosus zu einer sehr nahrhaften Pflanze. Interessanterweise sind die Wurzelknollen auch zusätzlich extrem reich an Vitamin C (3x so viel wie Zitronen) und Kalzium (2x so viel wie Milch). Im Lubera-Shop kannst du robuste und pflegeleichte Stauden kaufen.
Inhaltsverzeichnis
Wie sieht Lathyrus tuberosus aus?
Die Knollige Platterbse ist eine einheimische, mehrjährige Staude. Sie besitzt eine zentrale Knolle direkt am Triebansatz. Von dieser Knolle gehen unterirdische Triebe (dünne Rhizome) in alle Richtungen aus, an welchen wiederum Tochterknollen wachsen, ähnlich der Kartoffel. Überirdisch bildet sie ein erbsenähnliches Laub und wunderschöne rosa Blüten. Aus den duftenden Blüten wurde in der Vergangenheit Parfüm gewonnen und sie machen die Platterbse auch zu einer tollen Zierpflanze. Aus den Blüten entstehen Fruchtstände, welche an kleine Zuckerschoten erinnern. Die Pflanze kriecht über den Boden oder klettert bis zu 60 Zentimeter hoch.
Bild: Bei Lathryrus tuberosus handel es sich um eine winterharte Staude. Oberirdisch wirkt sie fast unscheinbar mit kleinen grünen Blättern und rosa Blüten.
Lathyrus tuberosus ist eine winterharte Staude, was bedeutet, dass das oberirdische Laub im Winter abstirbt und im Frühjahr wieder austreibt. Oft findet man sie wild am Wegesrand oder in der Nähe von Getreidefeldern. Sie liebt einen lehmigen, kalkhaltigen Boden, ist aber nicht sehr wählerisch und extrem hart im Nehmen. Egal ob Trockenheit oder arme Böden, die knollige Platterbse kommt gut damit zurecht. Selbst in Höhenlagen bis auf 1.600 Meter wächst sie noch sehr gut ohne menschliche Hilfe.
Bild: Die zarten rosa Blüten stehen in einem wunderschönen Kontrast zu den hellgrünen Blättern.
Was uns an der heimischen Wildstaude interessiert sind ihre Knollen. Diese lassen sich sehr einfach wie eine Mandarine schälen. Zwar sind sie auch roh essbar, jedoch ist der Geschmack einmal zubereitet deutlich besser. Am besten schmecken sie geröstet wie Esskastanien (ihr Geschmack und die Konsistenz erinnert auch stark an Maroni). Jedoch lassen sie sich genauso vielfältig zubereiten wie Kartoffel: Egal ob im Wasser gekocht, als Pommes oder Chips frittiert, im Gratin oder in der Pfanne gebraten; alles ist möglich.
Bild: Die Knollen von Lathyrus tuberosus sind schälbar und auch essbar. Am besten kommt ihr Geschmack zur Geltung, wenn man sie röstet oder kocht.
Die vergessene Geschichte der knolligen Platterbse in Europa.
Heute kennt fast niemand mehr diese kleine Knolle, jedoch sah es noch vor 200 Jahren ganz anders aus. Zu jener Zeit gab es allein in Frankreich mindestens 25 verschiedene regionale Namen für das Wurzelgemüse, was von ihrer weiten Verbreitung und Bekanntheit zeugte. Man fand wilde, halbwilde und in Gärten und auf Feldern angebaute knollige Platterbsen von Spanien bis Sibirien und von Schottland bis in die Türkei. Die Samen wurden als Kaffeeersatz gekocht, das eiweissreiche Laub galt als ausgezeichnetes Viehfutter und Kinder liebten die gerösteten Wurzelknollen. In Holland und am Niederrhein wurden die Knollen auf Feldern angebaut und bis nach England exportiert. In Frankreich fand man sie noch vor 100 Jahren regelmässig auf Märkten feilgeboten und französische Gourmets und Wissenschaftler wie Antoine Parmentier schwärmten von der nach Esskastanie und Haselnuss schmeckenden Wurzel. Noch heute wird die Pflanze gerne in ländlichen Gegenden der Türkei halbwild angebaut und gegessen.
Aber warum fiel diese einst so weit verbreitete und schmackhafte Knolle in Vergessenheit? Leider ereilte sie das gleiche Schicksal wie viele andere Ewige Gemüse® Arten. Mit dem Aufkommen der industriellen Landwirtschaft, der Einfuhr neuer Kulturpflanzen, wie der Kartoffel, und dem flächenmässigen Einsatz von industriell hergestelltem Stickstoffdünger war diese kleine Knolle plötzlich nicht mehr interessant. Ihr Ertrag war einfach viel zu niedrig und so vergas man Lathyrus tuberosus mehr und mehr.
Platterbse – erste Fortschritte in Züchtung
Möglicherweise hat dieses wunderbare einheimische Wurzelgemüse jedoch noch eine grosse Zukunft vor sich. Wir bei Lubera möchten dazu beitragen die vielversprechende Wurzelknolle wieder beliebter zu machen. Deshalb haben wir angefangen, das wilde "Unkraut" zu züchten und es in eine interessante Nutzpflanze für den Garten zu verwandeln. Hierzu haben wir im Frühjahr 2023 Samen aus verschiedenen Herkünften zusammengetragen und ausgesät. Ende Oktober erfolgte dann die Ernte der Sämlinge.
Bild: Auf dem ersten Blick wirkt das Beet nicht wie ein Versuchsfeld. Erinnern die oberirdischen Pflanzenteile doch stark an Unkraut.
Das grösste Hindernis für den Erfolg der Knolle war bisher der niedrige Ertrag. Eine durchschnittliche einjährige Hauptknolle wiegt nur 15 Gramm. Deshalb war unser Hauptkriterium bei der Auslese neuer besserer Sorten: Wie schwer ist die Hauptknolle? Alles unter 25 Gramm wurde verworfen und nur die besten 30 Pflanzen wurden behalten. Erfreulicherweise konnten wir sogar 8 verschiedene Pflanzen mit einem Ertrag von über 60 Gramm pro Knolle finden. Der Rekord lag sogar bei 106 Gramm. Also mehr als das 7-fache einer durchschnittlichen Pflanze. Man sieht also: Grosse Fortschritte sind in relativ kurzer Zeit möglich!
Jedoch ist Ertrag nicht alles, so haben wir auch auf schöne Knollenformen geachtet (man will ja keine Schwierigkeiten beim Schälen haben) und auf die Länge der Stolonen und die Grösse der sekundären Knollen. Im Idealfall sollten alle Knollen ähnlich wie bei der Kartoffel recht kompakt um das Zentrum liegen und nicht irgendwo in 80 Zentimeter Tiefe versteckt sein.
Bild: Ein erster Züchtungserfolg: Bei der Ernte konnte eine Knolle mit einem Gewicht von 106 Gramm geerntet werden.
Die Blattgesundheit ist ein weiteres wichtiges Thema. Wir wollen ja keine kranken Pflanzen im Garten haben. Hier zeigte sich, dass einige knollige Platterbsen sehr stark von Mehltau befallen wurden, während andere praktisch unberührt blieben. Somit können wir in Zukunft auf neue ertragreiche und gesunde Sorten hoffen.
Wie geht es weiter?
Unsere ersten kleinen Schritte in der Domestizierung dieser neuen Kulturpflanze haben gezeigt: Lathyrus tuberosus ist eine einfach zu kultivierende Pflanze, mit sehr vielversprechenden Eigenschaften. Wir konnten mit relativ wenig Aufwand schon gute Fortschritte machen.
Aus diesen Gründen machen wir mit der Züchtung weiter und legen sogar noch einiges drauf. Im nächsten Jahr möchten wir noch viel mehr Pflanzen testen. Wir haben Samen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet, von den USA über Frankreich und Serbien bis nach Russland und China gesammelt. Hier werden wir jeweils wieder die erfolgversprechendsten Pflanzen auslesen und vermehren. In einem zweiten Schritt wollen wir diese Elitepflanzen miteinander kreuzen, um hoffentlich, mit den daraus entstehenden Pflanzen, nochmals einen Schritt weiter zu kommen. Ziel sind ca. 250 Gramm schwere Knollen.
Gleichzeitig werden wir auch die Eignung der vielseitigen Pflanze als Zierpflanze für Gefässe testen. Hierzu suchen wir nach Genotypen, welche möglichst lange blühen und dabei recht kompakt wachsen. Somit wäre es die perfekte Zweifachnutzungspflanze. Wunderschöne Insektenfreundliche duftende Blüten kombiniert mit schmackhaften Knollen im Herbst.
Bild: Bei Lubera werden wir in den nächsten Jahren weiter an der "Wunderknolle" testen.
Wann kann man die ersten Sorten kaufen?
Leider braucht die Pflanzenzüchtung ihre Zeit. Zwar experimentieren wir bereits diesen Winter mit der Vermehrung der besten Selektionen. Jedoch werden sicher noch 2 bis 3 Jahre vergehen, bis wir die ersten Sorten zu ihnen nach Hause schicken können.
Super Idee