Schon häufiger sah ich mich, mit einem leicht amüsierten Seitenblick auf meine Figur, mit dem (allerdings meist unausgesprochenen) Vorwurf konfrontiert, dass ich ja offensichtlich ALLES gerne esse. Wie könnte ich da wohl das Bessere von Guten, und dieses wiederum vom bloss Essbaren unterscheiden?
Nun bin ich durchaus kein Feinschmecker. Meine Essenslust isst nicht fein, sondern schlingt auch mal. Schliesslich und endlich ist das Überleben auch eine direkte Funktion des Essens. Alemannisch solide stehe ich auf Gutes, aber es muss auch genug davon da sein. Lieber etwas zu viel. Wenn ich zu wenig Spaghetti im Topf sehe, kann ich durchaus in Panik geraten.
Um es auf den Punkt zu bringen: Beim Essen ist mir alles Geschmäcklerische fern, ich bin offen für alles (auch wieder so eine schöne Formulierung …) und kann mich auch für sektiererische Essensvorlieben nicht begeistern. Bei aller Liebe zur Pflanze esse ich auch ganz gerne Steaks.
Aber jetzt bin ich ziemlich vom Thema abgekommen. Die an mich gestellte Frage, ob ausgesprochen oder nicht, lautet ja: Wie kannst du entscheiden, was gut ist und was nicht. Und noch heikler: Wie kannst Du (als AllesEsser) entscheiden, was gut genug ist, um ins Sortiment zu kommen?
Seit zwei Jahren sind wir dabei, das Lubera Sortiment mit weiteren essbaren Pflanzen, sogenannten ‘Edibles’ aufzuwerten. Ja, aufzuwerten und nicht nur zu erweitern! Delidahlien, Süsskartoffeln und auch für den Katalog 2016 haben wir Neues und Gutes vorgesehen. Für diese Arbeit bauen wir systematisch essbare Pflanzen an, und testen sie dann. Indem wir sie – na klar! – essen.
Diese Woche war die Cannasorte Luzifer dran, verspeist zu werden. Wir hatten verschiedene Canna angebaut, aber die meisten Sorten bildeten keine Knollen, keine Zwiebeln. Ausser Luzifer. Also mussten die Luziferzwiebeln dran glauben, wurden geschnitten, geschält und gekocht.
Zunächst die Enttäuschung: Der grün-blau-graue Zwiebelkörper regt den Appetit nicht wirklich an. Der erste Geschmacks-Eindruck dann aber lässt mich fast euphorisch werden: Ein Geschmack, den man kennt, den ich eindeutig zuordnen kann. Canna Luzifer schmeckt gekocht wie der erste Biss in einen frisch aus dem Wasser gezogenen Süssmaiskolben. Selbstverständlich ist ein solch deutlicher Eigengeschmack ein Vorteil, der FÜR eine essbare Pflanze spricht. Da ist Etwas, vielleicht nicht etwas Neues, aber letztlich hat ja auch der beste Wein – mindestens den Beschreibungen der Weinpoetiker nach zu urteilen – keinen Eigengeschmack, sondern borgt sich seine Geschmackesfülle aus der gesamten Fauna und Flora.
Geschmack ist aber nicht alles. Ein Lebens- und Genussmittel muss ja gegessen werden, es muss die Zähne beschäftigen, der Zunge und dem Gaumen schmeicheln und schliesslich ohne Widerstand den letzten Weg aller Esswaren antreten – und nach unten flutschen. Und da ist Luzifer durchaus widerständig. Man weiss nicht, ob man was zu beissen hat oder nicht. Die Knolle ist nicht wirklich weich, aber auch nicht knackig. Die körnige Textur wirkt trocken, alles andere als geschmeidig – und will eigentlich partout nicht nach unten. Der frühe Höhepunkt (wow, wie frischer Süssmais!) weicht langsam der Enttäuschung. Canna Luzifer könnte man zwar zur Geschmacksbildung einsetzen (nach was bitte schmeckt dieser graugrünliche Gemüseklos), aber wirklich freudig wird man das nie essen.
Bekommt Canna Luzifer bei uns, bei mir eine zweite Chance? Vielleicht, vielleicht auch nicht … Der erste Eindruck, das wenigstens habe ich beim Wein gelernt, ist meist der beste und endgültige. Never change a winning horse. Aber man wäre ja auch vom Teufel geritten, würde man freiwillig ein zweites Mal auf einen lahmen Gaul steigen …
Das war jetzt ein ziemlich schiefes Bild. Und noch dazu von einem nicht-Reiter. Aber beim Essen und Trinken bleibt einem ja fast nichts anderes übrig, als in Bildern zu sprechen. Und irgendwie schief sind sie ja alle.