Jetzt wollen die Verrückten von Lubera also auch noch Gemüse züchten… so oder ähnlich werden unsere Ideen und Versuche wohl von einigen Kunden und auch in Fachkreisen kommentiert werden. Aber eigentlich ist es nichts Neues, was wir tun. Wir machen, was wir immer schon gemacht haben: Wir schauen uns eine Art, eine Pflanze an, und überlegen uns, wie wir sie für den Garten besser und geeigneter machen können. Das ist keine Raketenwissenschaft. Aber wir sind immer wieder überrascht, wie produktiv dieser Blickwinkel aus Gartensicht für die Züchtung ist. Ganz offensichtlich hat sich im Verlaufe des 20. Jahrhunderts die universitäre und auch von Züchtungskonzernen beherrschte Züchtung immer mehr der industrialisierten Landwirtschaft verschrieben - und den Garten ganz und gar vergessen, der als Nutzgarten noch im 19. Jahrhunderteine Art kleiner Landwirtschaft war. Im Folgenden stellen wir kurz vor, welche Projekte wir in der Gemüsezüchtung verfolgen…
Inhaltsverzeichnis
Ewiges Gemüse® bei Lubera
Auf eine bestimmte Art ganz nah bei unseren bisherigen Arbeitsgebieten 'Obst und Beeren' ist das Ewige Gemüse®, neudeutsch Evervegs®. Das sind Gemüsearten, die wir eigentlich in den Grundzügen und als einzelne Arten und Sorten kennen, aber bisher nicht als Gruppe erfasst und vermarktet haben: Vor allem die wie alle Beeren und Obstarten mehrjährigen Rhabarber und Spargeln gehören dazu. Diese 'ewigen' Gemüsearten und Gemüsesorten werden einmal gepflanzt und produzieren viele Jahre lang eine Ernte. Neben den bekannten Rhabarbern und Spargeln gibt es hier aber eine Vielzahl von unbekannten, meist alten Gemüsearten, die schon lange auf eine Widerentdeckung gewartet haben: Ewiger Kohl, Meerkohl, diverse Allium Arten, die über Jahre geerntet werden können, Wasabi, Meerrettich und auch Artischocken…. In diesem Bereich machen wir weniger eigentliche Züchtung, sondern versuchen systematisch, das Sortiment zu vergrössern und so die Gemüsekultur auch im bequemen Convenience-Garten zu etablieren: Im 'Ewigen Gemüsegarten' kann immer geerntet werden, ohne dass jährlich gepflanzt werden muss. Auf eine bestimmte Weise ist das die Neuerfindung des Gemüses als 'Perpetuum mobile' ;-)
Bild: Artischocke 'Grosse Grüne' (Cynara scolymus) - die feine Artischocke für unsere Gärten
Bild: Meerrettich 'Karl der Grosse' (Armoracia rusticana) - schnellwachsender Meerrettich, Ernte im ersten Jahr
Bild: Schnittknoblauch (Allium tuberosum) - der 'Ewige Knoblauch', der als Blatt geerntet werden kann
Bild: Echte Wasabi Pflanze (Eutrema japonica) - der japanische Edel-Meerrettich
Bild: Etagenzwiebel (Allium proliferum cepa) - die Zwiebeln, die in der Luft wachsen
Bild: Zuckerwurzel (Sium Sisarum) - mehrjähriges ausdauerndes Wurzelgemüse mit süssem Geschmack
Tomatenzüchtung bei Lubera
Mit den Tomaten treffen wir mitten ins Herz des Gemüsesortiments: die Tomate ist unbestritten die Königin aller Fruchtgemüsearten. Hier haben wir nach einer Sichtung der Sortimente festgestellt (letztes Jahr zB. haben wir mehr als 100 Sorten getestet), dass es zwar viele wundervolle und auch speziell schmeckende Tomaten in allen Formen, Wuchstypen und Farben gibt, aber dass nur wenige davon wirklich im Freiland, ohne Schutz, ohne Tomatenhaus angebaut werden können. Mit unseren Züchtungsanstrengungen, aber auch mit unserer Sortentestung wollen wir dieses Segment verstärken, mehr Freilandtomatensorten kreieren. Dafür sollen die in den bisherigen resistenten Sorten vorhandenen Widerstandsfähigkeiten mit den Eigenschaften der amerikanischen und europäischen Heirloom-Tomaten kombiniert werden.
Der Anspruch ist ziemlich gross, wohl etwas zu gross. Unsere diesjährige Züchtungsanlage ist aber definitiv ziemlich ambitioniert: In den Freilandtests, in denen wir unsere ersten Züchtungen und Kreuzungen testen, haben wir weit mehr als 2000 Tomatenpflanzen (fast alles unterschiedliche Sämlinge) gepflanzt. Hier geht es zunächst mal darum, einerseits F1 Hybriden für die Weiterzüchtung aufzuspalten, aber auch über Kreuzungen zu beginnen, die besten und spannendsten Fruchteigenschaften mit Resistenz zu kombinieren. Schon wächst und blüht es in unserer gigantischen Züchtungsanlage aufs Schönste.
Bild: Tomatenpflanzen in der Züchtungsanlage von Lubera
Bild: Tomatenblüten in der Züchtungsanlage
Bild: Erziehung der Strauchtomaten
Aber ganz anders als Sie, wenn Sie Tomaten im Garten hegen und pflegen, hoffen wir für die 2. Hälfte August und September auf möglichst viele Tomatenkrankheiten, vor allen die Phytophthora infestans, die dann die Spreu vom Weizen trennen soll. Parallel werden wir testweise auch die Selektion über Marker ausprobieren. Hier wird auf der Grundlage eines einzigen Blatts bzw. Blattstücks das Genom auf das Vorhandensein von Resistenzgenen untersucht. In Zukunft erhoffen wir uns, die Sämlinge so früher auf Resistenzen selektionieren zu können und dann weniger Pflanzen für die Freilandtests auspflanzen zu müssen. Eine Anlage mit mehr als 2000 Tomatenpflanzen ist schon sehr gross, und wenn sie dann alle zum grössten Teil und auch noch gewünschtermassen krank werden und auch nicht abgeerntet werden, so wird dies bei Spaziergängern doch ziemlich für Diskussionsstoff sorgen ;-)
Bild: Züchtungsanlage vom 28.06.2019 mit den Tomatenpflanzen
Auberginenzüchtung bei Lubera
Wenn die Tomate die Königin der Fruchtgemüse ist, dann ist die Aubergine vielleicht so etwas wie ein Geheimtipp: Anders als Tomaten und Chili kommt die Aubergine nicht aus Südamerika und Zentralamerika, sondern aus Asien. Und die Vielfalt ist viel grösser als die Einfalt in den Supermärkten erwarten lässt: Da gibt es ganz kleine, fast nur Essiggurken-grosse Auberginen, da gibt es ballrunde Formen, da gibt es auch Riesen, teilweise mit waghalsigen Kurven. Und die Farben kennen fast keine Grenzen: Grün, weiss, blau, schwarz, gestreift, gesprenkelt, rot, orange. Und dann gibt es da das landläufige und fast schon bösartige Vorurteil, dass Auberginen genau so und nicht anders schmecken würden wie das beim Kochen verwendete Olivenöl… Auberginen haben eine wunderbare Vielfalt von Texturen und Geschmäckern, von süsslich oder gemüsig am Anfang bis zu pilzartig oder gar chilihaft im Abgang. Für mich gehört auch eine gewisse Bitterkeit dazu, die wie gesagt bei einigen Sorten in eine schöne Nachschärfe übergeht.
Für die Verwendung im Garten ist die Aubergine eigentlich prädestiniert: die meisten Sorten wachsen buschig und sehr stabil, die Blüten sind von den leider vielfach vorhandenen leichten bösartigen Dornen abgesehen sehr schön, (wenn auch meist versteckt), und es gibt auch Sorten mit einer roten oder dunklen Blattfärbung. Ebenso ist die Resistenz in unserem mitteleuropäischen Outdoorklima eher besser als bei der Tomate. Was also ist das Problem? Letztlich ist es die Reifezeit und der Ertrag. Die meisten dieser asiatischen Gemüsesorten, die in Europa bisher vor allem im Mittelmeerraum angebaut wurden, brauchen einfach zu lange bis zur Reife und so bleibt der Gartenertrag dann meist zu schmal.
Bild: Züchtungsanlage vom 28.06.2019 mit Auberginenpflanzen
Als Vorbereitung auf unser Züchtungsprogramm haben wir unter 50+ Sorten die Frühesten und Ertragreichsten ausgewählt, die wir teilweise jetzt auch schon in unserem Gemüsesortiment im Frühling anbieten.
Bild: Aubergine 'Cookstown' - die orange Aubergine mit dem Paprika-Geschmack
Bild: Schlangenaubergine 'Ping Tung' - die ewig-lange Aubergine mit dem fein-süsslichen Aroma
Bild: Aubergine 'Casper' - die milde, weisse Aubergine mit dem schneeweissen Fruchtfleisch
Wir versuchen nun, zwischen diesen Bestsorten weiter zu kreuzen, um die Frühzeitigkeit, den Ertrag und die Diversität zu erhöhen. Auch von den Auberginen haben wir dieses Jahr mehr als 1000 Sämlinge ausgepflanzt. Hier sind wir auch durchaus noch blutigere Anfänger als bei der Tomate - aber vielleicht ist das ja auch ein Vorteil ;-) Wer noch nicht viel gesehen hat, bemerkt deutlich mehr. Das müssen wir zumindest hoffen.
Bild: Das letztjährige Auberginen Züchtungsfeld von Lubera
Bild: Starke Auberginenpflanze mit dunkeln Blättern und schwarzen Blattstielen
Kartoffelzüchtung bei Lubera
Dass die dümmsten Bauern auch die grössten Kartoffeln haben, ist weitherum bekannt. Auf genau diesen Effekt hoffen wir natürlich auch… Wie bitte, so werden jetzt Viele fragen, kann man überhaupt auf die Idee kommen, Kartoffeln zu züchten? Das ist doch den Saatgutkonzernen vorbehalten – und war 1000de von Jahren die Sache der südamerikanischen Ureinwohner. Was bitte kann Lubera hier erreichen?
Schauen Sie sich ganz einfach mal die Blütenbilder aus unserem Sortiment an:
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Blue Danube'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Kifli'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Vitabella'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Pink Gipsy'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Inca Bella'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Salad Blue'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Rosesal'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Blue Belle'
Bild: Blüte von der Kartoffelpflanze 'Valar'
Ist das nicht eine Wucht, sind die Kartoffelblüten nicht wunderschön? Und jetzt denken Sie sich mal die Kartoffel kurz als zierende Topf- oder Kleingartenpflanze, die aber trotzdem auch sehr gute, aromatische Kartoffeln produziert und allen Widerwärtigkeiten der Natur (vor allem aber der Braun- und Krautfäule) wiedersteht? Dann sehen Sie genau das etwas verrückte Ziel, das wir vor Augen haben. Und aktuell beginnen wir den Zuchtprozess ganz klein. Wir selektionieren aktuell aus einem Sortiment von 50+ Kartoffelsorten die schönsten Sorten, mit den attraktivsten Blüten und dem schönsten Laub, wir werden sie im Herbst degustieren, und gleichzeitig hat unser Freund und Partner David Shaw im fernen Wales, in Bangor schon begonnen, die erste Resistenz-Kreuzung für unsere Zusammenarbeit zu produzieren. David Shaw ist eigentlich von Haus aus (pensionierter) Universitätslehrer und Forscher mit dem Spezialgebiet Phytophthora, vor allem aber hat er in den letzten 20 Jahren in England und in einigen anderen Ländern die Phytophthora-resistenten und -toleranten Sorten wie Sarpo Axona und Sarpo Myra eingeführt.
Bild: Kartoffel-Ernte aus dem Topf
Hier zum Bespiel ein Bild eines kleinen Sämlings, den David für uns anzieht:
Ich werde dann David und seine Versuche im Herbst besuchen und wahrscheinlich auch darüber berichten. Nächstes Jahr werden wir dann damit beginnen, die Kartoffelschönheiten mit der Kartoffelgesundheit zusammenzubringen…
Naive Gemüsezüchtung
Vielleicht ist naiv die beste Umschreibung für unsere züchterischen Gemüseanstrengungen. Wir begeben uns etwas naiv, auch unwissend in das von Konzernen und Universitäten bearbeitete und mehrfach schon umgegrabene Feld der Gemüsezüchtung. Aber vielleicht birgt dieser Ansatz ja auch Chancen. Jedenfalls ist es exakt die Haltung, mit der ich vor 25 Jahren mit der Apfelzüchtung begonnen habe: "Eigentlich könnte ich das ja auch, lasst uns andere Fragen stellen, lasst uns zusätzlich den Zufall engagieren - und dann schaun wir mal…" Vielleicht ist es genau so, oder könnte genau so enden, wie es das bereits zitiert Sprichwort voraussagt: Die dümmsten Bauern haben immer die grössten, resistentesten, bestschmeckendsten und schönsten Kartoffeln. Darauf hoffen wir.
Wünsche
Ich hätte gerne eine robuste und grossknollige Kartoffelsorte mit dem Geschmack und Textur von La Ratte.
Bei den Auberginen hätte ich gerne eine Sorte welche problemlos im Freiland anwächst. Ich habe schon oft Auberginen im März selber angezogen und hatte schöne Pflanzen, die ich tiptop abgehärtet habe. Aver nach dem Auspflanzen wurzeln die Dinger einfach nicht richtig an.