Man kann die Feigentypen nicht auseinander dividieren. Wahrscheinlich sind sie nacheinander, in der unten beschriebenen Reihenfolge entstanden, aber sie gehören immer noch zusammen, die spätere ist ohne die frühere nicht denkbar, und vor allem nicht weiter vermehrbar und entwickelbar. Bei uns aber, ganz allgemein nördlich der Alpen, können nur Kulturfeigen angebaut werden, da die Feigenwespe nicht so weit nach Norden vorgedrungen ist wie die Feige. Alle Lubera-Gustissimo Feigen sind Kulturfeigen!
Eine große Auswahl an Feigenbäumen finden Sie im Lubera Shop.
1. Die Bocksfeige, die Urfeige hat männliche und weibliche Blüten. Ihre Blütenbiologie, die Länge (oder eher: Kürze) der Blüten, die Reife der Früchte ist ideal auf die Biologie der Feigenwespe abgestimmt. Sie hat eigentlich – ex post und aus ziemlich menschlicher Sicht betrachtet – nur einen Nachteil: Sie ist klein und fruchtmässig wenig interessant. Biologisch «stimmt» hier alles, mehr als bei allen anderen Feigen.
2. Die Smyrna-Fruchtfeige verfügt nur noch über weibliche Blüten. Dafür sind diese viel länger und lassen bei Befruchtung rund um die Samen viel mehr Fruchtfleisch entstehen, samt Fruchtsäuren und Zucker und anderen interessanten Inhaltsstoffen. Vor allem aber ist die Smyrna-Feige auch viel grösser als die Bocksfeige. In biologischer Hinsicht jedoch hat sie gleich zwei «Defekte»: Sie bildet (fast) keine männlichen Blüten mehr aus (wie soll also ohne Bocksfeige die Befruchtung erfolgen?), und sie verhindert wegen ihrer langen Blüten die Reproduktion der Feigenwespe, auf die sie doch so angewiesen ist! Könnte man mehr am Ast sägen, auf dem man sitzt?
3. Die San Pedro Fruchtfeige ist sozusagen ein Zwischenprodukt der Entwicklung der Bocksfeige hin zur Kulturfeige (siehe Punkt 4), die allerdings biologisch gesehen ein Rückschritt ist … Die San Pedro-Fruchtfeige kann in ihrem ersten Fruchtschub, der je nach Klimazone zwischen Juni und August reif wird, Feigen ohne Befruchtung ansetzen und entwickeln (die sogenannten Breba Früchte); beim zweiten Fruchtansatz, im Sommer und Herbst, ist sie obligatorisch auf die Befruchtung durch die Feigenwespe angewiesen.
4. Die Kulturfeige kommt ganz ohne Befruchtung aus und kann bei entsprechend langer Vegetationsperiode zwei Ernten parthenokarper Früchte hervorbringen. Sie ist insbesondere nördlich der Alpen, in Mitteleuropa und weiten Teilen Nordamerikas dem Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert: Sie kann sich ohne das zufällige und in gemässigten und nördlichen Klimaten schlichtweg unmögliche Eindringen einer verirrten Feigenwespe nicht natürlich und «von allein» fortpflanzen.
Wäre da nicht der Mensch, wäre die Kulturfeige ein Sackgasse der Natur. Auch züchterisch kann die Kulturfeige, die Feige die wir in unserem Lubera-Sortiment finden, nur weiterentwickelt werden, indem man Bocksfeigen mit möglichst guter Fruchtqualität und mit rezessiven (also nicht sichtbaren, versteckten) Genen für lange Blüten und Parthenokarpie mit parthenokarpen Feigensorten, sprich mit Kulturfeigen kreuzt. Aus den dann ausnahmsweise entstehenden keimfähigen Samen entwickelt sich im besten Falle ein Viertel wieder zu Kulturfeigen.
Natürlich ist das in der Vergangenheit auch ab und zu in der Natur geschehen, aus welchem Reservoir dann die meisten der bekannten Kultursorten ausgelesen worden sind. Aber ohne Kultur, ohne Auslese und vegetative, «künstliche» Vermehrung der besten Feigen dieses Typs wären sie in der Natur aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit sang-, klang- und samenlos einfach wieder untergegangen. Deshalb ist auch der Ausdruck «Kulturfeigen» hier mehr als nur angemessen.
Dass man diese Geschichte auch andersherum erzählen kann, habe ich in sieben weiteren Artikel im Lubera-Magazin gezeigt. Danach ist es nicht der Mensch, der die Kulturfeigen hervorgebracht hat, sondern es ist die Feige, die den Menschen dazu verführt hat.
Die Geschichte und Biologie der Feige, Teil 1
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Ur-Feige, Teil 2
Die Geschichte und Biologie der Feige: Auftritt Feigenwespe, Teil 3
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Smyrna-Fruchtfeige, Teil 4
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Caprifikation, Teil 5
Die Geschichte und Biologie der Feige: Die Kulturfeige, Teil 6
Die Geschichte und Biologie der Feige: Der Mensch als Feigensklave, Teil 7
Ganz kurz und knapp habe ich das Thema “Wie und wo Feigen blühen und befruchtet werden”, in meinem Facebook Live-Video geschildert (speziell über die Feigen geht es ab der 28. Minute):
Klingt wie Harari
Guten Tag
Vielen Dank für den Tipp ;-)
Wir wünschen Ihnen einen schönen Spätsommer.
Herzliche Grüsse
Ihr Lubera Team