Wenn Obstbäume im Sommer oder Herbst schon blühen... Fast jedes Jahr, aber besonders auffällig in Jahren mit heissen Sommern, häufen sich im August und September die Presseberichte, dass Obstbäume - Äpfel, Birne, Kirschen - gegen alle Vernunft und jahreszeitliche Planung jetzt schon blühen, während gleich auf dem Ast nebenan die Früchte heranreifen. Das Ereignis ist speziell genug, dass die Fotoeinsendungen und Telefonanrufe von der Presse aufgenommen werden. Häufig kommt der Lokalreporter vorbei und schreibt ein kleines launiges Stück über - die Natur, die aus dem Zeitplan und Takt gefallen ist. Aber was ist der Grund für diese vorzeitige Blüten von Obstbäumen, die zwar ungewöhnlich ist, aber doch immer wieder regelmässig zu beachten ist.
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Die Hoffnungen des Züchters
Als Züchter kennen wir sogar die Sorten, die verstärkt zu vorzeitiger Blüte neigen - und wir sind meistens bestrebt, solche Sortenkandidaten eher auszuschliessen, da vorzeitige Blüten von Obstbäumen auch eine Eintrittspforte für Krankheiten (Monilia, Feuerbrand, Pseudomonas) darstellen können. Auf der anderen Seite sind solche Phänomene für den Züchter (in mir) auch eine ewige Versuchung: Könnte man damit nicht ganz neue Sorten züchten, ganz neue Eigenschaften einbauen, wie z.B. zwei Ernten pro Jahr. Denn eins ist sicher: Obstbäume produzieren für die notwenige Reproduktion und auch für einen vollen Fruchtertrag viel zu viele Blüten, die sich dann zu 90 oder 80% nie zu fertigen Früchten entwickeln. Könnte man diese verschwendeten Ressourcen (viel zu viele Blüten) nicht für zwei Ernten oder für eine kontinuierliche Ernte benutzen?
Wann entwickeln Obstbäume ihre Blüten?
Zurück auf den Boden der Tatsachen. Zunächst mal eine Einschränkung: Wir reden hier über Obstarten aus den gemässigten Klimaten, die hier in Mitteleuropa und vergleichbaren Klimaräumen heimisch sind. Sie lassen in der Regel über den Winter die Blätter fallen, gehen in Winterruhe und starten im Frühling neu. Die Vegetationsperiode ist nicht unendlich, sondern begrenzt, manchmal etwas länger, manchmal etwas kürzer. Unsere Obstarten (Apfel, Birne, Kirsche, eigentlich auch Pfirsich und Aprikose, Pflaumen und Zwetschgen) müssen damit zurechtkommen... alle diese Obstarten und auch die meisten der Beerenobstarten (Heidelbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren, Sommerhimbeeren) entwickeln die Blütenknospen für den nächstjährigen Ertrag im Vorjahr, meist schon im Langtag, gegen den Hochsommer zu, im Juni bis August.
- Günstige Pfirsichbäume
- Günstige Aprikosenbäume
- Günstige Apfelbäume
- Günstige Pflaumenbäume
- Günstige Zwetschgenbäume
Pflanzen sind nicht blöd - und halten ihr frisch entwickelten Blütenanlagen zurück
Und selbstverständlich bilden Obstbäume und Beerensträucher diese Blütenanlagen nicht sofort aus, sondern halten sie in den Trieben, in den schlafenden Knospen versteckt, um sie unbeschädigt durch den kalten Winter zu bringen. Pflanzen sind ja nicht blöd und hatten Millionen von Jahren Zeit, um ihre Intelligenz zu entwickeln. Da aber im Sommer grundsätzlich noch alles wächst, weil die Pflanze auf äussere Stimulanzien (Dünger, Wasser, Klima) sofort reagiert, braucht es wohl in den Blüten von Obstbäumen auch bestimmte Hemmstoffe, die die sofortige Weiterentwicklung und Ausfaltung unterdrücken. Die Kälte des Winters baut diese Hemmstoffe dann ab und danach sitzt die Pflanze mit ihren weitgehend unentwickelten, aber in Miniaturform bereits vorhandenen Blütenanlagen sozusagen in der Startlöchern, um bei adäquater Temperatur und Umweltbedingungen sofort zu starten und loszulegen - so dass Früchte und Samen das Überleben der Art sichern... Das also ist der Standardprozess.
Handeln Obstbäume mit vorzeitigen Blüten unvernünftig?
Genauso wie wir Menschen ob so unvernünftigem Pflanzen-Handeln staunen (was dann eben zu den erwähnten, manchmal sensationsheischenden Zeitungsberichten über vorzeitige Blüten von Obstbäumen führt), so sind vorzeitigege Blüten im Sommer und Herbst auch aus Sicht der Pflanze nicht sehr positiv. Immerhin wendet die Pflanze Ressourcen auf, die zu keinem zählbaren Resultat führen werden: Früchte und Samen aus den vorzeitigen Blüten im August und September werden nie reif werden. Wenigstens hier nicht… In den drei Pünktchen steckt aber schon das ABER: Erstens würde es diese Eigenschaft gar nicht mehr geben, wenn sie wirklich zählbar negativ für die Pflanzen wäre. Wenn man die vorzeitigen Blüten von Obstbäumen mit der Anzahl der Frühlingsblüten und diese wiederum mit der Anzahl der wirklich entwickelten Früchte in Verhältnis setzt, dann sind die vorzeitigen Blüten wahrscheinlich ganz einfach eine 'Quantité négligeable'. Und zweitens: Es könnte ja auch sein, dass diese Eigenschaft ein Überbleibsel aus Zeiten ist, als die Vegetationsperiode noch viel länger war, und die Pflanze noch eine Chance hatte, die zweiten Früchte ganz auszubilden… Und drittens: Schliesslich und endlich zeigt die Fähigkeit, vorzeitige Blüten auszubilden, auch die Potentiale und die Anpassungsmöglichkeiten einer Pflanze auf: Sie hat die Fähigkeit auf die Natur, insbesondere z.B. auf eine längere Vegetationsperiode zu reagieren. Die Fähigkeiten sind angelegt, werden aber zurzeit nicht genutzt. Was auf den ersten Blick (vergeudete Blüten, unentwickelte Früchte) ein Defekt ist, könne auch ein Potential sein.
Bild: Vorzeitige Blüten am Mini-Birnbaum Pironi® Little Sweety®
Wie kommt es zu den vorzeitigen Blüten von Obstbäumen?
Pflanzen haben schon einige Eiszeiten und einige Klimawechsel erlebt und überlebt und irgendwie und irgendwann muss ja diese Fähigkeit, frühzeitige Blüten auszubilden, sinnvoll gewesen sein und deshalb auch überlebt haben. Aber bei dieser evolutionären und pflanzengeschichtlichen Ausschweifung haben wir noch nicht erklärt, wie genau es zu diesen vorzeigen Blüten kommt, was in der Pflanze genau abläuft. Jedenfalls kann man beobachten, dass vorzeitigege Blüten von Obstbäumen meist etwas verzögert nach Stresssituationen entstehen: Trockenheit bzw. ein ganz besonders heisser Sommer, Blattverlust wegen Trockenheit, überstarker Sommerschnitt, Hagel. Hier liegt der Schluss nahe, dass die Pflanze mit den Blüten auf den Schock, auf das ausserordentliche Ereignis reagiert. Damit vermenschlichen wir die Pflanzen aber wahrscheinlich zu sehr... Ich habe zwar dazu jetzt keine physiologischen Wälzer nachgelesen (und die Autoren wären sich wohl auch nicht ganz einige), aber es ist eher so, dass diese ausserordentlichen Ereignisse (Trockenheit, Hitze, Blattverlust, Schnitt, Hagel) unfreiwillig zu einer Ruheperiode der Pflanze führen. Sie steht einfach still, und wartet bei 40° bessere Zeiten ab. Und genau diese Ruheperiode, die nicht ganz anders ist als die ebenso unfreiwillige Ruheperiode im Winter (da dann wegen Winterkälte und Blattverlust) baut dann die Hemmstoffe in den Knospen ab - was zu den vorzeitigen Blüten von Obstbäumen führt. Und wenn dann Ende August oder im September die ausserordentlichen Ereignisse vorbei sind, wenn die Bodenfeuchte wiederhergestellt ist und normale Temperaturen herrschen, dann gibt es für die Blüten von Obstbäumen keinen Hinderungsgrund mehr, auszutreiben... vorzeitig und objektiv zur falschen Zeit. Ich selber bin mit dieser Erklärung weitgehend zufrieden. Aber warum treiben dann nicht alle Blüten im Sommer aus? Antwort: Weil die Ereignisse im Sommer halt nicht so stark wirken wie der Winter... Und warum stellt man immer wieder auch vorzeitige Blüten fest, manchmal schon viel früher im Juni und Juli, die man mit dieser Erklärung nicht abdecken kann? Antwort: Das weiss sich nicht, dafür aber gibt es wohl unterschiedliche Mechanismen, wie vielleicht Blütenanlagen, die im Frühling zurückgehalten wurden oder zu spät fertig werden...
Schaden diese vorzeitigen Blüten dem Baum?
Was auf den ersten Blick wie ein fehlgeschlagener Suizidversuch des Baums aussieht (Blüten im Herbst), ist in Tat und Wahrheit für den Baum nur ein ganz kleiner Unfall. Dazu. Er hat immer noch das zighundertfache an Blüten in petto - und später im Frühling wird er nur einen kleinen Prozentsatz der Blüten brauchen, um für die Reproduktion genügend Früchte auszubilden. Die Natur und ihre Zuchtmeisterin, die Evolution, hat hier mehr als genug Reserven eingebaut - so dass auch bei vorzeitigen Blühkapriolen nichts anbrennen kann. Und wie schon einmal erwähnt: Wären vorzeitige Blüten wirklich gefährlich, so würde es sie nicht mehr geben... Zum Suizidversuch noch eine Ergänzung: Es gibt ja auch die alten Obsthochstämme, die in ihrem letzten Lebensjahr nochmals blühen wie verrückt, sogar Früchte produzieren und dann im Folgejahr ganz oder in einzelnen Ästen nicht mehr austreiben. Diese Reaktion hat mit den vorzeigen Blüten nichts zu tun, ist aber ebenfalls kein Suizidversuch, eher das Gegenteil. Die Pflanze möchte überleben, das Fortbestehen der Art sichern und wendet dafür nochmals alle verfügbaren Reserven auf - die nachher naturgemäss verbraucht sind…Aber die Pflanze lebt in ihren Samen weiter.
Bild: Früchte und Blüten gleichzeitig am Mini-Birnbaum Pironi® Little Sweety®
Muss bei vorzeitigen Blüten etwas unternommen werden?
Aus der Sicht des Gärtners muss bei vorzeigen Blüten nichts unternommen werden, es sei denn, der Baum oder die Umgebung geben Anlass zur Vermutung, dass es über die Blüte zu Infektionen durch Pathogene (nochmals: Blütenmonilia, Pseudomonas, Feuerbrand) kommen könnte. Sind solche Krankheiten in der Vergangenheit schon auffällig aufgetreten, macht es sicher Sinn, die Blüten von Obstbäumen nach einer kleinen Staune-Phase zu entfernen. Ansonsten: Einfach zuschauen, lächeln und geniessen, was die Natur so alles kann, auch wenn wir nicht immer genau wissen, wozu es gut sein soll...
Nochmals Gedanken des Züchters: Wie könnte man vorzeitige Blüten bei Obstgehölzen nutzen
Solche Abweichungen vom Erwarteten fordern natürlich die Aufmerksamkeit des Züchters heraus. Könnte man damit etwas erreichen? Wie wäre es mit zwei Apfelgenerationen pro Jahr? Bei einer Blüte Ende August oder im September wird es in der zweiten Blütengeneration allerding nie zu reifen Früchten kommen, aber wie wäre es da mit Frühsorten und Blüten im Juli oder Juni. Unser frühesten Apfelsorten blühen Mitte April und fruchten 10-12 Wochen später... Wenn wir jetzt einfach mal spielerisch den Fall nehmen, eine Frühsorte hätte diese starke Tendenz zu vorzeitigen Blüten und diese liessen sich bis in den Juni oder Juli vorverlegend, dann würde es vielleicht mit der doppelten Ernte klargehen - vorausgesetzt die Pflanze hat genügend Ressourcen dazu. Mit der hypothetischen und provisorischen Kalkulation will ich nur folgendes sagen: Wenn ich eine frühe Apfelsorte mit vorzeitigen Blüten im Juni bis August entdecken würde, würde ich der Sache auch züchterisch noch ein wenig nachgehen. Ich bin jetzt - beim Schreiben dieses Artikel - fast sicher, dass mir solche Obstbäume in den 100 000den von Apfelgenotypen, die ich in meinem Züchterleben schon gesehen habe, bereits begegnet sind... Auch Züchter schlafen manchmal, und sind nicht ganz auf der Höhe ihres Gegenstands...
Dauertragende Heidelbeeren
Es gibt einen Fall von vorzeitigen Blüten bei Obstgehölzen, der schon entsprechend züchterisch bearbeitet wurde und wird: Heidelbeeren. Es gibt auch schon zwei solche Sorten auf dem Markt, Perpetua in den USA und Horpetite Blue in Europa. Beide Sorten blühen aber die zweite Runde zu spät und bringen ihre zweiten Früchte in normalen Jahren nicht wirklich zur Reife. Aber die Eigenschaft ist da, klar und deutlich - daneben sind auch die blühenden Heidelbeerbüsche im Sommer ganz nett... Bei Lubera® haben wir diese Eigenschaft (und das Ziel doppelt oder kontinuierlich blühender Heidelbeeren) zu einem zentralen Ziel unserer Heidelbeerzüchtung gemacht.
Wie kann man die vorzeitigen Blüten bei Heidelbeeren erklären?
Woher stammt bei Heidelbeeren diese Eigenschaft, vorzeitig zu blühen, also während der Reife der ersten Früchte am neugewachsenen Holz bereits wieder Blüten auszubilden (und nicht nur im Inneren der Knospen fürs nachfolgende Jahr anzulegen?? Sie stammt von Heidelbeerarten, die in Zonen mit sehr kurzer Vegetationsperiode heimisch sind. Sobald sie den Frühling spüren, müssen sie sofort starten, ihr Fühler schnell ausstrecken und nachher sofort blühen und fruchten. Wenn sie überleben wollen, dann müssen sie sich beeilen. Allzu früh ist der kurze Sommer, der eigentlich fast nur ein Frühjahr ist, schon wieder vorbei; da reicht es gerade noch, die Blütenanlagen fürs nachfolgende Jahr auszubilden - und dann heissts Blätter und Kopf einziehen und überwintern (zum guten Glück häufig auch unter einer Schneedecke).
Und was passiert nun, wenn man diese Arten in eine Region bringt, wo es zwar auch ziemlich kalte Winter gibt, die aber eine deutlich längere Vegetationsperiode aufweist, die von März bis Oktober reicht? Die Heidelbeere startet wie gehabt. Eher ein bisschen zu früh, da muss man wegen der Frühjahrfröste aufpassen. Dann blüht und fruchtet sie im Schnellzugstempo und schon im Juni ist alles erledigt, sind die Früchte abgefallen, von wilden Tieren gegessen oder von Züchter verspeist. Die Pflanze hat nichts mehr zu tun, sie wächst vor sich hin, aber auf diese Situation ist sie ganz einfach nicht eingestellt. Und ganz offensichtlich reichen die Hemmstoffe in den Blütenknospen dann nicht mehr aus, die vorzeitigen Blüten zu verhindern. Es kommt, wie es kommen muss: Die Heidelbeere kann ihren Blütenreichtum nicht zurückhalten und blüht ein zweites Mal oder auch kontinuierlich Juni bis September. Hier scheint es auch unterschiedliche Mechanismen der späten Blüten zu geben (an Seitentrieben, an der Triebverlängerung, Schubweise, kontinuierlich).
Bild: Vorzeitige Blüten am Heidelbeer-Strauch
Dauerblühende Heidelbeeren in der Lubera® Züchtung
In der Lubera®-Züchtung ist es uns gelungen, den Zeitpunkt dieser zweiten Blüte schon weit in den Juli und teilweise sogar in den Juni zurückzuverlegen und wir haben unterdessen über 50 Genotypen selektioniert, die problemlos im Juni bis Juli (zum zweiten Mal) blühen und bereits im August und September die zweite Ernte zur Reife bringen. Noch ist uns nicht klar, ob wir darunter schon Sorten gefunden haben, bei denen diese Eigenschaft quantitativ genügend ausgeprägt ist (genug Früchte, dass es sich für Gärtner lohnt), aber die Eigenschaft haben wir vorliegen und können damit weiterzüchten. Mit Sorten ist allerdings erst in einigen Jahren ab 2021 zu rechnen. Züchter und Pflanzen brauchen einen langen Atem.
Vielleicht ist auch der Obstbaum, der zweimal blüht, gar nicht so weit entfernt. Dazu braucht es Arten und Sorten, die früh fruchten und auf eine kurze Vegetationsperiode eingestellt sind. Dann gilt es, ihre Reaktion auf eine längere Vegetationsperiode herauszukitzeln... Und klar: Die vorzeitige Blüte ist dann kein Unfall mehr, eigentlich auch nicht mehr vorzeitig, sondern Chance und Vorzug.
Lesen Sie auch den Beitrag "Ab 1. Oktober: Obstbäume wurzelnackt und ohne Blätter pflanzen!"
Cornelia Zoll