2013 war kein Unglückjahr. Aber es war so ein Jahr, in dem ich zu fast nicht kommen sollte. Den Apfelsommer hatte ich schon verpasst. Viel zu viel Arbeit in der Baumschule, Geschäfte, Reisen. Kaum einmal kam ich dazu, in aller Ruhe durch meine Züchtungen, durch die endlosen Reihen mit unseren Züchtungspopulationen zu laufen, Äpfel zu probieren, abzuwägen, zu selektionieren. Es war zum Verzweifeln! Die Äpfel reiften mir davon. Selbst die Sonntagnachmittage, meine Apfelzeit, schien immer besetzt zu sein. Oder aber es regnete punktgenau, wenn ich eigentlich Zeit gehabt hätte.
Und wieder war - schon Anfang September - ein Besuch angesagt: Unsere Lizenznehmer aus Australien wollten uns besuchen. Natürlich machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Wieder ein Tag weg, aber letztlich sind das unsere Geschäftspartner, richtige Redlove®-Fans, von Down Under mit der weitestmöglichen Anreise, die man haben kann. Und nicht zuletzt: Sie hatten mir zu Weihnachten wunderschöne australische Steifel geschickt, Crocodile Dundee-Stiefel sozusagen. Da fühlt man sich auch als schwergewichtiger Apfelzüchter plötzlich geschmeichelt?und elegant. Also zurück zum australischen Besuch: Wir besichtigten die fortgeschrittenen Selektionen in den Versuchsfeldern am Bodensee und zum Abschluss folgte ein kurzer Spaziergang durch ? die neueren Apfelsämlinge in Buchs.
Und da war er wieder einmal: Dieser Moment des Glücks. Das Apfelbäumchen, ganz schmal und klein, eingezwängt zwischen zwei stärker wachsenden Bäumen, irgendwo zwischen 600 weiteren Pflanzen in der gleichen Reihe, die aus Platzgründen 5 Jahre vorher auf nur 25 - 30 cm Abstand gepflanzt worden waren. Man hätte das schlanke Gewächs ganz sicher übersehen, wenn die kleinen Äpfelchen nicht zu sprechen begonnen hätten. Sie leuchteten auf, sprachen uns direkt und unmissverständlich an: Hallo, probier mich! Oder war es vielleicht auf Englisch? «Nibble me!» Nimm mich!
Jedenfalls war die Sprache international verständlich. Zuerst James Walter, dann ich, griffen zu: Ein kleines Früchtchen, das man sonst keines Pomologen-Blickes gewürdigt hätte, aber es war so kitschig-rosa gestreift, dass man einfach nicht widerstehen konnte. Nun gibt es diese Momente natürlich häufiger, die Hoffnung stirbt zuletzt, und meistens folgt dann die kalte Ernüchterung: Wieder nichts gewesen! Hier aber war «saftig» nur das Vorwort. «Zuckersüss!!!» notierte ich in mein Züchtungsblatt, und meinte nun das Esserlebnis, das so wunderprächtig der Erwartung entsprach, die das sprechende Äpfelchen geweckt hatte. Und dazu war auch noch das Fruchtfleisch rosarot gefärbt. Noch nie hatte ich bei einer Redlove-Selektion guten Gewissens ins Züchtungsbuch schreiben können, dass der Apfel «zuckersüss» sei ?
Ich (und das Apfelbäumchen) hatten natürlich auch etwa Glück. Die australischen Obstfachleute hatten gerade ‘Rockit’ lanciert, eine kleinfrüchtige Neuseeländische Sorte als Snackapfel. Und so hatten sie die Scheu verloren, auch ganz andere, viel zu kleine Äpfel in Betracht zu ziehen. Vielleicht war dies der Grund, warum die Australier und ich am kleinen verschupften Bäumchen und seinen nur 4 - 6 cm grossen Äpfelchen nicht vorbeigingen.
Und wie immer bei Obstfachleuten – die können gar nicht anders! – kam auch gleich noch eine einschränkende Kritik. «Die Sorte wäre wunderbar, wenn Du sie jetzt auch noch ohne Kerngehäuse, ohne Samen gezüchtet hättest.» Sorry James, da musste und muss ich noch passen. So weit sind wir noch nicht. Auch bei einem Lollipop bleibt am Schluss, ganz am Ende des Vergnügens, noch etwas übrig ?
Redlove® Lollipop®: Apfelzüchtung kann auch mal schnell sein
Die Kreuzung zwischen ‘Maloni Lilly’ als Muttersorte und einer frühen Redlove-Züchtungsnummer, auf die ‘Redlove Lollipop’ zurückgeht, erfolgte 2007. Die Samen keimten 2008, da fanden auch die Tests auf Schorfanfälligkeit statt. Die resistenten Sämlinge wurden 2009 auf die Unterlage M9 veredelt, in der Baumschule angezogen und im Frühjahr 2010 in die Züchtungsanlage gepflanzt. Nach der Selektion 2013 wurden noch im Frühherbst 2013 einige Augen des kleinen Bäumchens auf Unterlagen okuliert, die dann 2014 zu ebenso kleinen Bäumchen heranwuchsen und die Massenvermehrung 2015 möglich machten. Ab Sommer 2016 stehen jetzt schon 1-jährige Verkaufsbäume im Container zur Verfügung. Im Gegensatz zum normalen Vorgehen verzichteten wir bei ‘Lollipop’ auf die zweite Züchtungsstufe. Wir hatten und haben das Gefühl, etwas Besonders und Spezielles gefunden zu haben, und kürzten so das Testverfarhen etwas ab? Ab 2013 beobachteten wir aber den Mutterbaum weiter und haben dann im Herbst 2015 entschieden, Mit Lollipop so schnell wie möglich auf den Markt zu gehen. Das kleine, innen und aussen rosa Äpfelchen ist einfach zu süss, als dass wir unser Kunden noch länger darauf warten lassen könnten ;-)