Mit dem Garten ist es wie mit den Schwiegereltern: Man weiss nicht, was noch so alles auf einem zukommt, wenn man einen Garten heiratet (idealerweise mit dem dazugehörigen Mann bzw. der dazugehörigen Frau). Und das ist gut so, sonst würde man vielleicht gar nicht erst heiraten wollen. Aber das wäre ungerecht der Liebe gegenüber, sei sie nun dem Garten oder dem Ehepartner gewidmet (auch hier wieder idealerweise Beiden, denn so schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, sprich, man hat sowohl Garten als auch den dazugehörigen, freiwilligen Helfer).
Weder vor dem Heiraten noch vor dem Gartenkauf wissen wir, was das "Umfeld" für uns an Überraschungen bereithält. Wunderbar, wenn es Schwiegereltern sind, die immer lieb, freundlich, unterstützend und positiv sind und wenn es ein Garten ist, der immer fruchtbar ist, immer produziert und immer gesund ist. So was soll es ja geben, habe ich gehört.
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Vernachlässigen statt verhätscheln
Aber was, wenn nicht alles rosarot ist und stets eitel Sonnenschein im Garten? Nun, das können wir ändern, genauso, wie wir auch unsere Schwiegereltern ändern können! Um Beides zum Besseren zu bekehren, braucht es Folgendes: Stoizismus, Ausdauer, Beharrlichkeit und den festen Glauben an das Gute im Garten (oder den Schwiegereltern). Immer lächeln und seinen Prinzipien treu bleiben, ja, das gilt auch in Bezug auf Andenbeeren, Feigen und Sanddorn.
Mit dieser neuen Taktik konnte ich in diesem Sommer drei Erfolge im Garten verbuchen. Nummer 1: Die allererste Feige wurde geerntet! Ihr sagt, das ist doch kein grosses Ding? Oh, doch, das ist es, wenn man im äussersten Norden wohnt, da, wo es im Sommer oft regnet und auch gerne mal auf 15 Grad runtergeht, im August wohlgemerkt. Dazu dann der unaufhörliche, kühle Wind von sowohl Nordsee als auch Ostsee (beides sind nicht weit entfernt) und schon will die vermaledeite Feige nicht tragen und das 8 Jahre lang nicht! Feigen sind nun mal nicht glücklich im Norden, so scheint es, denn ehrlich gesagt, wächst hier auch keine weit und breit, Wunder, oh Wunder. Weder die Alten im Ort im Ort noch die neu hinzugezogenen Jungen haben je etwas von frischen Feigen aus dem eigenen Garten gehört oder gar eine gepflanzt – ebenso wenig wie Pfirsiche übrigens. Nördlich der Elbe wird alles etwas rauer und schwieriger im Garten.
Die Feige gab als erstes klein bei
Also, Feige ausgraben und entsorgen? Nein! Neue Taktik: Stoisch den Widrigkeiten trotzen, so tun, als würde einem das alles gar nichts ausmachen und der Feige niemals zeigen, dass man sich über sie ärgert, niemals! Schneewittchen und Dornröschen haben ihren bösen Schwiegermüttern auch nie verbal oder tätlich den Krieg erklärt und am Ende trotzdem gewonnen. Widerspenstige Feigen und böse Schwiegermütter (jaja, ich weiss, die gibt es nur im Märchen) besiegt man mit Psychologie. Einfach nicht beachten, niemals Unmut zeigen und mit einem Lächeln auf den Lippen die kalte Schulter zeigen. Und siehe da, eines schönen Tages besinnen sie sich eines Besseren und werden handzahm.
In Sachen Feige heisst das: Sie wurde nicht mehr bemuttert, nicht mehr verhätschelt, kam nicht mehr ins Winterquartier, sondern wurde ausgepflanzt in eine sonnige, aber entfernte Gartenecke, wo sie mit den wilden Gräsern, den Brennnesseln und dem regnerisch-kalten Winter selbst klar kommen musste. Und was passierte? Sie entspannte sich und produzierte FEIGEN, die sie freundlicherweise auch ausreifen liess und ohne Sperenzchen zu machen der still vor sich hin grinsenden Gärtnerin überliess. Ha! Kampflos gewonnen!
Bild: Die erste eigene Feige aus dem Garten (in meinem Fall die Bornholmer Feige) vergisst man nie!
Andenbeeren brauchen keinen Dünger
Die Andenbeeren waren die zweite positive Überraschung des Sommers. Ich hatte sie nun schon zweimal ausprobiert und war nie erfolgreich gewesen. Sie reiften nie rechtzeitig aus, setzten kaum Früchte an und schmeckten nicht (wie unreife Tomaten eben und die sollte man ebenso wie grüne Andenbeeren nicht essen, denn es sind Nachtschattengewächse, die unbedingt ausreifen müssen vor dem Genuss). Auch hier gilt: Beharrlich bleiben, lächeln und im Stillen denken: Dich werde ich auch noch knacken, meine Liebe! Die Andenbeeren wurden also diesen Frühling wieder gepflanzt, wieder gegossen und ansonsten ignoriert. Kein Dünger, kein Wasser (ausser nach der Pflanzung, da braucht jeder Neuzugang natürlich regelmässig Wasser). Und wie durch Zauberei trugen die riesigen Pflanzen (2 Meter hoch nach ein paar Monaten!) superleckere, himmlisch süss-sauer-aromatische Früchte, die bis jetzt in den Oktober hinein produziert wurden! Eine fürwahr königliche Frucht, auf die sich das dreijährige Warten gelohnt hat. Die Andenbeeren (auch bekannt als Physalis) sind jetzt meine absolute Lieblingsfrucht und stehen an erster Stelle meiner To-Do-und-Kauf-Liste für 2021.
Bild: Physalis bzw. Andenbeeren bringen viele Früchte hervor von August bis Oktober und das ohne jedweden Extradünger.
Bild: Physalis essbar und nicht essbar: Die mit der braunen Hülle sind zum Vernaschen, die mit der orangefarbenen Hülle nur für die Vase. Unten auf dem Teller liegt der Part, der für die Vögel ist: Die Früchte des Pfaffenhütchens.
Sanddorn liebt mageren Boden
Sieg Nummer 2 diesen Sommer: Der Sanddorn, bzw. Mehrzahl die Sanddorne. Nachdem ich mehrere Sorten seit Jahren in Töpfen hielt und sie regelmässig Dünger bekamen, viele Wassergaben und alles, was gemeinhin eine Pflanze zu enormer Produktion antreibt, so blieben die Ernten doch mickrig und waren weit entfernt von den Massen an verführerischen, orangeleuchtenden Beeren, die man manchmal am Rande von neuangelegten Strassen hier bei uns sieht, denn da werden sie gepflanzt, um die aufgeschütteten Sandwälle mit ihren Wurzeln zu befestigen und am Wegrutschen zu hindern. Aha! Läutet da was? Sanddorn, hmmmm…. Kommt das vielleicht von SAND, also diesem mageren, wasserdurchlässigen Granulat am Strand, wo sonst nicht viel gedeiht? Da fiel bei mir endlich der Groschen. Der Sanddorn wurde ebenso wie die Feige ausgepflanzt, kam von der wunderbar fetten Kübelpflanzenerde in den mageren Wildboden am Rande des Grundstücks, wurde nicht mehr gedüngt, nicht mehr mit Wassergaben zugeschüttet und voilà, es kam, wie es kommen musste: Die Sträucher blühten endlich auf, wurden gross und grösser und produzierten den ersten Vollertrag seit vielen, vielen Jahren.
Bild: Sanddorn 'Garden's Gift' und 'Botanica' lieben es wild und frei.
Bild: Eine Schüssel Sanddorn von vielen dieses Jahr: Eingefroren warten sie nun auf's Entsaften im Winter, wenn ein Vitamin-C-Kick gebraucht wird.
Hilft die neue Taktik auch bei tierischen Feinden?
Freundliches Ignorieren, dabei aber immer lächelnd den eigenen Weg gehen, Widerstände und Widersacher an sich abprallen lassen, ja, es hilft, wie man sieht. Ich praktiziere diese (für mich) neue Methode neuerdings auch mit den Wühlmäusen, die mich bis vor kurzem noch in den Wahnsinn trieben, den unermüdlichen, räuberischen Amseln und – ganz neu – den Eichhörnchen, die momentan täglich Beete und Töpfe umgraben, und eine frisch gepflanzte Blumenzwiebeln nach der anderen ausgraben. Ich hoffe, wenn ich stoisch bleibe, mir nichts anmerken lassen und so tue, als wären sie alle gar nicht da, dass sie dann auch klein beigeben, genau wie meine Feige, mein Sanddorn und meine Andenbeeren. Eines Tages werden sie bestimmt auch Verbündete statt Feinde sein, da bin ich mir ganz sicher, oder auf irgendeine, bisher unbekannte Art und Weise Positives in den Garten bringen. Wo, wenn nicht da, können immer wieder Wunder geschehen? Ich warte also geduldig weiter auf Letzteres und lasse mich auch gerne wieder in 2021 überraschen.
"Geduld ist das Vertrauen, dass alles kommt, wenn die Zeit reif ist," sagte ein unbekannter Internet-Philosoph. Könnte aber auch das Eichhörnchen gewesen sein, als es meine Haselnüsse einsammelte. ;-)