Niemand mag meinen Garten - nur ich. Na ja, nicht ganz, meine Kinder auch, aber das war’s denn auch schon. Nachbarn, Freunde und Familie finden ihn nicht schön. Ein gewisses Familienmitglied meinte sogar, er sei hässlich, aber nun ja, da ich dieser Person noch nie was recht machen konnte, wollen wir mal großzügig über diese Beleidigung meines Herzstückes hinweg sehen. ;-) Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und deswegen sehen Andere nicht, was ich sehen kann: Paradiesische Leckereien! Da mein Hausgarten nur aus einem relativ schmalen Streifen an drei Seiten des Hauses besteht, musste ich früh Prioritäten setzen und die bestanden zu 99% aus Beerensträuchern, flankiert von ein paar Redloves. Das war’s.
Beeren vom Frühling bis Spätherbst war mein kulinarisches Ziel und das habe ich umgesetzt, angefangen von Erstbeeren bis hin zu Pointilla. Meine mittlerweile in der Ferne wohnende Tochter legt ihre Besuchszeiten bei mir sogar nach dem Ernte-Kalender der Beeren! Sie fragt diplomatisch an, wann denn die Johannisbeeren oder Blaubeeren reif sind und schwupps! steht sie vor der Tür mit ihrem Köfferchen, der bei Anreise ziemlich leer ist, bei Abreise aber ziemlich voll.
Die massenhaften Beerensträucher in meinem Garten, seien es nun Johannisbeeren, Himbeeren, Goji oder Stachelbeeren, sehen aber nur kurzfristig gut aus, wenn sie Früchte tragen. Den Rest des langen Gartenjahres schauen sie allerdings etwas traurig aus, das muss ich zugeben. Ist ja aus Sicht der Pflanzen logisch. Wenn sie ihre Mission erfüllt haben, sind sie erschöpft und können nicht mehr Energie in schöne Blätter investieren. Diese Logik macht meinen Garten aber nicht gerade zu einem Schmuckstück, o.k., da sind wir uns einig. Er sieht meistens so aus wie ein praktischer Schrebergarten im Kleinformat und Unkraut ist auch oft zu sehen (je nach Energielevel der Gärtnerin mal mehr mal weniger. Und ja, ich sage immer noch Unkraut dazu, nicht gartenpolitisch korrekt Beikraut oder Wildkraut. Unkraut ist halt das, was mörderischen Ausbreitungsdrang hat und alles Feine, Zarte und Schöne im Garten gnadenlos verdrängen würde, wenn man es denn ließe).
Aber da ich nun auch älter werde und die oft besungene Altersmilde sich bei mir meldet (nur in Bezug auf den Garten), habe ich beschlossen, von meinen Prinzipien etwas abzuweichen und ihn aufzuhübschen. Nicht wegen der Nachbarn, sondern weil der Morgenkaffee im Garten neben einem hübschen Blümchen besser schmeckt als neben vergilbten Johannisbeerblättern. ;-)
Und - nun ja - das Lubera Gartenbuch "Dauer-Bombardement" mit Staudenvorschlägen hat mich auch ein wenig weichgekocht.
Der Hauptgrund aber, neben dem Kaffeepäuschen - sind meine geliebten Hummeln. Ohne sie würden meine Beerensträucher nicht mal die Hälfte tragen, die Redloves auch nicht. Im Frühling ist es hier an der Küste im Norden immer windig, ja stürmisch und es regnet meistens. Und wer fliegt nicht bei solchem Wetter? Genau, die Bienen. Aber die gut gepolsterten, flauschigen, kräftigen Hummeln fliegen immer, wie es scheint. Nur eine Handvoll (die überwinterten Hummelköniginnen), aber diese fleißigen Damen sind den ganzen Tag an den Blüten meiner Beerensträucher und Apfelbäume beschäftigt. Ohne sie wäre mein Garten nichts und mein Magen leer.
Also habe ich beschlossen, ihnen jetzt Stauden zu schenken, die im Spätsommer und Herbst blühen (weil das ihre Hungerzeit ist, wie ich bemerkt habe) und sie ein paar extra Leckerlis von mir verdient haben.
Und wenn norddeutsche Sparsamkeit auf luberische Angebote trifft, dann kann man zuschlagen diese Woche, wo man auf Stauden 20% Rabatt bekommt. Und ich habe zugeschlagen, sogar leichtsinnigerweise bei Sträuchern wie Mönchspfeffer, Petrovskien und Bartblume. Eigentlich nicht winterhart hier in unseren garstigen Wintern. Nicht, weil es besonders kalt werden würde an der norddeutschen Küste. Aber der typische Winter hier ist regenreich und matschig: Es schüttet tagsüber von oben und nachts gefriert der staunasse Boden oberflächlich bei ein oder zwei Minusgraden. Eine üble Kombination aus Gräue, Tristesse und nassen Füßen, die wir Menschen mit Pharisäern, Grog und Punsch bekämpfen, gegen die die südländischen Pflanzen aber nichts machen können.
Was soll’s, einen Versuch ist es wert, dachte ich mir. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Norddeutsche Vernunft hilft nicht viel gegen verführerische Blütenfülle und erhoffte Schönheit im nächsten Spätsommer. Vorsichtshalber habe ich aber auch harte Gesellen bestellt wie Kugeldistel, Silberkerze und Lungenkraut (hat im Frühling Suchtfaktor für die Hummeln).
Bild: Echinops bannaticus 'Blue Glow' Balkan-Garten-Kugeldistel - eine besondere Augenweide im Staudenbeet
So, dann wollen wir mal den Nachmittagskaffee im Garten genießen - ohne Rum drinnen, keine Sorge, noch ist ja nicht Winter. ;-) Vor meinem geistigen Auge werde ich dann meinen Garten 2019 an mir vorbei ziehen lassen, voll von spätsommerlicher Pracht mit Blumen und Blüten. Oben erwähntes kritikliebendes Familienmitglied wird bestimmt wieder ein Haar in der Suppe finden. Aber egal, die Altersmilde in mir wird mich lächeln lassen und ich denke dann nur: "Leben ist nicht genug. Freiheit, Sonnenschein und eine kleine Blume muss man auch haben." Wohl wahr, darauf noch ein Käffchen, lieber Hans Christian Andersen! Du hast vor über 100 Jahren schon gewusst, was ich und meine Hummeln brauchen!