Ungefähr 2000 der 6000 Pflanzen (und Samensorten), die wir anbieten, sind essbare Pflanzen, oder haben essbare Organe. Wahrscheinlich würden wir nochmals 500 bis 1000 Pflanzen als essbar entdecken, wenn wir wirklich Hunger hätten oder wenn wir unsere biologische-kulinarische Phantasie wieder etwas mehr aktivieren würden. Auf der Umsatzseite sind die essbaren Pflanzenarten und -sorten nochmals bedeutungsvoller, sie machen deutlich über die Hälfte unserer Verkäufe aus und 80% der eigenen Pflanzenproduktion bei Lubera. Essbare Pflanzen, die Züchtung essbarer Pflanzen für den Garten, die Entdeckung neuer oder unbekannter essbarer Pflanzen unterscheidet Lubera von vielen anderen Pflanzenproduzenten und Pflanzenverkäufern. Warum sind essbare Pflanzen überhaupt wichtig? Warum sind für uns bei Lubera die essbaren Pflanzen so wichtig? Ich versuche eine Antwort in 7 Sätzen oder Thesen. Und natürlich wird es dann am Ende doch noch etwas länger als die 7 Grundsätze. Im Lubera Shop kannst du viele essbare Pflanzen kaufen und sie in deinem Garten anbauen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Essbare Pflanzen – Pflanzen insgesamt sind die wichtigsten Lebewesen lange vor Mensch und Tier
- 2. Alle Lebensmittel basieren direkt oder indirekt auf Pflanzen
- 3. Wir essen Pflanzen, wir verleiben sie uns im wahrsten Sinne des Wortes ein
- 4. Die Pflanze verändert uns und unser Verhalten
- 5. Wir Menschen verändern die essbaren Pflanzen (mehr als Pflanzen im Allgemeinen)
- 6. Das enge Verhältnis zwischen Mensch und Pflanze sagt über beide Partner viel aus
- 7. Der Garten ist das Labor einer zukünftigen Landwirtschaft
1. Essbare Pflanzen – Pflanzen insgesamt sind die wichtigsten Lebewesen lange vor Mensch und Tier
Die Pflanzen und ihre Vorgängerorganismen produzieren Sauerstoff, fixieren CO2, ermöglichen damit den Tieren (darunter uns Menschen) erst unser Leben. Wir nehmen Pflanzen gemeinhin als unwichtig und naja unvermeidliche, aber auch weiter nicht störende Naturerscheinungen wahr. In Tat und Wahrheit machen sie über 80% des Lebens auf unserem Planeten aus. Das habt ihr von mir schon mal gehört? Ja, ich weiss, aber ich bin ob der vielfachen Wiederholung durchaus nicht schuldbewusst, weil das falsch angelernte Vorurteil über Pflanzen fast nicht auszurotten ist. Kürzlich meinte sogar ein Unternehmer in einem Podcast, na ja, eigentlich seien Pflanzen (die er übrigens selber verkauft) ziemlich unwichtig (sprich: nicht so wichtig wie Textilien, Autos und Elektronik), aber da sei halt der Markt noch nicht besetzt. Mal schauen, ob man so wirklich Pflanzen verkaufen kann…
2. Alle Lebensmittel basieren direkt oder indirekt auf Pflanzen
Ohne Pflanzen geht ernährungstechnisch rein gar nichts. Das vergessen wir gerne auch bei Fleischersatzprodukten ob all der schönen Formen und Typen, die industriell aus pflanzlichen Erzeugnissen hergestellt werden. Fleisch, Fleisch-Ersatzprodukte und pflanzliche Lebensmittel werden letztlich aus Pflanzen gewonnen. Tönt ganz banal, aber es ist wichtig, dass wir uns das immer wieder in Erinnerung rufen.
3. Wir essen Pflanzen, wir verleiben sie uns im wahrsten Sinne des Wortes ein
Pflanzen machen den Grossteil unserer Nahrung als Menschen aus. Ich weiss, das ist nicht gerade eine neuartige Erkenntnis, aber es bestimmt halt doch unser Verhältnis zu Pflanzen. Unser Verhältnis zu ihnen ist so intim wie die Luft, die wir einatmen. Diese Nähe hat über Jahrtausende unserer Beziehung zu Pflanzen geprägt: als Jäger und Sammler, dann als sesshafte Bauern. Essbare Pflanzen sind also die engste Schnittstelle zwischen Mensch und Pflanze. Erst die Industrialisierung (der Landwirtschaft und überhaupt), die Arbeitsteilung und die Globalisierung haben in den letzten 200 bis 300 Jahren zu mehr Distanz geführt: Wer weiss wirklich noch, aus was Teigwaren bestehen? Und wer hat je eine Reispflanze gesehen? Diese Entfernung von der Pflanze kann langfristig zu einem Problem werden – die Pflanze wird unterschätzt, sie erscheint viel kleiner und unwichtiger als sie wirklich ist. Sogar für Leute, die direkt oder indirekt mit der Pflanze zu tun haben – siehe die Aussage des oben zitierten Pflanzenverkäufers.
4. Die Pflanze verändert uns und unser Verhalten
Warum sind wir sesshaft geworden? Welche Nahrungsmittel lieben wir oder ziehen wir vor? Ganz offensichtlich beeinflussen Pflanzen als Nahrung letztlich sogar unsere Körpergrösse und langfristig unseren Körperbau. Genuss und Giftpflanzen, Duftpflanzen, Drogenpflanzen haben einen entscheidenden Einfluss auf unsere Befindlichkeit - aber zugegeben, jetzt habe ich mich ganz leicht von den essbaren Pflanzen entfernt bzw. unter der Hand schnell ihre Definition als Genusspflanzen (?) etwas ausgeweitet😉. Sei’s drum.
5. Wir Menschen verändern die essbaren Pflanzen (mehr als Pflanzen im Allgemeinen)
Natürlich werden auch Zierpflanzen gezüchtet, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der Impact der menschlichen Beschäftigung mit Pflanzen bei essbaren Pflanzen am grössten. Nicht selten verändern Pflanzen durch die Domestizierung, durch den Einfluss des hungrigen, auswählenden und essenden Menschen sogar ihr Sexualverhalten. Viele Pflanzen sind grundsätzlich Fremdbefruchter, werden aber in der Domestizierung selbstfruchtbar, weil das die Erträge und die Ertragssicherheit steigert. Ja einige Pflanzen haben durch den Einfluss des Menschen sogar ihre natürliche Fortpflanzungsfähigkeit ganz verloren (wie z.B. die nördliche Feige) und überlassen sich ganz dem Menschen. Sie machen das aber ziemlich selbstbewusst und selbstsicher, da sie sich ihrer Verführungskünste, oder vielleicht unverdächtiger formuliert: ihrer Vorteile bewusst sind. Wer Feigen ernten will, muss halt auch Feigen vermehren…
6. Das enge Verhältnis zwischen Mensch und Pflanze sagt über beide Partner viel aus
Es führt mindestens im Resultat dazu, dass wir gegenseitig aufeinander angewiesen sind oder sein sollten. Das Verhältnis hat sich aber in den letzten 300 Jahren wie schon oben erwähnt entscheidend gelockert: Hier im nachindustriellen Westen, wo es keine wirklichen Dinge, geschweige denn Pflanzen, sondern bald nur noch virtuelle Dienstleistungen gibt, sind unsere physiologischen Bedürfnisse weitgehend befriedigt. Wir kraxeln also – zugegeben eher mühsam als elegant – auf der Maslowschen Bedürfnispyramide nach oben, bis nur noch Individualismus und Selbstverwirklichung als wichtig gelten. Und wenn die Pyramide unten zusammenbricht?
Die Pflanze ist – na ja, wir haben es gehört – für viele (sogar für Pflanzenverkäufer) unwichtig geworden, die essbare Pflanze erst recht. Allerhöchstens spielen Pflanzen als Luxuselemente, als architektonische Versatzstücke in der Landschaft eine Rolle, neuerdings auch als Ersatz- und Übersprungshandlung in Naturreservaten und Renaturierungen. Wildsträucher, besser noch einheimische Wildsträucher und Wildstauden sind viel wichtiger als essbare Pflanzen; oder hast du schon mal von einer Renaturierung gehört, wo Menschen Früchte ernten dürfen? Wir trennen künstlich Mensch und Natur. Dabei tun wir so, als hätte der Mensch keinen Einfluss. Das hat auch den "Vorteil", dass wir über seinen real existierenden Einfluss nicht nachdenken müssen..
7. Der Garten ist das Labor einer zukünftigen Landwirtschaft
Auch die Landwirtschaft hat sich von der Pflanze entfernt. Pflanzen sind zu einem von Robotern bearbeiteten Investitionsgut geworden. Direkt hat der Mensch mit Pflanzen nur noch wenig zu tun. Im Garten gewinnen neue und alte, domestizierte und wilde essbare Pflanzen eine neue Bedeutung, indem sie die verlorene Unmittelbarkeit zwischen Mensch und Pflanze wiederherstellen. Wie das gehen soll? Na ja, ganz einfach, übers Essen – wir haben es nur zwischendrin vergessen…
Fast sicher bleiben wir ohne essbare Pflanzen – ob in der Landwirtschaft oder bei uns im Garten – ziemlich hungrig. Dazu kommt das gigantische Risiko, dass uns die industrielle Landwirtschaft von ganz wenigen Nutzpflanzen abhängig gemacht hat. Die Diversität der essbaren Pflanzen vermindert dieses Risiko – zuallererst in den Gärten dieser Welt
Wahrscheinlich können wir auch ohne Pflanzen, insbesondere essbare Pflanzen, nicht glücklich sein. Ganz sicher machen sie uns definitiv glücklicher. Womit wir bei der Maslowschen Bedürfnispyramide endlich doch wieder dem Gipfel entgegenklettern...