Aus gegebenem Anlass folgt heute wieder einmal ein Artikel aus der Lubera® Züchtung. Aktuell kreuzen wir wie wild Tomaten…. Was die Ziele dieser Züchtung sind, wie das Tomaten Kreuzen abläuft und auf was dabei zu achten ist, erfahren Sie in diesem Beitrag. Möglicherweise möchte ja der eine oder andere selbst in die Welt der genetischen Spielerei eintauchen. Dafür erhalten Sie nachfolgend die wichtigsten Informationen, um im eigenen Garten Tomaten zu kreuzen
Ziele der Tomatenzüchtung bei Lubera®
Natürlich kreuzen wir nicht einfach Tomatensorten - damit wir auch im Sommer genügend beschäftigt sind... Unser Hauptziel ist es, interessante, neue Freilandtomaten zu züchten. Das heisst, durch das Kreuzen von Tomaten wollen wir Sorten produzieren, die es Ihnen einfacher machen, im Garten ohne Wetterschutz Tomaten zu produzieren. Einen ausführlichen Artikel zu Freilandtomaten finden Sie bereits im Gartenbuch unter dem Titel: 'Freilandtomaten - ein Pflanz- und Pflegeanleitung'. Um dieses Ziel zu erreichen werden krankheitstolerante Sorten mit Heirloom-Tomaten gekreuzt, die spannende neue Formen, Farben und Geschmacksrichtungen einbringen.
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Video: Tomaten-Züchtung bei Lubera®
Testung der resistenten Sorten und der Heirloom Tomaten
Um die bestehenden Sorten und allfällige Muttersorten für die Züchtung und Kreuzung auf ihre Toleranz zu untersuchen, wurde ein Freilandversuch mit ca. 25 Sorten angelegt, in dem wir sehen wollen, welche Sorten das Leben im Freiland überstehen. Parallel dazu wurden in einem unserer Tunnel ca. 130 Sorten gepflanzt. Dort stehen wiederum die toleranten Sorten, aber vor allem auch die gesamte Tomatenvielfalt was Farbe, Form und Geschmack anbelangt. Ein kleiner Überblick der Vielfalt in Stichworten: Klein, gross, rund, länglich, rot, blau, grün, schwarz, orange, gestreift, marmoriert. Die verschiedenen Farben sind sowohl äusserlich, als auch im Fruchtfleisch zu finden.
Was man zuallererst wissen muss: Tomaten sind selbstfruchtbar
Die Blütenbiologie der Tomatenpflanze fördert die Selbstbefruchtung. Grundsätzlich und ohne Einflussnahme von aussen werden ca. 95% der Blüten der Tomaten von eigenen Pollen befruchtet. Das hängt damit zusammen, dass bei den Kulturtomaten der Stempel sehr lange von den prallgefüllten Staubbeuteln umgeben, ja eingeschlossen ist und erst dann das Licht der freien Welt erblickt, wenn er bereits vom eigenen Pollen befruchtet ist. Das heisst für die Züchtung und für das Kreuzen von Tomatensorten: Die männlichen Blütenorgane müssen möglichst früh entfernt werden, damit keine Selbstbefruchtung stattfinden kann und eine künstliche Bestäubung mit der gewünschten Vatersorte möglich wird...
Tomaten kreuzen erster Schritt - Tomatenblüten emaskulieren
Gekreuzt werden die Pflanzen im Tunnel, was praktischer und wetterunabhängiger ist als im Freiland. Das Tomaten Kreuzen erfolgt nach einem Plan, der von Markus Kobelt erstellt wurde und natürlich geheim bleiben muss :-)
Wenn die Kreuzungspartner ausgesucht sind, folgt der nächste Schritt: Das Emaskulieren, also das Entfernen der männlichen Blütenteile der Pflanze, die den weiblichen Part übernehmen soll. Geschehen sollte dies bei Blüten, die noch nicht geöffnet sind. Dort ist die Wahrscheinlichkeit, dass bereits eine Bestäubung stattgefunden hat, sehr gering.
Bild: Das richtige Blütenstadium für die Emaskulation
Dafür werden die (männlichen) Staubbeutel, die den (weiblichen) Stempel umgeben, entfernt. Dazu sollten im ersten Schritt die Sepalen, auch Kelchblätter genannt, also die grünen Blätter der Blüte, entfernt werden. Dadurch kann man einerseits besser arbeiten, andererseits wird die Blüte so ein weiteres Mal markiert, wodurch man sie später leichter wiederfindet. Im zweiten Schritt geht es dann an das Entfernen der Staubbeutel. Bei vielen Sorten sind die männlichen Blütenteile stark mit den Petalen, also den Blütenblättern, verbunden. Dies kann man sich zu Nutze machen, indem man vorsichtig ein solches Blatt greift und es nach oben, gerade von der Blüte wegzieht. Dabei ist darauf zu achten, dass der Stempel, also der weibliche Teil, unversehrt bleibt, um diesen später zu bestäuben. Falls so nicht alle Staubbeutel entfernt werden konnten kann noch mit einer Pinzette vorsichtig nachgeholfen werden.
Dieses Prozedere erfordert etwas Fingerspitzengefühl und klappt meist erst nach einigen Anläufen, also nicht aufgeben, wenn Sie es zu Hause probieren. Das Emaskulieren spielt eine sehr grosse Rolle für den späteren Erfolg, da man damit die Selbstbefruchtung der Blüte, die bei der Tomate sehr sehr gut funktioniert, unmöglich macht. Und das ist natürlich eine wichtige Voraussetzung, wenn man die Blüte mit fremdem Pollen bestäuben möchte. Die emaskulierte Blüte sollte zusätzlich mit einem Wollfaden, markiert werden, um sie einerseits für die Kreuzung, aber auch später für die Ernte wiederzufinden.
Bild: Emaskulierte und markierte Blüte
Tomaten kreuzen zweiter Schritt: Pollen gewinnen
Der nächste Schritt ist dann die Pollengewinnung der Vatersorte. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Beim ersten Weg geht man wie beim Emaskulieren der Blüte vor, sammelt aber die männlichen Blütenteile, zum Beispiel, in einem Becher.
Bild: Männlicher Teil der Blüte, eine Art Hülle mit Staubbeuteln, die den Stempel umgibt
Diese sollten dann getrocknet werden, sodass sie den Pollen freigeben. Falls dies geschehen ist, können dann die vorbereiten Blüten mit einem Pinsel vorsichtig (!) (der Stempel ist bei den meisten Sorten sehr fragil) bestäubt werden. Ebenso können schon reife Blüten gesammelt werden, wodurch man sich das Trocken natürlich sparen kann.
Der zweite Weg ist das direkte Gewinnen des Pollens aus der Blüte. Dafür sollte ein schwarzes Glas oder Plastikstück verwendet werde, da man darauf dann den Pollen sehr gut erkennen kann.
Bild: Pollen auf Plastik
Damit macht man sich auf die Suche nach reifen Blüten der Vatersorte. Wenn man eine solche gefunden hat, hält man das gewählte Objekt, zum Beispiel ein Glas, unter die Blüte und schüttelt diese vorsichtig. Wenn die Blüte reif ist, fällt nun der Pollen heraus und er kann aufgefangen werden. Mit diesem kann man sich dann direkt auf den Weg zu den vorbereiteten, emaskulierten Blüten machen. Nun muss nur noch der Stempel mit dem gesammelten Pollen in Verbindung gebracht werden, indem man ihn vorsichtig (!) über das Objekt mit dem Pollen streicht.
Bild: Bestäuben
Nach der Bestäubung sollte die Mutterpflanze noch mit einem Etikett versehen werden, auf dem die Vatersorte zu finden ist, um die Kreuzung später noch nachvollziehen zu können.
Ergebnis: So hat das Tomaten kreuzen funktioniert
Es gibt einige Faktoren, von denen eine erfolgreiche Befruchtung abhängig ist. Da wäre zum Beispiel die Aufnahmebereitschaft des Stempels. Um diese zu gewährleisten, sollte die Bestäubung 1-2 Tage nach der Emaskulation stattfinden. Eine wichtige Rolle spielt auch die Temperatur, so sollte es an den Tagen der Bestäubung nicht zu warm, jedoch möglichst trocken sein. Bei zu hohen Temperaturen kann sonst das Wachstum des Pollenschlauchs stoppen und die Befruchtung so misslingen. Ob die Bestäubung funktioniert hat, erkennt man bereits nach circa einer Woche an der Verdickung des Fruchtknotens. Wenn die Tomate zu wachsen beginnt, hat die 'künstliche' Befruchtung geklappt
Bild verdickter Fruchtknoten - die Kreuzung hat funktioniert
Tomaten kreuzen: Wie es weiter geht...
Wenn die Tomate ausgereift ist, kann sie geerntet und die Samen können aus der Tomate gewonnen werden. Die gewonnenen Samen werden dann ausgesät und die Sämlinge auf Ihre Eigenschaften geprüft. Man muss sich im Klaren sein, dass die Wahrscheinlichkeit, direkt bei den ersten Kreuzungen einen bahnbrechenden Erfolg zu erreichen, sehr gering ist. Jedoch ist davon auszugehen, dass man, wenn man die richtigen Eltern gewählt hat, seiner Vorstellung von einer neuen Sorte einen Schritt näherkommen kann. Im nächsten Anlauf wird dann mit den neuen Sämlingen weitergekreuzt, so dass man nach 2-3 Kreuzungen nahe bei einer neuen Sorte mit den gewünschten Eigenschaften landet. Oder halt auch nicht;-) Unser Ziel bei Lubera® ist es ebenfalls, in einigen Jahren neue, bessere Tomatensorten anbieten zu können, die dann sowohl tolerant als auch sehr schmackhaft und farbenfroh sind. Dabei werden wir auch versuchen, auf Methoden aus der Obstzüchtung zurückzugreifen, insbesondere die Klonselektion und die vegetative Vermehrung. Unsere Idee besteht darin, interessante Klone vegetativ zu vermehren und damit gegenüber der Herstellung von samenfesten Sorten (es braucht 6-8 Selbstungszyklen, um eine Sorte samenfest und stabil zu machen) und von F1 Hybriden sehr viel Züchtungszeit zu sparen. Probieren Sie es auch gerne zu Hause in Ihrem eigenen Garten aus. Vielleicht gelingt Ihnen ja der grosse Tomatenwurf.
Nachfolgend noch ein kleiner optischer Überblick über die heranreifende Vielfalt bei Lubera®: