Eine der häufigsten Fragen, die uns und unsere Kundeberater immer wieder erreicht, ist die Frage nach geeigneten Pflanzen für Höhenlagen. Hier z.B. eine solche Frage, die gerade heute reingekommen ist – ich publiziere sie natürlich hier vor allem deshalb, weil sie gerade auch noch ein Lob einschliesst ;-)
"Liebes Lubera-Team
Ich bestelle regelmässig Pflanzen bei Ihnen und bin sehr zufrieden. Jetzt hat sich eine Freundin an mich gewandt, die immer Probleme mit ihren Pflanzen hat.
Sie wohnt auf 1200m ü M im Waadtländer-Jura und würde von Ihnen gerne wissen, welche Pflanzen, Sträucher, Beeren, Blumen usw. sie bei Ihnen bestellen könnte?
Auf eine Antwort sind wir schon sehr gespannt!!
Herzlichen Dank und liebe Grüsse“
Nun haben wir Schweizer die Berge und Höhenlagen zwar nicht gerade erfunden, aber wer sollte besser in der Lage sein, diese Frage zu beantworten als eine Schweizer Baumschule? Die Antwort dazu ist aber gar nicht einfach und hat am Ende viel damit zu tun, dass im Garten doch alles wieder anders ist als in den Büchern, und dass das individuelle Mikroklima und der Gärtner/die Gärtnerin selber sehr viel wichtiger sind als die zahlendefinierte Höhenlage. Fast alles ist möglich. Aber dass es möglich ist, beweist sich leider nur immer im Einzelfall und im Nachhinein.
Hier nun meine Antwort:
Liebe Lubera-Kundin
Die beste Antwort (auch für unser Geschäft) und gleichzeitig auch die ehrlichste Antwort wäre: „Probieren Sie es einfach aus!“ Aber so kurz geht das natürlich nicht und so versuche ich hier doch einige Grundsätze herauszuarbeiten, die Gartenfreunden in Höhenlagen helfen können. Wenn ich dabei letztlich auch nur auf den gesunden gärtnerischen Menschenverstand zurückgreife, so bitte ich das zu entschuldigen. Ich habe halt einfach nicht mehr zur Verfügung ;-) Die Punkte, die ich im folgenden erwähne, versuche ich nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen, die grundlegendsten Überlegungen kommen also zuerst, diejenigen, die mit noch mehr Unsicherheiten behaftet sind, kommen zuletzt:
1. Treiben Sie Werkspionage, schauen Sie in Nachbars Garten. Was in Ihrer Umgebung wächst, gedeiht und fruchtet, wird auch bei Ihnen funktionieren. So einfach ist das. Und was Sie in Ihrer Umgebung, in gleicher Exposition und Höhenlage nirgends finden, ist natürlich ein Risiko. Aber Risiko heisst noch lange nicht, dass es nicht funktionieren könnte … Nur die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs wird etwas kleiner.
2. Der für Pflanzen allgemein und Fruchtpflanzen im Speziellen entscheidende Unterschied in Höhenlagen ist … nicht die dünnere Luft, sondern die kürzere Vegetationsperiode. Die Pflanze, die reifende Frucht hat ganz einfach weniger Zeit, um ihr Ding während der Vegetation zu Ende zu bringen. Dabei würde ich aufgrund unserer Erfahrungen folgende Unterteilung vorschlagen:
A Bis 700/800 m ist die Höhenlage gar nicht zu beachten, sicher nicht in der alpinen und voralpinen Zone. Hier ist das Mikroklima, die Exposition viel entscheidender und überspielt den Höheneinfluss. Und wenn dann noch in einem Nord-Südtal der Föhn dazukommt, stimmt gar nichts mehr … Diese Grenze kann weiter im Norden, in den Mittelgebirgen etwas tiefer liegen. Zusammenfassend: Wenn die Lage stimmt, ist da fast alles möglich.
B Ab 700/800 m bis 1200 m spielen dann die Höhenlage und die kürzer werdende Vegetationsperiode doch eine entscheidende Rolle. 100 m kann da unter Umständen (Sie sehen, ich lasse mich da nicht auf die Äste hinaus …) 1-2 Wochen weniger Vegetationsperiode bedeuten: Der Frühling startet eine Woche später. Auf 1200 m startet dann ein Apfelbaum Mitte April anstatt Mitte März – und ab Mitte September ist die Vegetationsperiode schon weitgehend abgeschlossen.
Was heisst das für fruchttragende Pflanzen: Rechnen Sie ab 800 m in jedem Falle pro 100 m Höhenanstieg damit, dass Früchte 1 Woche später reif werden, als in den üblichen Reifezeitangaben angegeben. Und alle Sorten, die mit diesem Zuschlag später als Mitte bis Ende September reif werden, stellen dann ein Risiko dar. Aber wie gesagt, probieren kann man‘s immer und es kann auch funktionieren!
C Ab 1200 Höhenmeter wird fast alles zum Risiko, immer noch ist sehr viel möglich, aber man darf auch nicht überrascht sein, wenn vieles schiefgehen wird. Hier ist nun wirklich Ausprobieren anstatt Mathematik gefragt. Die Vegetationsperiode ist empfindlich kürzer und vor allem auch die absoluten Wintertemperaturen für Pflanzenteile, die nicht mit Schnee bedeckt sind, werden sehr tief. Alle Pflanzen, die winterfrost-gefährdet sind, werden da unmöglich, es sei denn, sie werden natürlich vom Schnee oder aber künstlich vom Gärtner geschützt.
D Auf 1800 m befindet sich die Waldgrenze. Das sagt auch für Gärtner wenn nicht alles, so doch sehr viel.
3. Frühjahrsfröste stellen in Höhenlagen keineswegs ein viel grösseres Problem dar als in Tal- und Hügellagen. Die Vegetationsperiode beginnt ja auch später! Im Gegenteil! Gerade in Höhenlagen geniessen Gärtner ja die definitiven Vorteile einer schiefen Ebene: Die kalte Luft fliesst ab! Hier wie auch in tieferen Zonen sind Staulagen, Mulden, Talsperren, Kleintäler etc., in denen sich die kalte Luft ansammeln kann, zu vermeiden.
Nicht nur Philosophen, auch Gärtner machen immer wieder die Erfahrung, dass sie wenn nicht nichts, so doch ganz wenig wissen…
In diesem Sinne grüsst Sie herzlich
Markus Kobelt
PS: Wenn Sie selber auf 800 m und mehr eine spezielle Pflanze kultivieren, die eigentlich da nicht hingehört, dann freue ich mich über ein Bild oder eine kurze Notiz per Mail an info@lubera.com. Wir werden die Reaktionen in einem späteren Newsletter zusammenfassen. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Rückmeldungen!
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