Gerade habe ich aus meinen Lubera-Paprika ein original amerikanisches "Pepper-Jelly" gemacht. Und "WOW", es hat mir die Schuhe ausgezogen! Es besteht zwar hauptsächlich aus milden Paprika, nur fünf Würzpaprika 'Fresno' kamen da mit rein (im Originalrezept waren es wesentlich mehr Peperoni bzw. Chilis). Trotzdem brannte es wie Feuer, fand die Köchin zumindest. Wer ist nur auf die Idee gekommen, das scharf schön ist?
"Some like it hot", oh ja, da denkt man an scharfe Kurven und Marilyn Monroe, aber Feuer auf der Zunge? Wann fing es an, modern zu werden, tonnenweise scharfe Gewürze ins Essen zu kippen? Mein Mann hat es erst gar nicht angerührt. Und meine erwachsenen Kinder? Fanden es super lecker und am unteren Ende der Schärfe-Skala! Hätte gerne MEHR Chili sein dürfen, meinten sie. Wie bitte? Also, in Bezug auf scharfe Paprika/Chili/Peperoni (was ist denn nun was, ich weiß es immer noch nicht!) geht eindeutig eine Generationen-Kluft durch die Familie. Mein Mann und ich (Golden Agers und lebenslange Dörfler aus dem hohen Norden) und unsere Kinder (jung, dynamisch und in die große Welt gezogen) haben ein total unterschiedliches Schärfeempfinden, wie es scheint.
Bild: Chili 'Prairie Fire' - die kompakte Chili mit den feurigen Früchten
Ich weiß ja nicht, ob es nur mir als typischer Norddeutschen so geht, die mit einfacher Hausmannskost groß geworden ist, oder ob ich die Einzige bin, an der die Chili-Lust der neuen Küche vorbei gegangen ist. Ich habe bis dato immer nur mit dem süßen Paprikapulver aus dem Supermarkt gekocht, aber der neue scharfe Lubera® Würzpaprika 'Fresno' hat meine Küchenerfahrung ganz eindeutig um eine neue Nuance erweitert: Schmerz!
Aber meine Kinder wollen mehr davon, für ihre eigenen Küchen in zwei verschiedenen europäischen Großstädten, also werde ich ihn weiter anbauen und per Post verschicken, das habe ich ihnen versprechen müssen.
Bild: Freilandpaprika 'Fresno' - die temperamentvolle Würzpaprika mit guter Schärfe
Die milden Paprika, der 'Roten Augsburger' und der 'Sweet Banana', bleiben aber hier, auf dem norddeutschen Dorf, bei mir, denn diese Beiden sind meine neuen Lieblinge am Gemüsehimmel. Erstens sahen die Pflanzen den ganzen Sommer über richtig hübsch aus auf der Terrasse und zweitens schmecken die Früchte himmlisch knackig, milde und fruchtig. Ich liebe es eindeutig sanft in Bezug auf Paprika.
Bild: Freilandpaprika 'Sweet Banana' - die Spitzpaprika für den Freilandanbau
Meine erste Pflanze 'Roter Augsburger' hat 16 reife Früchte entwickelt (die, die des Nachts angeknabbert wurden und leider entsorgt werden mussten, habe ich schon abgezählt), der zweite 'Rote Augsburger' hat sage und schreibe 24 Früchte getragen und die wunderschöne 'Sweet Banana' 34 Stück. Der Würzpaprika 'Fresno' hat den Vogel abgeschossen mit 40 feurigen Früchtchen. Ein paar habe ich behalten (ich versuche es mit weniger beim nächsten Pepper-Jelly, sehr empfehlenswert auf Ziegenkäse übrigens!), den Rest habe ich den Kindern mitgegeben. Die altmodische Mutter ("hinterwäldlerisch" war der Original-Spruch) wird sich langsam an den schönen Schmerz der scharfen Schoten herantasten, hauptsächlich wegen der neu entdeckten Superkräfte der roten Schoten. Sie sollen kraftvolle Medizin sein, hört man.
Bild: Freilandpaprika 'Roter Augsburger' - mit früher Reife und gutem Aroma
Vor langer Zeit, noch bevor Columbus die Neue Welt und somit die Paprikas entdeckte, waren Gewürze aus dem fernen Osten teuer (deswegen wurde er ja losgeschickt, um einen günstigen Seeweg nach Indien zu finden) und heiß begehrt bei der europäischen High Society des Mittelalters. Nicht nur wegen der unnachahmlichen Würze von Pfeffer und Co., sondern auch, weil man den geheimnisvollen Gewürzen aus fremden Welten magische Kräfte zusprach. Zimt, Pfeffer und Muskatnuss beispielsweise. Wobei "magisch" damals oft synonym war für potenzsteigernd. Man(n) spürte die anregende Wirkung und wollte halt mehr. Allerdings war es dann eine Frau, die Columbus auf die weite Reise schickte, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden. Aber Königin Isabella ging es dann wohl eher um Juwelen und Gold, denke ich mal, so hat jedes Geschlecht eben seine Prioritäten. ;-)
Aber zurück zum Paprika. Als Columbus zurück kam, hatte er auch Paprika Pflanzen im Gepäck, auch die ganz scharfen, er nannte sie den "indischen Pfeffer", wie man aus den Briefen seines Leibarztes weiß. Ganz so gut kamen die scharfen, roten Schoten aber nicht so an damals (Wunder, oh Wunder).
Heute haben Gewürze, wie auch die Chili, einen enormen Karrieresprung hingelegt. Zimt, Pfeffer, und Muskatnuss werden medizinisch eingesetzt (also lagen die mittelalterlichen Gewürzliebhaber ja doch nicht so falsch mit ihren "magischen" Pülverchen). Zimt wird als blutzuckerregulierend angesehen, Muskatnuss in Mini-Maßen mit Koriander und Curcuma als hilfreich bei Arthrose empfohlen und Pfeffer sorgt erst dafür, dass z.B. das entzündungshemmende Kurkuma seine Wirkung entfalten kann. Und bevor jemand nun "Quacksalberei" schreit, das alles wird mittlerweile auch von klassischen Ärzten empfohlen. Und der scharfe Paprika? Der "indische Pfeffer" des Columbus? Nun, auch der wird mittlerweile medizinisch eingesetzt und in Kapseln gepresst als teures Nahrungsergänzungsmittel verkauft, weil er gegen eine Vielzahl von Leiden helfen soll. Je schärfer, desto mehr Capsaicin, desto besser!
Bild: Pepper-Jelly mit Freilandpaprika 'Roter Augsburger' im Hintergrund
Paprika und Co. können als mehr als nur lecker sein. Vielleicht war das ja der Grund, weshalb die alten Azteken ihren Xocolatl so geliebt haben. Dieses (übrigens nicht süße) Getränk aus dunklem Kakaopulver, Vanille, Chilipulver und anderen Gewürzen muss ein wahrer, äußerst anregender Jungbrunnen gewesen sein. Ob er damals den Männern, den Magiern, den Schamanen vorbehalten war? Als blaue Pille sozusagen für gewisse Stunden? Wir wissen es nicht. Schön ist aber, dass auch wir Frauen heutzutage diese wunderbaren Sachen einsetzen dürfen und ihre Magie nutzen können - ohne gleich als Hexen verschrien zu werden wie anno dazumal, als Pflanzenkenntnisse einem noch das Leben kosten konnten. Heute bekommt man kulinarische Sterne, wenn man Gewürze und Kräuter in zauberhafte Genüsse verwandelt.
Bleibt nur abzuwarten, wann Markus Kobelt auch winterharten Pfeffer, frostfeste Vanille und Zimt für Nordeuropa gezüchtet haben wird. Immerhin ist auch er ein (männlicher) Magier, ein Pflanzenmagier eben. Ihm traue ich züchtungstechnisch alles zu. :-)