Man findet nicht unbeträchtliche Mengen an Koffein in Zitrusblüten und in Zitrusblättern. Wollen uns die Zitruspflanzen jetzt auch noch den Schlaf rauben? Wir gehen in diesem Artikel dieser auf den ersten Blick überraschenden Kombination – einer der wichtigsten Fruchtarten mit der psychoaktiven Substanz Koffein, die uns wacher und konzentrierter machen soll – auf den Grund. Und natürlich testen wir zum Schluss auch noch Blüten- und Blättertee von Orangenbäumen und Grapefruit.
Inhaltsverzeichnis
- Zusammenfassung: Zitrusbäume und Koffein – eine überraschende Verbindung
- Kaffee, Tee und Zitrusblüten mit Koffein
- Warum Pflanzen Alkaloide (wie Koffein) produzieren
- 1. Schutz vor Frassfeinden
- 2. Hemmung der Konkurrenz
- 3. Beeinflussung von Bestäubern
- Blätter, Früchte und Blüten mit Koffein
- So wirkt das Koffein auf Bienen und andere Insekten
- Der Orangenblütentee
- So stellen wir Orangen-Tee und Grapefruit-Tee aus Blüten und Blättern her
- Wie schmecken die Zitrustees?
- Orangeblütentee (Süßorange)
- Orangenblättertee
- Grapefruit-Blütentee
- Grapefruit-Blättertee
- Fazit
- Und wie ist die Wirkung?
Zusammenfassung: Zitrusbäume und Koffein – eine überraschende Verbindung
Zitruspflanzen wie Orangen- und Grapefruitbäume produzieren Koffein – vor allem in ihren Blüten, vereinzelt auch in den Blättern, nicht aber in den Früchten. Dieses Alkaloid dient der Pflanze nicht etwa dazu, uns wach zu machen, sondern erfüllt biologische Funktionen: Es schützt vor Frassfeinden, hemmt konkurrierende Keimlinge im Boden und beeinflusst Bestäuber wie Bienen, die dadurch gezielt zur Blüte zurückkehren.
In einem Selbstversuch werden frische Zitrusblüten und -blätter als Tee aufgebrüht. Die Orangenvarianten schmecken milder und fruchtiger, die Grapefruittees sind bitterer und intensiver – mit überraschend tonicartigem Potenzial. Eine klare Wirkung des Koffeins lässt sich zwar nicht nachweisen, doch der Geschmack allein hat durchaus wachmachendes Potenzial.
Kaffee, Tee und Zitrusblüten mit Koffein
Erst vor einigen Jahrzehnten hat man entdeckt, dass Zitrusblüten – und in vermindertem Maße auch Zitrusblätter – Koffein produzieren. Und erst neuerdings geht man der Frage nach, warum denn das psychoaktive Alkaloid von der pflanzlichen Chemiefabrik überhaupt produziert wird. Koffein scheint ja für uns Menschen bei vielen wichtigen Getränken (Cola, Echter Tee, Mate Tee, Kaffee) unabdingbar zu sein, wozu aber braucht es die Pflanze?
In den Zitrusbäumen ist Koffein vor allem in den Blüten vorhanden – und da fast ausschließlich in den männlichen Organen, den Staubfäden und Staubbeuteln. In den Staubbeuteln kann der Gehalt in Prozent ganz nahe beim Gehalt der Kaffeebohnen liegen – wobei natürlich die Staubfäden und Staubbeutel vergleichsweise wenig wiegen. Ebenfalls findet man auch in Zitrusblättern etwas Koffein, in den Früchten aber ist kein solches Alkaloid mehr vorhanden. Die naheliegende Vermutung, dass der Wachmachereffekt eines O-Saft-Glases am Morgen auf Koffein zurückzuführen sein könnte, ist deshalb nicht zutreffend. Da sind es eher die verschiedenen Säuren, die uns wachrütteln.
Warum Pflanzen Alkaloide (wie Koffein) produzieren
Also wir Menschen sind auf jeden Fall nicht der Grund… Dafür befassen wir uns zu kurze Zeit genüsslich und abhängig mit diesen Pflanzen (ca. 5'000 Jahre beim Tee, Kaffee seit gut 1'000 Jahren in Äthiopien), als dass sich diese Kulturpflanzen derart von uns beeinflussen ließen. Allerdings ist es durchaus wahrscheinlich, dass die menschliche Selektion und der Drang nach mehr Anregung und Koffein den Koffein-Gehalt der Kulturpflanzen beeinflusst hat. Nach Koffein gierende Menschen werden ja nicht die am wenigsten wirksamen Tee- und Kaffeepflanzen ausgelesen und vermehrt haben.
In der vormenschlichen Evolution und Entwicklung – und in der Wechselbeziehung zwischen Pflanzen und Tieren/Insekten – haben psychoaktive Alkaloide vor allem drei Wirkungen:
1. Schutz vor Frassfeinden
Koffein wirkt auf viele Insekten und andere kleine Tiere toxisch oder abschreckend. Durch die Anreicherung von Koffein in Blättern, Samen und jungen Trieben schützt sich die Pflanze vor Fressfeinden wie Insekten oder Schnecken.
2. Hemmung der Konkurrenz
Koffein kann im Boden andere Keimlinge hemmen. Wenn Kaffeeblätter zu Boden fallen und sich zersetzen, gelangt Koffein in den Boden. Dort kann es die Keimung und das Wachstum anderer Pflanzen unterdrücken – ein Vorteil für die Kaffeepflanze und vielleicht auch für den Zitrusbaum, da sie sich so die pflanzliche Konkurrenz vom Leibe halten und mehr Raum und Nährstoffe sichern können.
3. Beeinflussung von Bestäubern
In kleinen Mengen in den Blüten können Alkaloide – und vor allem Koffein – auch auf Bestäuber positiv einwirken: Sie fliegen immer wieder zur gewünschten Blüte und Blütenart.
Blätter, Früchte und Blüten mit Koffein
Es ist ziemlich naheliegend zu vermuten, dass Koffein in Blättern vor allem eine abschreckende Wirkung haben soll – die Frassfeinde werden zumindest verwirrt und lassen vom Ziel ihrer Fressbegierde ab. Bei koffeinhaltigen Früchten oder Samen trifft wohl das Gleiche zu: Der Feind stirbt zwar nicht gerade, aber er wird so geschwächt, das er von seinem Frassziel ablässt. Das Schädigen, aber nicht-Töten macht durchaus Sinn: So können sich bei Frassfeinden keine Resistenzen gegen die pflanzlichen Abwehrstoffe herausbilden, da die entsprechende Selektion fehlt. Allerdings gibt es in Früchten und Samen auch belohnende Inhaltsstoffe (wie z. B. Zucker), die die Verbreitung der Samen sichern sollen. Beim Kaffee allerdings ist das Ziel der Abschreckung sehr klar: Im Fruchtfleisch der Kaffeekirsche ist fast kein Koffein zu finden, es konzentriert sich im Samen, in der Kaffeebohne. Die Vermehrungsfähigkeit des Kaffeestrauchs soll verteidigt werden.
Wie aber nun ist der Koffeingehalt in den Blüten zu erklären – welches Ziel verfolgt die Zitruspflanze? Will sie die Blüte nur schützen oder will sie die Befruchtung verbessern?
So wirkt das Koffein auf Bienen und andere Insekten
Das Verhältnis zwischen Zitrusblüten und Insekten – vor allem Bienen – ist erst in den letzten gut 20 Jahren näher erforscht worden.
Diverse Versuche haben hier weitgehend Klarheit geschaffen: Das Koffein wirkt einerseits insgesamt aktivierend auf die Bienenvölker (es gibt auch Koffein im Orangennektar, im Zitrusnektar). Vor allem aber führt die Vergiftung/Verführung der Insekten mit genau der richtigen Konzentration dazu, dass diese immer wieder zu den Zitrusblüten zurückkehren und ihren Bestäubungsdienst leisten. Allerdings sind sie in der Beziehung zwischen dem Zitrusbaum, der psychoaktiven Substanz und ihrem Körper eher der schwächere Teil: Sie sind so auf das Koffein fixiert, dass sie zu den gemerkten Zitrusbäumen zurückkehren – auch wenn es schon keinen Pollen und keinen Nektar mehr für sie gibt. Da bleibt für die Bienen nur zu hoffen, dass sie auch später blühende Zitrussorten finden – so wie wir fast überall eine Kaffeequelle finden, wenn uns der Sinn (oder die Sucht) danach steht.
Bild: Eine Schwebfliege (Scaeva pyrastri) an alten Zitrusblüten - ob sie noch vom Duft der frisch aufgeblühten Blüten träumt?
Der Orangenblütentee
Im Mittelmeerraum und in Nordafrika ist der Orangenblütentee recht verbreitet – und auch bei uns wird er in Reformhäusern und Kräuterläden vermehrt angeboten. Den darin vorhandenen, ätherischen Ölen wird eine entspannende bis sedative Wirkung nachgesagt. Der Orangenblütentee soll auch Schlafstörungen beheben helfen.
Aber bei meiner Recherche wird der Koffeingehalt eigentlich nie erwähnt – wahrscheinlich weil unbekannt oder zu klein. Und wie würde sich das mit der schlaffördernden Wirkung vertragen? Es gibt allerdings auch Menschen, die Stein und Bein schwören (ich gehöre dazu), dass ein Espresso am späten Abend beim Einschlafen hilft. Schlafforscher werden natürlich bei solchen Äußerungen laut aufstöhnen – und ich unterlasse es, das Nebenthema hier weiterzuverfolgen 😉
Zurück zum Orangentee, halten wir fest: Die Teeverwendung der Blüten hat eine lange Tradition und der Orangenblütentee hat eher eine beruhigende als eine anregend aktivierende Wirkung. Vielleicht aber könnte das bisschen Koffein darin trotzdem daran beteiligt sein? Wir wissen ja: Es ist die Dosis, die für die Wirkung entscheidend ist.
So stellen wir Orangen-Tee und Grapefruit-Tee aus Blüten und Blättern her
Jedenfalls haben wir nun genügend Gründe, selber Zitrusblüten- und Blättertee herzustellen. Wie bei den Früchtetees aus Camellia sinensis und Ilex paraguariensis gehen wir dabei sehr direkt und einfach vor:
Wir ernten frische Blätter und Blüten von Orangen und Grapefruits und gießen in durchsichtigen Gläsern die verschiedenen Tees auf. Auch der Blick, das Aussehen, macht ja die Wirkung… Die Blüten werden frisch und unbehandelt eingesetzt (natürlich könnte man sie wie bei den kommerziellen Orangenblütentees – zumeist aus Bitterorangenblüten – auch trocknen), die Blätter rollen wir zwischen den Handflächen und zerkleinern sie leicht, um mehr Inhaltsstoffe freizusetzen.
Wie schmecken die Zitrustees?
Natürlich sind die Geschmäcker und Vorlieben verschieden. Um aber trotzdem ein bisschen Objektivität und Intersubjektivität reinzubringen, habe ich die Tees zusammen mit meiner Redaktionskollegin Stefanie Lütkemeier genossen – und beschrieben.
Hier teilen wir unsere Verkostungsnotizen:
Orangeblütentee (Süßorange)
- Duft: nicht sehr angenehm, leicht muffig, etwas enttäuschend
- Geschmack: milder als Grapefruit, zitronig-spitz am Anfang; insgesamt sehr angenehm
- Retronasal, im Abgang: blumig, nach Bergamotte
Orangenblättertee
- Farbe: alle Blättertees werden grüner als die Blütentees, limettengrün
- Duft: holzig, erdig, auch nach Gewürzen. Erinnert an zitronige Kräuter
- Geschmack: angenehm zitronig, danach nimmt man die Bitterkeit wahr, am Schluss retronasal dominiert wieder die Fruchtigkeit
Grapefruit-Blütentee
- Duft: frisch, grün, etwas Orange spürbar, florale Spuren, deutlich besser als der Duft des Orangenblütentees
- Geschmack: ganzheitlich bitter, aber nicht unangenehm; nur sehr viel stärker als bei der Orange. Die Bitterkeit erinnert an Schwarztee
Grapefruit-Blättertee
- Duft: stark, nicht nur angenehm; etwas zieht vor, Zitronenverbene – erinnert mich entfernt ein bisschen an Silage
- Geschmack: jetzt wirklich Hardcore-bitter, dazu etwas Zitrus-Säure
Fazit
Insgesamt starke und durchaus eindrückliche Tees. Alle sind von der Intensität her eher stärker als ein Frischtee aus Camellia sinensis. Die Orangen-Tees sind fruchtiger und feiner, die Grapefruit-Tees (wie auch die Frucht) intensiver, bitterer und härter – damit aber auch besser erinnerbar.
Stefanie hatte noch die beeindruckende Idee, die erkaltenden und über die Nacht stehengelassenen Tees danach zu filtern und in den Kühlschrank zu stellen, um sie als Tonic Water zu benutzen.
Und wie ist die Wirkung?
Wie gesagt: Die Tees waren durchaus beeindruckend. Steffi würde den Orangeblütentee favorisieren, ich den Orangenblättertee. Aber alle 4 Tees könnten wir uns als Tonic Water vorstellen – als Grundlage für diverse Drinks.
Aber was ihr daraus macht, das überlassen wir eurer Fantasie.
Und waren die Tees aufgrund des Koffeingehalts auch bewusstseinsverändernd? Das können wir leider nicht sagen, da wir beide regelmäßig Kaffee trinken… Immerhin möchte ich feststellen, dass die Grapefruit-Bitterkeit sicher sehr gut zu einer harten Morgen-Routine gehören könnte – die auf jeden Fall wach macht.
Und wenn man dann weiter wach bleiben möchte? Dann muss man nachgießen – oder auf echten Tee und Kaffee wechseln – um abends dann zu den Drinks auf der Grundlage des Zitruswassers zurückzukehren…
Yuzumelo